Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Holland und der englische Wirtschaftskrieg

läßt England -- bis jetzt noch -- unbehelligt aus niederländisch-Jndien nach
Holland durch, und diese Produkte dürfen daher einstweilen mit englischer
Erlaubnis von Holland auch nach Deutschland ausgeführt werden. Diese Aus¬
nahmestellung des holländischen Kaffees gab im Oktober 1915 Anlaß zu dem
sogenannten Krakatau-Zwischenfall. Der Dampfer "Krakatau", der mit Kaffee
aus niederländisch-Jndien nach Holland unterwegs war, wurde in England
angehalten, weil der Verdacht bestand, daß es sich in Wirklichkeit um Brasil-
kaffee handele, der in Java nur ungeladen worden sei. Schließlich wurde das
Schiff freigelassen, aber nur unter der Bedingung, daß der Kaffee an den
N. O. T. konsigniert werde, d. h. also, daß er in Holland bleiben müßte. Der
N. O. T. errichtete darauf eine besondere Kommission, um allen aus nieder¬
ländisch-Jndien eingeführten Kaffee auf seine Herkunft zu untersuchen.

Wie rücksichtslos England die holländischen Kolonialprodukte behandelte,
zeigte sich ferner auch in der Zinnangelegenheit, die gleichfalls im Oktober 1915
spielte. Die holländische Regierung hatte im Austausch gegen Anilinfarben
mehrere hundert Blöcke Bankazinn nach Deutschland verkauft. Es handelte sich
um Negierungszinn, d. h. um Ware, die nicht an den N. O. T. lonsigniert war,
sondern die dem Staat gehörte, schon seit längerer Zeit in Holland war, und
über die die holländische Regierung daher völlig frei verfügen konnte. Trotzdem
mischte sich England hinein, indem es einfach den Dampfer "Rindjani" mit
einer neuen Zinnladung festhielt und erst freigab, nachdem Holland ein Ausfuhr¬
verbot für Zinn erlassen hatte. In Zukunft läßt England auch das Zinn,
ebenso wie die meisten anderen holländischen Kolonialprodukte, nur noch in
genau abgemessenen, dem holländischen eigenen Bedarf entsprechenden Mengen
nach Holland hinein.

Alle diese Nachgiebigkeit Hollands genügte England noch nicht. In der
englischen Presse tauchte immer von neuem die Behauptung auf, daß Holland
den Schmuggel nach Deutschland begünstige. In Holland selbst machte sich das
bekannte deutschfeindliche Hetzblatt "Telegraaf", das gänzlich unter englischem
Einfluß steht, zum Anwalt dieser Beschuldigungen und ließ keinen Tag vorbei¬
gehen, ohne in seinen Spalten Fälle von angeblichen Schmuggel ans Licht zu
ziehen und strenge Maßnahmen dagegen zu verlangen. Gestützt hierauf setzte
England bei der holländischen Regierung im November 1915 einen Gesetz¬
entwurf durch, der die Lagerung und die Beförderung von Waren im Grenz¬
gebiet starken Beschränkungen und einer scharfen Aufsicht unterwarf. Das Gesetz,
das am 10. Januar 1916 in Kraft getreten ist, zieht gewissermaßen innerhalb
Hollands eine zweite Grenzlinie. Die zwischen dieser und der eigentlichen
Staatsgrenze lebenden Einwohner erhalten nur soviel Waren, wie sie selbst
unbedingt nötig haben, damit sie nicht in die Versuchung kommen, etwas davon
an Deutschland abzugeben. Dieselbe Tendenz verfolgte eine königliche Ver¬
ordnung vom 4. Dezember 1915, durch die der in Belagerungszustand befind¬
liche Streifen längs der deutsch-holländischen Grenze erheblich verbreitert wurde.


