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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Wie kam Frankreich zu Lothringen und dem Llsaß?

Friedensschluß von Münster sei ihm das Elsaß abgetreten, und durch den von
Nymwegen der Besitz bestätigt worden, zu dem Elsaß aber gehöre Straßburg,
und sandte 1681 plötzlich ein Heer gegen dieses, das vom Reiche im Stiche
gelassen, dem französischen Räuber seine Tore öffnete. Der den Pfälzer Raub¬
krieg (1683--97) beendende Friede zu Ryswijk sprach Frankreich diese Reunionen
im Elsaß sowie Saarlouis keineswegs zu; doch blieb es in dessen Besitz. Ab¬
gesehen von einigen kleinen dem Reiche verbleibenden Enklaven: Mühlhausen,
Grafschaft Salm, Saarwerden, war diesem nun ganz Elsaß entrissen.

Das Herzogtum Lothringen erlangte Ludwig der Fünfzehnte von Frankreich
durch betrügerischen Schacher. Der Kaiser Karl der Sechste hatte durch die
pragmatische Sanktion das Habsburger Hausgesetz dahin umgeändert, daß nach
seinem Tode die österreichischen Erdtaube ungeteilt an sein einziges Kind Maria
Theresia fallen sollten. Frankreich erkannte 1738 die pragmatische Sanktion
unter der Bedingung an, daß Maria Theresias Gemahl, der Herzog von
Lothringen, gegen Toskana sein angestammtes Herzogtum vertauschte, welches
an Stanislaus Lesczinski und nach dessen Tode an seinen Schwiegersohn
Ludwig den Fünfzehnten von Frankreich kommen sollte. Dieser aber unterstützte
trotz seiner Anerkennung der pragmatischen Sanktion und des vollzogenen
Tausches 1740--48 im österreichischen Erbfolgelriege Karl Albrecht von Bayern
mit Heeresmacht gegen Maria Theresia, brach also den Vertrag; doch erbte er
gleichwohl 1766 nach seines Schwiegervaters Tode Lothringen. Nur das kleine
Krichingen verblieb Deutschland als Enklave.

Da 1792 der Kaiser Franz der Zweite von Frankreich die Wieder¬
herstellung einer geordneten monarchischen Negierung und aller lehensherrlichen
Rechte, welche deutsche Fürsten im Elsaß und in Lothringen besaßen, verlangte,
so erklärte jenes den Krieg. In diesem eroberte es den Rest der linksrheinischen
Gebiete Deutschlands. Das war die erste und einzige Eroberung, die es auf
deutschem Boden ohne deutsche Hilfe in einem ehrlichen Kriege machte. 1795
willigte Preußen in dem Sonderfrieden zu Basel, 1797 Österreich in dem zu
Campo Formio und 1801 das Deutsche Reich in dem von Luneville in die
Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich. Somit war nun ganz Ober-
Lothringen und Elsaß an dieses gekommen.

Zwar wurden beide Länder schon 1814 im großen Befreiungskriege von
den deutschen Waffen wiedererobert, aber ihre Rückgabe an Deutschland hinter¬
trieben England und Nußland, unsere damaligen Verbündeten. Im ersten
Pariser Frieden ward Frankreich auf die Grenzen vom 1. Januar 1792 be¬
schränkt, aber nur im wesentlichen, denn es behielt die damaligen deutschen
Enklaven in Lothringen und im Elsaß. Erst 1315 mußte es im zweiten Pariser
Frieden wenigstens Saarlouis und Saarbrücken mit Umgebung an Preußen
und Landau an Bayern abtreten. Bitter enttäuscht war damals das deutsche
Volk, das mindestens die Wiedergewinnung des im Kerne deutsch gebliebenen
Elsasses und der Festungen der Mosel und Maas erhofft hatte.


Wie kam Frankreich zu Lothringen und dem Llsaß?

Friedensschluß von Münster sei ihm das Elsaß abgetreten, und durch den von
Nymwegen der Besitz bestätigt worden, zu dem Elsaß aber gehöre Straßburg,
und sandte 1681 plötzlich ein Heer gegen dieses, das vom Reiche im Stiche
gelassen, dem französischen Räuber seine Tore öffnete. Der den Pfälzer Raub¬
krieg (1683—97) beendende Friede zu Ryswijk sprach Frankreich diese Reunionen
im Elsaß sowie Saarlouis keineswegs zu; doch blieb es in dessen Besitz. Ab¬
gesehen von einigen kleinen dem Reiche verbleibenden Enklaven: Mühlhausen,
Grafschaft Salm, Saarwerden, war diesem nun ganz Elsaß entrissen.

Das Herzogtum Lothringen erlangte Ludwig der Fünfzehnte von Frankreich
durch betrügerischen Schacher. Der Kaiser Karl der Sechste hatte durch die
pragmatische Sanktion das Habsburger Hausgesetz dahin umgeändert, daß nach
seinem Tode die österreichischen Erdtaube ungeteilt an sein einziges Kind Maria
Theresia fallen sollten. Frankreich erkannte 1738 die pragmatische Sanktion
unter der Bedingung an, daß Maria Theresias Gemahl, der Herzog von
Lothringen, gegen Toskana sein angestammtes Herzogtum vertauschte, welches
an Stanislaus Lesczinski und nach dessen Tode an seinen Schwiegersohn
Ludwig den Fünfzehnten von Frankreich kommen sollte. Dieser aber unterstützte
trotz seiner Anerkennung der pragmatischen Sanktion und des vollzogenen
Tausches 1740—48 im österreichischen Erbfolgelriege Karl Albrecht von Bayern
mit Heeresmacht gegen Maria Theresia, brach also den Vertrag; doch erbte er
gleichwohl 1766 nach seines Schwiegervaters Tode Lothringen. Nur das kleine
Krichingen verblieb Deutschland als Enklave.

