Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der neue Sohn des Himmels auf der Straße. Die Weiberwirtschaft in der Siade und auch an vielen anderen Im Herbst 1911 brach sie aus und fand ein schwaches Geschlecht. Die Im Dezember 1911 war ich wiederum in Peking. Der Regent und die Der neue Sohn des Himmels auf der Straße. Die Weiberwirtschaft in der Siade und auch an vielen anderen Im Herbst 1911 brach sie aus und fand ein schwaches Geschlecht. Die Im Dezember 1911 war ich wiederum in Peking. Der Regent und die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329826"/> <fw type="header" place="top"> Der neue Sohn des Himmels</fw><lb/> <p xml:id="ID_486" prev="#ID_485"> auf der Straße. Die Weiberwirtschaft in der Siade und auch an vielen anderen<lb/> Punkten des Reiches stieg ins Unglaubliche. Niemand schien mehr an die<lb/> Zukunft zu denken, nach dem Prinzip: Laßt uns leben und lustig sein, denn<lb/> morgen sind wir tot. Der Knochenmann ließ denn auch nicht lange auf sich<lb/> warten. Die Eingeweihten wußten es längst, daß man in China auf einem<lb/> Vulkan tanzte. Die Revolution stand vor der Tür.</p><lb/> <p xml:id="ID_487"> Im Herbst 1911 brach sie aus und fand ein schwaches Geschlecht. Die<lb/> Mandschus und ihr Anhang, die jämmerlichen Nachkommen großherziger Er¬<lb/> oberer, wurden in wenigen Monaten hinweggefegt. Mich selbst traf die Nach¬<lb/> richt des Ausbruchs der Revolution im innersten Sumatra, im Hochgebirge, wo<lb/> ich Heilung von schwerem Tropenfieber suchte. Mit allen Möglichkeiten reiste<lb/> ich nach Norden. Mein Weg führte mich über Padang, die Nordspitze<lb/> Sumatras, nach Penang, Singapore, Hongkong und schließlich Schanghai. Als<lb/> dort unser Dampfer morgens einlief, erlebten wir gerade den großen Augenblick,<lb/> als die chinesische Kriegsflotte das gelbe kaiserliche Drachenbanner nieder¬<lb/> holte und zum fünfstreifigen Nevolutionsbanner überging. Wir sahen Motor¬<lb/> barkassen an einzelne Kriegsschiffe heranfahren. Einige Offiziere stiegen an Deck<lb/> der Kreuzer, und kurz darauf fand der Flaggenwechsel — ohne daß es zum<lb/> Kampf kam — statt. Die gesamte Flotte Chinas war damals, ebenso wie noch<lb/> gegenwärtig, ein Element, das die Regierenden nicht in ihre Berechnung einzu¬<lb/> stellen vermochten. Heute dient sie dem und morgen jenem. Das Zünglein der<lb/> Wage hält der in der Hand, der am meisten zahlt. Ich sagte schon einmal,<lb/> die Begriffe von Ehre und Vaterlandsliebe sind in Deutschland und dem fernen<lb/> Orient außerordentlich verschieden.</p><lb/> <p xml:id="ID_488" next="#ID_489"> Im Dezember 1911 war ich wiederum in Peking. Der Regent und die<lb/> Leute um ihn waren wie Hülflose Kinder, als ob sie nie etwas von Volksrecht<lb/> und Volkswillen gehört hätten. Alle diese Leute lebten mit ihren Anschauungen<lb/> noch um zweihundert Jahre zurück. Das Prinzip des Herrschers war: „IVStat<lb/> c'est moi", und als es nun anders kam, da verstanden sie nicht einmal wie<lb/> ihre großen Ahnen, mit Anstand in den Tod zu gehen. Das Bild, das der<lb/> herrschende Mandschuadel bot, war das denkbar kläglichste und erbärmlichste der<lb/> Welt. Man schrie nach dem Manne, den man drei knappe Jahre vorher wie<lb/> einen schmutzigen Kuli aus dem Hause gejagt hatte. Der sollte nun das<lb/> Vaterland retten. — Juanschikai. — Und der große Mann kam aus seiner<lb/> Verbannung. Er sicherte sich Vollmachten. Im besonderen verhandelte er erst<lb/> mit den Fremden, um das sicher zu stellen, was bekanntlich erstens, zweitens<lb/> und drittens zum Kriegführen gehört, nämlich — Geld. Die Fremden<lb/> hatten Vertrauen zu diesem Manne und sagten ihm nur seiner Persönlichkeit<lb/> wegen die Gewährung der Anleihen zu, die er verlangte. Dann schickte Unan<lb/> das kaiserliche Heer gegen die Rebellen. In diesem Heere saß noch immer ein<lb/> Funke seines Geistes und Willens. Die kaiserliche Armee schlug die Rebellen<lb/> leicht, wo sie auch immer zusammentrafen. Unan hatte viel Undank erlebt, er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Der neue Sohn des Himmels
auf der Straße. Die Weiberwirtschaft in der Siade und auch an vielen anderen
Punkten des Reiches stieg ins Unglaubliche. Niemand schien mehr an die
Zukunft zu denken, nach dem Prinzip: Laßt uns leben und lustig sein, denn
morgen sind wir tot. Der Knochenmann ließ denn auch nicht lange auf sich
warten. Die Eingeweihten wußten es längst, daß man in China auf einem
Vulkan tanzte. Die Revolution stand vor der Tür.