Holland und der englische Wirtschaftskrieg

läßt England — bis jetzt noch — unbehelligt aus niederländisch-Jndien nach
Holland durch, und diese Produkte dürfen daher einstweilen mit englischer
Erlaubnis von Holland auch nach Deutschland ausgeführt werden. Diese Aus¬
nahmestellung des holländischen Kaffees gab im Oktober 1915 Anlaß zu dem
sogenannten Krakatau-Zwischenfall. Der Dampfer „Krakatau", der mit Kaffee
aus niederländisch-Jndien nach Holland unterwegs war, wurde in England
angehalten, weil der Verdacht bestand, daß es sich in Wirklichkeit um Brasil-
kaffee handele, der in Java nur ungeladen worden sei. Schließlich wurde das
Schiff freigelassen, aber nur unter der Bedingung, daß der Kaffee an den
N. O. T. konsigniert werde, d. h. also, daß er in Holland bleiben müßte. Der
N. O. T. errichtete darauf eine besondere Kommission, um allen aus nieder¬
ländisch-Jndien eingeführten Kaffee auf seine Herkunft zu untersuchen.

Wie rücksichtslos England die holländischen Kolonialprodukte behandelte,
zeigte sich ferner auch in der Zinnangelegenheit, die gleichfalls im Oktober 1915
spielte. Die holländische Regierung hatte im Austausch gegen Anilinfarben
mehrere hundert Blöcke Bankazinn nach Deutschland verkauft. Es handelte sich
um Negierungszinn, d. h. um Ware, die nicht an den N. O. T. lonsigniert war,
sondern die dem Staat gehörte, schon seit längerer Zeit in Holland war, und
über die die holländische Regierung daher völlig frei verfügen konnte. Trotzdem
mischte sich England hinein, indem es einfach den Dampfer „Rindjani" mit
einer neuen Zinnladung festhielt und erst freigab, nachdem Holland ein Ausfuhr¬
verbot für Zinn erlassen hatte. In Zukunft läßt England auch das Zinn,
ebenso wie die meisten anderen holländischen Kolonialprodukte, nur noch in
genau abgemessenen, dem holländischen eigenen Bedarf entsprechenden Mengen
nach Holland hinein.