Da 1792 der Kaiser Franz der Zweite von Frankreich die Wieder¬
herstellung einer geordneten monarchischen Negierung und aller lehensherrlichen
Rechte, welche deutsche Fürsten im Elsaß und in Lothringen besaßen, verlangte,
so erklärte jenes den Krieg. In diesem eroberte es den Rest der linksrheinischen
Gebiete Deutschlands. Das war die erste und einzige Eroberung, die es auf
deutschem Boden ohne deutsche Hilfe in einem ehrlichen Kriege machte. 1795
willigte Preußen in dem Sonderfrieden zu Basel, 1797 Österreich in dem zu
Campo Formio und 1801 das Deutsche Reich in dem von Luneville in die
Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich. Somit war nun ganz Ober-
Lothringen und Elsaß an dieses gekommen.

Zwar wurden beide Länder schon 1814 im großen Befreiungskriege von
den deutschen Waffen wiedererobert, aber ihre Rückgabe an Deutschland hinter¬
trieben England und Nußland, unsere damaligen Verbündeten. Im ersten
Pariser Frieden ward Frankreich auf die Grenzen vom 1. Januar 1792 be¬
schränkt, aber nur im wesentlichen, denn es behielt die damaligen deutschen
Enklaven in Lothringen und im Elsaß. Erst 1315 mußte es im zweiten Pariser
Frieden wenigstens Saarlouis und Saarbrücken mit Umgebung an Preußen
und Landau an Bayern abtreten. Bitter enttäuscht war damals das deutsche
Volk, das mindestens die Wiedergewinnung des im Kerne deutsch gebliebenen
Elsasses und der Festungen der Mosel und Maas erhofft hatte.


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[0169] Wie kam Frankreich zu Lothringen und dem Llsaß? Friedensschluß von Münster sei ihm das Elsaß abgetreten, und durch den von Nymwegen der Besitz bestätigt worden, zu dem Elsaß aber gehöre Straßburg, und sandte 1681 plötzlich ein Heer gegen dieses, das vom Reiche im Stiche gelassen, dem französischen Räuber seine Tore öffnete. Der den Pfälzer Raub¬ krieg (1683—97) beendende Friede zu Ryswijk sprach Frankreich diese Reunionen im Elsaß sowie Saarlouis keineswegs zu; doch blieb es in dessen Besitz. Ab¬ gesehen von einigen kleinen dem Reiche verbleibenden Enklaven: Mühlhausen, Grafschaft Salm, Saarwerden, war diesem nun ganz Elsaß entrissen. Das Herzogtum Lothringen erlangte Ludwig der Fünfzehnte von Frankreich durch betrügerischen Schacher. Der Kaiser Karl der Sechste hatte durch die pragmatische Sanktion das Habsburger Hausgesetz dahin umgeändert, daß nach seinem Tode die österreichischen Erdtaube ungeteilt an sein einziges Kind Maria Theresia fallen sollten. Frankreich erkannte 1738 die pragmatische Sanktion unter der Bedingung an, daß Maria Theresias Gemahl, der Herzog von Lothringen, gegen Toskana sein angestammtes Herzogtum vertauschte, welches an Stanislaus Lesczinski und nach dessen Tode an seinen Schwiegersohn Ludwig den Fünfzehnten von Frankreich kommen sollte. Dieser aber unterstützte trotz seiner Anerkennung der pragmatischen Sanktion und des vollzogenen Tausches 1740—48 im österreichischen Erbfolgelriege Karl Albrecht von Bayern mit Heeresmacht gegen Maria Theresia, brach also den Vertrag; doch erbte er gleichwohl 1766 nach seines Schwiegervaters Tode Lothringen. Nur das kleine Krichingen verblieb Deutschland als Enklave. Da 1792 der Kaiser Franz der Zweite von Frankreich die Wieder¬ herstellung einer geordneten monarchischen Negierung und aller lehensherrlichen Rechte, welche deutsche Fürsten im Elsaß und in Lothringen besaßen, verlangte, so erklärte jenes den Krieg. In diesem eroberte es den Rest der linksrheinischen Gebiete Deutschlands. Das war die erste und einzige Eroberung, die es auf deutschem Boden ohne deutsche Hilfe in einem ehrlichen Kriege machte. 1795 willigte Preußen in dem Sonderfrieden zu Basel, 1797 Österreich in dem zu Campo Formio und 1801 das Deutsche Reich in dem von Luneville in die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich. Somit war nun ganz Ober- Lothringen und Elsaß an dieses gekommen. Zwar wurden beide Länder schon 1814 im großen Befreiungskriege von den deutschen Waffen wiedererobert, aber ihre Rückgabe an Deutschland hinter¬ trieben England und Nußland, unsere damaligen Verbündeten. Im ersten Pariser Frieden ward Frankreich auf die Grenzen vom 1. Januar 1792 be¬ schränkt, aber nur im wesentlichen, denn es behielt die damaligen deutschen Enklaven in Lothringen und im Elsaß. Erst 1315 mußte es im zweiten Pariser Frieden wenigstens Saarlouis und Saarbrücken mit Umgebung an Preußen und Landau an Bayern abtreten. Bitter enttäuscht war damals das deutsche Volk, das mindestens die Wiedergewinnung des im Kerne deutsch gebliebenen Elsasses und der Festungen der Mosel und Maas erhofft hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/169>, abgerufen am 15.01.2025.