Im Herbst 1911 brach sie aus und fand ein schwaches Geschlecht. Die
Mandschus und ihr Anhang, die jämmerlichen Nachkommen großherziger Er¬
oberer, wurden in wenigen Monaten hinweggefegt. Mich selbst traf die Nach¬
richt des Ausbruchs der Revolution im innersten Sumatra, im Hochgebirge, wo
ich Heilung von schwerem Tropenfieber suchte. Mit allen Möglichkeiten reiste
ich nach Norden. Mein Weg führte mich über Padang, die Nordspitze
Sumatras, nach Penang, Singapore, Hongkong und schließlich Schanghai. Als
dort unser Dampfer morgens einlief, erlebten wir gerade den großen Augenblick,
als die chinesische Kriegsflotte das gelbe kaiserliche Drachenbanner nieder¬
holte und zum fünfstreifigen Nevolutionsbanner überging. Wir sahen Motor¬
barkassen an einzelne Kriegsschiffe heranfahren. Einige Offiziere stiegen an Deck
der Kreuzer, und kurz darauf fand der Flaggenwechsel — ohne daß es zum
Kampf kam — statt. Die gesamte Flotte Chinas war damals, ebenso wie noch
gegenwärtig, ein Element, das die Regierenden nicht in ihre Berechnung einzu¬
stellen vermochten. Heute dient sie dem und morgen jenem. Das Zünglein der
Wage hält der in der Hand, der am meisten zahlt. Ich sagte schon einmal,
die Begriffe von Ehre und Vaterlandsliebe sind in Deutschland und dem fernen
Orient außerordentlich verschieden.
Im Dezember 1911 war ich wiederum in Peking. Der Regent und die
Leute um ihn waren wie Hülflose Kinder, als ob sie nie etwas von Volksrecht
und Volkswillen gehört hätten. Alle diese Leute lebten mit ihren Anschauungen
noch um zweihundert Jahre zurück. Das Prinzip des Herrschers war: „IVStat
c'est moi", und als es nun anders kam, da verstanden sie nicht einmal wie
ihre großen Ahnen, mit Anstand in den Tod zu gehen. Das Bild, das der
herrschende Mandschuadel bot, war das denkbar kläglichste und erbärmlichste der
Welt. Man schrie nach dem Manne, den man drei knappe Jahre vorher wie
einen schmutzigen Kuli aus dem Hause gejagt hatte. Der sollte nun das
Vaterland retten. — Juanschikai. — Und der große Mann kam aus seiner
Verbannung. Er sicherte sich Vollmachten. Im besonderen verhandelte er erst
mit den Fremden, um das sicher zu stellen, was bekanntlich erstens, zweitens
und drittens zum Kriegführen gehört, nämlich — Geld. Die Fremden
hatten Vertrauen zu diesem Manne und sagten ihm nur seiner Persönlichkeit
wegen die Gewährung der Anleihen zu, die er verlangte. Dann schickte Unan
das kaiserliche Heer gegen die Rebellen. In diesem Heere saß noch immer ein
Funke seines Geistes und Willens. Die kaiserliche Armee schlug die Rebellen
leicht, wo sie auch immer zusammentrafen. Unan hatte viel Undank erlebt, er
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