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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die Hohenzollern und die akademische Jugend
Zum 21.. Oktober
Professor Dr. Paul Ssymank von

erhältnismäßig spät im Vergleich zu anderen deutschen Fürsten-
geschlechtern sind die Hohenzollern als Förderer des Hochschul¬
wesens aufgetreten. Während Böhmen, die Pfalz, Österreich, Kur¬
sachsen und Mecklenburg schon längst eine eigene Universität besaßen,
stand die Mark Brandenburg weit abseits von dieser durch Gründung
geistiger Mittelpunkte gekennzeichneten Entwicklung der deutschen Lande. Die
Zerrüttung des Staates, die Störung seiner Hilfsquellen, die harten Kämpfe
des neuen Herrschergeschlechtes mit dem Adel und den Städten lassen diesen
Zustand sehr begreiflich erscheinen. Erst als die Hohenzollern die inneren Wider¬
stände besiegt hatten und ihrer Herrschaft sicher waren, konnten sie auch daran
denken, den Künsten des Friedens und den Wissenschaften in ihrem Gebiet eine
Freistatt zu eröffnen. Was Albrecht Achilles (1470 bis 1486) und nach ihm
Johann Cicero schon geplant, das konnte Joachim der Erste endlich ausführen:
am 4. Oktober 1505 erfolgte die feierliche Einweihung der Universität
Frankfurt a. O. Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts kam die 1544 gestiftete
Universität Königsberg unter die Herrschaft der Hohenzollern, und der Große
Kurfürst begründete für seine westlichen Besitzungen 1655 die Universität Duisburg.
Epochemachend für die Geschichte des Hochschulwesens war die 1694 erfolgende
Eröffnung der Universität Halle, deren Lehrsystem sich durchaus auf dem Grund¬
satze der Gedankenfreiheit aufbaute.

Die Vorrechte und die Selbständigkeit, welche die Universität Frankfurt a. O.
bei ihrer Gründung erhielt, brachten es mit sich, daß die Fürsten den Lehr-
und Lernkörper sich selbst überließen, und auch in das Leben der branden¬
burgisch-preußischen Universitäten des siebzehnten Jahrhunderts griff das erst
allmählich erstarkende absolute Herrschertum im allgemeinen nicht ein. Die
Stiftung der Universität Halle bedeutet auch bezüglich der Anteilnahme der
Hohenzollern am Hochschulwesen einen wichtigen Wendepunkt der Entwicklung:




Die Hohenzollern und die akademische Jugend
Zum 21.. Oktober
Professor Dr. Paul Ssymank von

erhältnismäßig spät im Vergleich zu anderen deutschen Fürsten-
geschlechtern sind die Hohenzollern als Förderer des Hochschul¬
wesens aufgetreten. Während Böhmen, die Pfalz, Österreich, Kur¬
sachsen und Mecklenburg schon längst eine eigene Universität besaßen,
stand die Mark Brandenburg weit abseits von dieser durch Gründung
geistiger Mittelpunkte gekennzeichneten Entwicklung der deutschen Lande. Die
Zerrüttung des Staates, die Störung seiner Hilfsquellen, die harten Kämpfe
des neuen Herrschergeschlechtes mit dem Adel und den Städten lassen diesen
Zustand sehr begreiflich erscheinen. Erst als die Hohenzollern die inneren Wider¬
stände besiegt hatten und ihrer Herrschaft sicher waren, konnten sie auch daran
denken, den Künsten des Friedens und den Wissenschaften in ihrem Gebiet eine
Freistatt zu eröffnen. Was Albrecht Achilles (1470 bis 1486) und nach ihm
Johann Cicero schon geplant, das konnte Joachim der Erste endlich ausführen:
am 4. Oktober 1505 erfolgte die feierliche Einweihung der Universität
Frankfurt a. O. Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts kam die 1544 gestiftete
Universität Königsberg unter die Herrschaft der Hohenzollern, und der Große
Kurfürst begründete für seine westlichen Besitzungen 1655 die Universität Duisburg.
Epochemachend für die Geschichte des Hochschulwesens war die 1694 erfolgende
Eröffnung der Universität Halle, deren Lehrsystem sich durchaus auf dem Grund¬
satze der Gedankenfreiheit aufbaute.

Die Vorrechte und die Selbständigkeit, welche die Universität Frankfurt a. O.
bei ihrer Gründung erhielt, brachten es mit sich, daß die Fürsten den Lehr-
und Lernkörper sich selbst überließen, und auch in das Leben der branden¬
burgisch-preußischen Universitäten des siebzehnten Jahrhunderts griff das erst
allmählich erstarkende absolute Herrschertum im allgemeinen nicht ein. Die
Stiftung der Universität Halle bedeutet auch bezüglich der Anteilnahme der
Hohenzollern am Hochschulwesen einen wichtigen Wendepunkt der Entwicklung:


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[0084] [Abbildung] Die Hohenzollern und die akademische Jugend Zum 21.. Oktober Professor Dr. Paul Ssymank von erhältnismäßig spät im Vergleich zu anderen deutschen Fürsten- geschlechtern sind die Hohenzollern als Förderer des Hochschul¬ wesens aufgetreten. Während Böhmen, die Pfalz, Österreich, Kur¬ sachsen und Mecklenburg schon längst eine eigene Universität besaßen, stand die Mark Brandenburg weit abseits von dieser durch Gründung geistiger Mittelpunkte gekennzeichneten Entwicklung der deutschen Lande. Die Zerrüttung des Staates, die Störung seiner Hilfsquellen, die harten Kämpfe des neuen Herrschergeschlechtes mit dem Adel und den Städten lassen diesen Zustand sehr begreiflich erscheinen. Erst als die Hohenzollern die inneren Wider¬ stände besiegt hatten und ihrer Herrschaft sicher waren, konnten sie auch daran denken, den Künsten des Friedens und den Wissenschaften in ihrem Gebiet eine Freistatt zu eröffnen. Was Albrecht Achilles (1470 bis 1486) und nach ihm Johann Cicero schon geplant, das konnte Joachim der Erste endlich ausführen: am 4. Oktober 1505 erfolgte die feierliche Einweihung der Universität Frankfurt a. O. Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts kam die 1544 gestiftete Universität Königsberg unter die Herrschaft der Hohenzollern, und der Große Kurfürst begründete für seine westlichen Besitzungen 1655 die Universität Duisburg. Epochemachend für die Geschichte des Hochschulwesens war die 1694 erfolgende Eröffnung der Universität Halle, deren Lehrsystem sich durchaus auf dem Grund¬ satze der Gedankenfreiheit aufbaute. Die Vorrechte und die Selbständigkeit, welche die Universität Frankfurt a. O. bei ihrer Gründung erhielt, brachten es mit sich, daß die Fürsten den Lehr- und Lernkörper sich selbst überließen, und auch in das Leben der branden¬ burgisch-preußischen Universitäten des siebzehnten Jahrhunderts griff das erst allmählich erstarkende absolute Herrschertum im allgemeinen nicht ein. Die Stiftung der Universität Halle bedeutet auch bezüglich der Anteilnahme der Hohenzollern am Hochschulwesen einen wichtigen Wendepunkt der Entwicklung:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/84>, abgerufen am 22.07.2024.