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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform der Pferderennen

Höhe der Leistung stattfindet. Ist diesen beiden Bedingungen genügt, ver¬
mindert sich die Gefahr des Totalisators, da dann die Rennen reeller durch¬
geführt werden müssen.

Man wird einwenden, daß es sehr schwer sei, die Abstände der Pferde
richtig zu bestimmen. Das trifft aber durchaus nicht zu. In der Moment-
Photographie und der photographischen Messung besitzen wir ein mit größter
Zuversichtlichkeit arbeitendes Mittel.

Daß die nach englischem Muster abgehaltenen Rennen für unsere Zucht
nicht den ihnen nachgerühmten Wert besitzen, daß sie keine ernsten Prüfungen,
sondern nur Schaustellungen sind, dürfte nach dem Gesagten einleuchten. Man
wird auf die vorzügliche Remontierung der deutschen Kavallerie und das her¬
vorragende englische Vollblut verweisen, die nur den Rennen zu danken seien.
Das eben bestreite ich.

Gewiß sind die guten Eigenschaften des deutschen Kavalleriepferdes der
Veredelung der Rasse durch Vollblut zu danken; aber das deutsche, d. h. von
deutschen Eltern im Inlande geborene Vollblutpferd ist dabei nur in geringem
Grade beteiligt. Von den im Jahre 1914 in die Gestüte neu eingestellten
32 Hengsten sind nur drei von deutschen Müttern, fünf von fremden Eltern im
Königlichen Hauptgestüt Grabitz, dagen 24 (also 75 v. H.) im Auslande ge¬
zogen. Wer darin eine erfreuliche Entwickelung der deutschen Vollblutzucht
sieht, legt eine wirklich beneidenswerte Anspruchslosigkeit an den Tag, besonders
wenn man berücksichtigt, daß im Reiche und den Rennvereinen aus dem Tota¬
lisator in den Jahren 1906 bis 1912 einschließlich die Summe von je über
231/2 Million zugeflossen ist. Tatsache ist, daß jährlich sehr viele Fohlen in
England und Frankreich von Rennstallbesitzern gekauft und in Deutschland ein¬
geführt werden und bei den Rennen besser abschneiden als die in Deutschland
gezogenen. Das Einstellen solcher Ausländer in die deutschen Gestüte kann
man doch wahrlich nicht als eine erfreuliche Entwickelung unserer Pferdezucht
bezeichnen.

Die guten Eigenschaften des englischen Vollbluts sind keineswegs die Folgen
der Rennen -- sonst hätten sie sich auch bei den nach demselben Muster "ge¬
prüften" deutschen Pferden entwickeln müssen -- sondern vielmehr Folgen der
die Zucht besonders fördernden Verhältnisse: ausgedehnte gute Weiden und
günstiges Klima.

Da wir uns in der Pferdezucht möglichst unabhängig vom Auslande machen
müssen, so ist eine ernste Prüfung der für die Zucht in Aussicht genommenen Pferde
dringend geboten. Wo in aller Welt kommt es sonst vor, daß die Prüflinge
-- will hier sagen die Rennstallbesitzer -- selbst die für das Bestehen der
Prüfung geltenden Bedingungen aufstellen? Überall sonst werden bestimmte
Mindestleistungen verlangt; nur bei den Pferderennen ist davon abgesehen; hier
können Preise für Leistungen gezahlt werden, die alles andere als Rennleistungen
sind, wenn nur die der anderen Pferde noch schlechter sind. Wir müssen daher


Grenzboten I 1916 8
Zur Reform der Pferderennen

Höhe der Leistung stattfindet. Ist diesen beiden Bedingungen genügt, ver¬
mindert sich die Gefahr des Totalisators, da dann die Rennen reeller durch¬
geführt werden müssen.

Man wird einwenden, daß es sehr schwer sei, die Abstände der Pferde
richtig zu bestimmen. Das trifft aber durchaus nicht zu. In der Moment-
Photographie und der photographischen Messung besitzen wir ein mit größter
Zuversichtlichkeit arbeitendes Mittel.

Daß die nach englischem Muster abgehaltenen Rennen für unsere Zucht
nicht den ihnen nachgerühmten Wert besitzen, daß sie keine ernsten Prüfungen,
sondern nur Schaustellungen sind, dürfte nach dem Gesagten einleuchten. Man
wird auf die vorzügliche Remontierung der deutschen Kavallerie und das her¬
vorragende englische Vollblut verweisen, die nur den Rennen zu danken seien.
Das eben bestreite ich.

Gewiß sind die guten Eigenschaften des deutschen Kavalleriepferdes der
Veredelung der Rasse durch Vollblut zu danken; aber das deutsche, d. h. von
deutschen Eltern im Inlande geborene Vollblutpferd ist dabei nur in geringem
Grade beteiligt. Von den im Jahre 1914 in die Gestüte neu eingestellten
32 Hengsten sind nur drei von deutschen Müttern, fünf von fremden Eltern im
Königlichen Hauptgestüt Grabitz, dagen 24 (also 75 v. H.) im Auslande ge¬
zogen. Wer darin eine erfreuliche Entwickelung der deutschen Vollblutzucht
sieht, legt eine wirklich beneidenswerte Anspruchslosigkeit an den Tag, besonders
wenn man berücksichtigt, daß im Reiche und den Rennvereinen aus dem Tota¬
lisator in den Jahren 1906 bis 1912 einschließlich die Summe von je über
231/2 Million zugeflossen ist. Tatsache ist, daß jährlich sehr viele Fohlen in
England und Frankreich von Rennstallbesitzern gekauft und in Deutschland ein¬
geführt werden und bei den Rennen besser abschneiden als die in Deutschland
gezogenen. Das Einstellen solcher Ausländer in die deutschen Gestüte kann
man doch wahrlich nicht als eine erfreuliche Entwickelung unserer Pferdezucht
bezeichnen.

