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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform der Pferderennen

der Ausgang der Nennen hängt so vom Zufall ab, daß der Leiter des Trakehner
Gestüts, Landstallmeister v. Burgsdorff 1827 sagen konnte: "Das englische
Wettrennen ist das größte Hasard der Welt und hat nur als solches Interesse."
Damals gab es aber noch keinen Totalisator, der die Auswüchse im Rennwesen
sehr befördert. Kann man schon das in hohem Grade von Zufall abhängige
Rennen ein Hasardspiel nennen, so gilt das in weit höherem Maße vom
Totalisator, weil hier die Höhe des Gewinns nicht, wie bei jedem anderen
Spiel bekannt ist. sondern wesentlich davon abhängt, wie die Pferde von dem
am Totalisator setzenden Publikum bewertet wurden. Siege ein aus irgend¬
einem Grunde vom Publikum niedrig eingeschätztes Pferd, so werden ungeheure,
ein Vermögen darstellende Gewinne gezahlt. So wurde z. B. bei dem Rennen
in Hoppegarten am 15. August 191S, wo in diesem Kriege der Totalisator zum
ersten Male wieder zugelassen war, für die Wette auf Sieg mehr als der
72fache, für die Platzwette mehr als der 172fache Einsatz gezahlt. Das ist
aber keineswegs der höchste, überhaupt am Totalisator gezahlte Gewinn. Bei
einem Trabrennen in Weißensee am 13. Oktober 1899 wurde das 391, in
Maison Lafitte am 28. September 1910 sogar das 667 fache des Einsatzes als
Gewinn ausgezahlt. Solche Gewinne übersteigen den günstigstenfalls am
Roulette erreichbaren um das zehn-, ja fast zwanzigfache. In diesen schwindel¬
hafter Gewinnen liegt der große Anreiz zum Spiel, dem große Massen unseres
Volkes gerade aus den unteren Ständen unterliegen. Welch schwindelhafte
Höhe der Umsatz am Totalisator erreicht, davon haben wohl nur wenige eine
Vorstellung. Im Jahre 1913 sind nicht weniger als 73 000 000 Mark um¬
gesetzt und an einem Renntage des Kriegsjahres in Hoppegarten über 700 000 M.
Daß der Totalisator in so schwerer Zeit in Deutschland zugelassen wurde, ist
im höchsten Grade bedauerlich und gereicht uns wahrlich nicht zur Ehre.

Der Totalisator trägt aber auch in hohem Grade dazu bei, den Wert
der Rennen als Leistungsprüfung noch mehr herabzusetzen. Es liegt die Ver¬
führung vor, das unwissende Publikum irrezuführen, indem zum Beispiel minder¬
wertige Pferde als Favoriten ausposaunt, hervorragende öffentlich als krank
oder nicht disponiert erklärt, gute Pferde verheimlicht werden. Die Ein¬
geweihten ziehen daraus am Totalisator ihren Nutzen.

Daß Seine Majestät von der verderblichen Wirkung des Totalisators durch¬
drungen ist, geht daraus hervor, daß er schon im Jahre 1894 den Offizieren der
Armee und Marine -- leider nur ihnen -- das Spiel am Totalisator ver-,
boten hat.

Am besten wäre es, den Totalisator ganz zu verbieten. Freilich bringt
er 162/g v. H. Steuern ein, im Jahre 1913 also allein etwa 13 Millionen,
wovon die Hälfte den Rennvereinen zufließt. Läßt sich dieser für die Hebung
der Pferdezucht bestimmte Betrag nicht anderweitig aufbringen, so sollte man
den Totalisator nur bei solchen Rennen zulassen, bei denen eine wirklich renn¬
mäßige Geschwindigkeit gefordert wird und die Abstufung der Preise nach der


Zur Reform der Pferderennen

der Ausgang der Nennen hängt so vom Zufall ab, daß der Leiter des Trakehner
Gestüts, Landstallmeister v. Burgsdorff 1827 sagen konnte: „Das englische
Wettrennen ist das größte Hasard der Welt und hat nur als solches Interesse."
Damals gab es aber noch keinen Totalisator, der die Auswüchse im Rennwesen
sehr befördert. Kann man schon das in hohem Grade von Zufall abhängige
Rennen ein Hasardspiel nennen, so gilt das in weit höherem Maße vom
Totalisator, weil hier die Höhe des Gewinns nicht, wie bei jedem anderen
Spiel bekannt ist. sondern wesentlich davon abhängt, wie die Pferde von dem
am Totalisator setzenden Publikum bewertet wurden. Siege ein aus irgend¬
einem Grunde vom Publikum niedrig eingeschätztes Pferd, so werden ungeheure,
ein Vermögen darstellende Gewinne gezahlt. So wurde z. B. bei dem Rennen
in Hoppegarten am 15. August 191S, wo in diesem Kriege der Totalisator zum
ersten Male wieder zugelassen war, für die Wette auf Sieg mehr als der
72fache, für die Platzwette mehr als der 172fache Einsatz gezahlt. Das ist
aber keineswegs der höchste, überhaupt am Totalisator gezahlte Gewinn. Bei
einem Trabrennen in Weißensee am 13. Oktober 1899 wurde das 391, in
Maison Lafitte am 28. September 1910 sogar das 667 fache des Einsatzes als
Gewinn ausgezahlt. Solche Gewinne übersteigen den günstigstenfalls am
Roulette erreichbaren um das zehn-, ja fast zwanzigfache. In diesen schwindel¬
hafter Gewinnen liegt der große Anreiz zum Spiel, dem große Massen unseres
Volkes gerade aus den unteren Ständen unterliegen. Welch schwindelhafte
Höhe der Umsatz am Totalisator erreicht, davon haben wohl nur wenige eine
Vorstellung. Im Jahre 1913 sind nicht weniger als 73 000 000 Mark um¬
gesetzt und an einem Renntage des Kriegsjahres in Hoppegarten über 700 000 M.
Daß der Totalisator in so schwerer Zeit in Deutschland zugelassen wurde, ist
im höchsten Grade bedauerlich und gereicht uns wahrlich nicht zur Ehre.

Der Totalisator trägt aber auch in hohem Grade dazu bei, den Wert
der Rennen als Leistungsprüfung noch mehr herabzusetzen. Es liegt die Ver¬
führung vor, das unwissende Publikum irrezuführen, indem zum Beispiel minder¬
wertige Pferde als Favoriten ausposaunt, hervorragende öffentlich als krank
oder nicht disponiert erklärt, gute Pferde verheimlicht werden. Die Ein¬
geweihten ziehen daraus am Totalisator ihren Nutzen.

Daß Seine Majestät von der verderblichen Wirkung des Totalisators durch¬
drungen ist, geht daraus hervor, daß er schon im Jahre 1894 den Offizieren der
Armee und Marine — leider nur ihnen — das Spiel am Totalisator ver-,
boten hat.

Am besten wäre es, den Totalisator ganz zu verbieten. Freilich bringt
er 162/g v. H. Steuern ein, im Jahre 1913 also allein etwa 13 Millionen,
wovon die Hälfte den Rennvereinen zufließt. Läßt sich dieser für die Hebung
der Pferdezucht bestimmte Betrag nicht anderweitig aufbringen, so sollte man
den Totalisator nur bei solchen Rennen zulassen, bei denen eine wirklich renn¬
mäßige Geschwindigkeit gefordert wird und die Abstufung der Preise nach der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/124>, abgerufen am 15.01.2025.