Alle diese Nachgiebigkeit Hollands genügte England noch nicht. In der
englischen Presse tauchte immer von neuem die Behauptung auf, daß Holland
den Schmuggel nach Deutschland begünstige. In Holland selbst machte sich das
bekannte deutschfeindliche Hetzblatt „Telegraaf", das gänzlich unter englischem
Einfluß steht, zum Anwalt dieser Beschuldigungen und ließ keinen Tag vorbei¬
gehen, ohne in seinen Spalten Fälle von angeblichen Schmuggel ans Licht zu
ziehen und strenge Maßnahmen dagegen zu verlangen. Gestützt hierauf setzte
England bei der holländischen Regierung im November 1915 einen Gesetz¬
entwurf durch, der die Lagerung und die Beförderung von Waren im Grenz¬
gebiet starken Beschränkungen und einer scharfen Aufsicht unterwarf. Das Gesetz,
das am 10. Januar 1916 in Kraft getreten ist, zieht gewissermaßen innerhalb
Hollands eine zweite Grenzlinie. Die zwischen dieser und der eigentlichen
Staatsgrenze lebenden Einwohner erhalten nur soviel Waren, wie sie selbst
unbedingt nötig haben, damit sie nicht in die Versuchung kommen, etwas davon
an Deutschland abzugeben. Dieselbe Tendenz verfolgte eine königliche Ver¬
ordnung vom 4. Dezember 1915, durch die der in Belagerungszustand befind¬
liche Streifen längs der deutsch-holländischen Grenze erheblich verbreitert wurde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0177" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329843"/>
          <fw type="header" place="top"> Holland und der englische Wirtschaftskrieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_553" prev="#ID_552"> läßt England &#x2014; bis jetzt noch &#x2014; unbehelligt aus niederländisch-Jndien nach<lb/>
Holland durch, und diese Produkte dürfen daher einstweilen mit englischer<lb/>
Erlaubnis von Holland auch nach Deutschland ausgeführt werden. Diese Aus¬<lb/>
nahmestellung des holländischen Kaffees gab im Oktober 1915 Anlaß zu dem<lb/>
sogenannten Krakatau-Zwischenfall. Der Dampfer &#x201E;Krakatau", der mit Kaffee<lb/>
aus niederländisch-Jndien nach Holland unterwegs war, wurde in England<lb/>
angehalten, weil der Verdacht bestand, daß es sich in Wirklichkeit um Brasil-<lb/>
kaffee handele, der in Java nur ungeladen worden sei. Schließlich wurde das<lb/>
Schiff freigelassen, aber nur unter der Bedingung, daß der Kaffee an den<lb/>
N. O. T. konsigniert werde, d. h. also, daß er in Holland bleiben müßte. Der<lb/>
N. O. T. errichtete darauf eine besondere Kommission, um allen aus nieder¬<lb/>
ländisch-Jndien eingeführten Kaffee auf seine Herkunft zu untersuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_554"> Wie rücksichtslos England die holländischen Kolonialprodukte behandelte,<lb/>
zeigte sich ferner auch in der Zinnangelegenheit, die gleichfalls im Oktober 1915<lb/>
spielte. Die holländische Regierung hatte im Austausch gegen Anilinfarben<lb/>
mehrere hundert Blöcke Bankazinn nach Deutschland verkauft. Es handelte sich<lb/>
um Negierungszinn, d. h. um Ware, die nicht an den N. O. T. lonsigniert war,<lb/>
sondern die dem Staat gehörte, schon seit längerer Zeit in Holland war, und<lb/>
über die die holländische Regierung daher völlig frei verfügen konnte. Trotzdem<lb/>
mischte sich England hinein, indem es einfach den Dampfer &#x201E;Rindjani" mit<lb/>
einer neuen Zinnladung festhielt und erst freigab, nachdem Holland ein Ausfuhr¬<lb/>
verbot für Zinn erlassen hatte. In Zukunft läßt England auch das Zinn,<lb/>
ebenso wie die meisten anderen holländischen Kolonialprodukte, nur noch in<lb/>
genau abgemessenen, dem holländischen eigenen Bedarf entsprechenden Mengen<lb/>
nach Holland hinein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_555"> Alle diese Nachgiebigkeit Hollands genügte England noch nicht. In der<lb/>
englischen Presse tauchte immer von neuem die Behauptung auf, daß Holland<lb/>
den Schmuggel nach Deutschland begünstige. In Holland selbst machte sich das<lb/>
bekannte deutschfeindliche Hetzblatt &#x201E;Telegraaf", das gänzlich unter englischem<lb/>
Einfluß steht, zum Anwalt dieser Beschuldigungen und ließ keinen Tag vorbei¬<lb/>
gehen, ohne in seinen Spalten Fälle von angeblichen Schmuggel ans Licht zu<lb/>
ziehen und strenge Maßnahmen dagegen zu verlangen. Gestützt hierauf setzte<lb/>