Die guten Eigenschaften des englischen Vollbluts sind keineswegs die Folgen
der Rennen — sonst hätten sie sich auch bei den nach demselben Muster „ge¬
prüften" deutschen Pferden entwickeln müssen — sondern vielmehr Folgen der
die Zucht besonders fördernden Verhältnisse: ausgedehnte gute Weiden und
günstiges Klima.

Da wir uns in der Pferdezucht möglichst unabhängig vom Auslande machen
müssen, so ist eine ernste Prüfung der für die Zucht in Aussicht genommenen Pferde
dringend geboten. Wo in aller Welt kommt es sonst vor, daß die Prüflinge
— will hier sagen die Rennstallbesitzer — selbst die für das Bestehen der
Prüfung geltenden Bedingungen aufstellen? Überall sonst werden bestimmte
Mindestleistungen verlangt; nur bei den Pferderennen ist davon abgesehen; hier
können Preise für Leistungen gezahlt werden, die alles andere als Rennleistungen
sind, wenn nur die der anderen Pferde noch schlechter sind. Wir müssen daher


Grenzboten I 1916 8
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[0125] Zur Reform der Pferderennen Höhe der Leistung stattfindet. Ist diesen beiden Bedingungen genügt, ver¬ mindert sich die Gefahr des Totalisators, da dann die Rennen reeller durch¬ geführt werden müssen. Man wird einwenden, daß es sehr schwer sei, die Abstände der Pferde richtig zu bestimmen. Das trifft aber durchaus nicht zu. In der Moment- Photographie und der photographischen Messung besitzen wir ein mit größter Zuversichtlichkeit arbeitendes Mittel. Daß die nach englischem Muster abgehaltenen Rennen für unsere Zucht nicht den ihnen nachgerühmten Wert besitzen, daß sie keine ernsten Prüfungen, sondern nur Schaustellungen sind, dürfte nach dem Gesagten einleuchten. Man wird auf die vorzügliche Remontierung der deutschen Kavallerie und das her¬ vorragende englische Vollblut verweisen, die nur den Rennen zu danken seien. Das eben bestreite ich. Gewiß sind die guten Eigenschaften des deutschen Kavalleriepferdes der Veredelung der Rasse durch Vollblut zu danken; aber das deutsche, d. h. von deutschen Eltern im Inlande geborene Vollblutpferd ist dabei nur in geringem Grade beteiligt. Von den im Jahre 1914 in die Gestüte neu eingestellten 32 Hengsten sind nur drei von deutschen Müttern, fünf von fremden Eltern im Königlichen Hauptgestüt Grabitz, dagen 24 (also 75 v. H.) im Auslande ge¬ zogen. Wer darin eine erfreuliche Entwickelung der deutschen Vollblutzucht sieht, legt eine wirklich beneidenswerte Anspruchslosigkeit an den Tag, besonders wenn man berücksichtigt, daß im Reiche und den Rennvereinen aus dem Tota¬ lisator in den Jahren 1906 bis 1912 einschließlich die Summe von je über 231/2 Million zugeflossen ist. Tatsache ist, daß jährlich sehr viele Fohlen in England und Frankreich von Rennstallbesitzern gekauft und in Deutschland ein¬ geführt werden und bei den Rennen besser abschneiden als die in Deutschland gezogenen. Das Einstellen solcher Ausländer in die deutschen Gestüte kann man doch wahrlich nicht als eine erfreuliche Entwickelung unserer Pferdezucht bezeichnen. Die guten Eigenschaften des englischen Vollbluts sind keineswegs die Folgen der Rennen — sonst hätten sie sich auch bei den nach demselben Muster „ge¬ prüften" deutschen Pferden entwickeln müssen — sondern vielmehr Folgen der die Zucht besonders fördernden Verhältnisse: ausgedehnte gute Weiden und günstiges Klima. Da wir uns in der Pferdezucht möglichst unabhängig vom Auslande machen müssen, so ist eine ernste Prüfung der für die Zucht in Aussicht genommenen Pferde dringend geboten. Wo in aller Welt kommt es sonst vor, daß die Prüflinge — will hier sagen die Rennstallbesitzer — selbst die für das Bestehen der Prüfung geltenden Bedingungen aufstellen? Überall sonst werden bestimmte Mindestleistungen verlangt; nur bei den Pferderennen ist davon abgesehen; hier können Preise für Leistungen gezahlt werden, die alles andere als Rennleistungen sind, wenn nur die der anderen Pferde noch schlechter sind. Wir müssen daher Grenzboten I 1916 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/125>, abgerufen am 15.01.2025.