England bei der holländischen Regierung im November 1915 einen Gesetz¬<lb/>
entwurf durch, der die Lagerung und die Beförderung von Waren im Grenz¬<lb/>
gebiet starken Beschränkungen und einer scharfen Aufsicht unterwarf. Das Gesetz,<lb/>
das am 10. Januar 1916 in Kraft getreten ist, zieht gewissermaßen innerhalb<lb/>
Hollands eine zweite Grenzlinie. Die zwischen dieser und der eigentlichen<lb/>
Staatsgrenze lebenden Einwohner erhalten nur soviel Waren, wie sie selbst<lb/>
unbedingt nötig haben, damit sie nicht in die Versuchung kommen, etwas davon<lb/>
an Deutschland abzugeben. Dieselbe Tendenz verfolgte eine königliche Ver¬<lb/>
ordnung vom 4. Dezember 1915, durch die der in Belagerungszustand befind¬<lb/>
liche Streifen längs der deutsch-holländischen Grenze erheblich verbreitert wurde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0177] Holland und der englische Wirtschaftskrieg läßt England — bis jetzt noch — unbehelligt aus niederländisch-Jndien nach Holland durch, und diese Produkte dürfen daher einstweilen mit englischer Erlaubnis von Holland auch nach Deutschland ausgeführt werden. Diese Aus¬ nahmestellung des holländischen Kaffees gab im Oktober 1915 Anlaß zu dem sogenannten Krakatau-Zwischenfall. Der Dampfer „Krakatau", der mit Kaffee aus niederländisch-Jndien nach Holland unterwegs war, wurde in England angehalten, weil der Verdacht bestand, daß es sich in Wirklichkeit um Brasil- kaffee handele, der in Java nur ungeladen worden sei. Schließlich wurde das Schiff freigelassen, aber nur unter der Bedingung, daß der Kaffee an den N. O. T. konsigniert werde, d. h. also, daß er in Holland bleiben müßte. Der N. O. T. errichtete darauf eine besondere Kommission, um allen aus nieder¬ ländisch-Jndien eingeführten Kaffee auf seine Herkunft zu untersuchen. Wie rücksichtslos England die holländischen Kolonialprodukte behandelte, zeigte sich ferner auch in der Zinnangelegenheit, die gleichfalls im Oktober 1915 spielte. Die holländische Regierung hatte im Austausch gegen Anilinfarben mehrere hundert Blöcke Bankazinn nach Deutschland verkauft. Es handelte sich um Negierungszinn, d. h. um Ware, die nicht an den N. O. T. lonsigniert war, sondern die dem Staat gehörte, schon seit längerer Zeit in Holland war, und über die die holländische Regierung daher völlig frei verfügen konnte. Trotzdem mischte sich England hinein, indem es einfach den Dampfer „Rindjani" mit einer neuen Zinnladung festhielt und erst freigab, nachdem Holland ein Ausfuhr¬ verbot für Zinn erlassen hatte. In Zukunft läßt England auch das Zinn, ebenso wie die meisten anderen holländischen Kolonialprodukte, nur noch in genau abgemessenen, dem holländischen eigenen Bedarf entsprechenden Mengen nach Holland hinein. Alle diese Nachgiebigkeit Hollands genügte England noch nicht. In der englischen Presse tauchte immer von neuem die Behauptung auf, daß Holland den Schmuggel nach Deutschland begünstige. In Holland selbst machte sich das bekannte deutschfeindliche Hetzblatt „Telegraaf", das gänzlich unter englischem Einfluß steht, zum Anwalt dieser Beschuldigungen und ließ keinen Tag vorbei¬ gehen, ohne in seinen Spalten Fälle von angeblichen Schmuggel ans Licht zu ziehen und strenge Maßnahmen dagegen zu verlangen. Gestützt hierauf setzte England bei der holländischen Regierung im November 1915 einen Gesetz¬ entwurf durch, der die Lagerung und die Beförderung von Waren im Grenz¬ gebiet starken Beschränkungen und einer scharfen Aufsicht unterwarf. Das Gesetz, das am 10. Januar 1916 in Kraft getreten ist, zieht gewissermaßen innerhalb Hollands eine zweite Grenzlinie. Die zwischen dieser und der eigentlichen Staatsgrenze lebenden Einwohner erhalten nur soviel Waren, wie sie selbst unbedingt nötig haben, damit sie nicht in die Versuchung kommen, etwas davon an Deutschland abzugeben. Dieselbe Tendenz verfolgte eine königliche Ver¬ ordnung vom 4. Dezember 1915, durch die der in Belagerungszustand befind¬ liche Streifen längs der deutsch-holländischen Grenze erheblich verbreitert wurde.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/177
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/177>, abgerufen am 15.01.2025.