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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Aus Gmanuel Geibels ^chülerzeit
Mit einem Brief und neunzehn ungedruckten Iugendgedichten
zum ^7. Oktober
Professor Stoll von

le unseres Neichsschöpfers hundertjähriger Geburtstag in die Zeit
schwersten Ringens des deutschen Volkes gefallen ist, so auch der
des Dichters, der in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
nicht bloß am reinsten und edelsten aussprach, was die deutsche
Brust erfüllt, sondern auch für das ganze Erleben unseres Volkes,,
insbesondere für sein Streben nach Einheit, Kaiser und Reich, den mächtigsten
und ergreifendsten, dichterischen Ausdruck gefunden hat.

Wohl folgt die Dichtung mit tausendfältigen Sang den Geschicken Deutsch¬
lands auch in diesen Tagen; aber trotz mancher Versuche, Emanuel Geibel
als veraltet, überholt vornehm beiseite zu schieben, stellt unser Volk noch keinen der
neuen Sänger neben oder gar über ihn, den es mehr geliebt hat als irgend¬
einen seiner Dichter nach Schiller. Mit seinem deutschen Gemüt, seiner Andacht
zur Natur, mit der unendlichen Zartheit und Innigkeit seines Empfindens, die
die kraftvollste Männlichkeit nicht ausschließen, mit seinem sittlichen Mut und
seines Geistes hohem Schwung, der doch die feine Linie edelster Maßhaltung
nie überschreitet, mit der Fülle seiner Weisheit und der Tiefe seiner Bildung
hat er sich so in seines Volkes Sinn und Herz hineingesungen, daß es ihm
nie den vollen Kranz vom Haupte wird reißen lassen. Wie die deutschen
Frauen sich ihn nie werden nehmen lassen, so darf er unserer deutschen
Jugend, unserer deutschen Schule nie verloren gehen. Ist doch auch
heute und noch auf lange Zeit aus seinen flammenden Dichtungen, mit
denen er "dreißig Jahre lang -- in der Zerstückelung Zeit rufend nach
Kaiser und Reich"*), deutsches Ringen und endliches Siegen hoffend und tröstend,
mahnend und triumphierend begleitet hat, für unser schwer kämpfendes Volk
manch herrliches Wort, manch unverbrauchtes Rüstzeug zu gewinnen!^ M
hat es vollauf verdient, daß heute die gesamte deutsche Welt sein Andenken
ehrend erneuere!



") Spätherbstblätter, S, 267


Aus Gmanuel Geibels ^chülerzeit
Mit einem Brief und neunzehn ungedruckten Iugendgedichten
zum ^7. Oktober
Professor Stoll von

le unseres Neichsschöpfers hundertjähriger Geburtstag in die Zeit
schwersten Ringens des deutschen Volkes gefallen ist, so auch der
des Dichters, der in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
nicht bloß am reinsten und edelsten aussprach, was die deutsche
Brust erfüllt, sondern auch für das ganze Erleben unseres Volkes,,
insbesondere für sein Streben nach Einheit, Kaiser und Reich, den mächtigsten
und ergreifendsten, dichterischen Ausdruck gefunden hat.

Wohl folgt die Dichtung mit tausendfältigen Sang den Geschicken Deutsch¬
lands auch in diesen Tagen; aber trotz mancher Versuche, Emanuel Geibel
als veraltet, überholt vornehm beiseite zu schieben, stellt unser Volk noch keinen der
neuen Sänger neben oder gar über ihn, den es mehr geliebt hat als irgend¬
einen seiner Dichter nach Schiller. Mit seinem deutschen Gemüt, seiner Andacht
zur Natur, mit der unendlichen Zartheit und Innigkeit seines Empfindens, die
die kraftvollste Männlichkeit nicht ausschließen, mit seinem sittlichen Mut und
seines Geistes hohem Schwung, der doch die feine Linie edelster Maßhaltung
nie überschreitet, mit der Fülle seiner Weisheit und der Tiefe seiner Bildung
hat er sich so in seines Volkes Sinn und Herz hineingesungen, daß es ihm
nie den vollen Kranz vom Haupte wird reißen lassen. Wie die deutschen
Frauen sich ihn nie werden nehmen lassen, so darf er unserer deutschen
Jugend, unserer deutschen Schule nie verloren gehen. Ist doch auch
heute und noch auf lange Zeit aus seinen flammenden Dichtungen, mit
denen er „dreißig Jahre lang — in der Zerstückelung Zeit rufend nach
Kaiser und Reich"*), deutsches Ringen und endliches Siegen hoffend und tröstend,
mahnend und triumphierend begleitet hat, für unser schwer kämpfendes Volk
manch herrliches Wort, manch unverbrauchtes Rüstzeug zu gewinnen!^ M
hat es vollauf verdient, daß heute die gesamte deutsche Welt sein Andenken
ehrend erneuere!



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[0057] [Abbildung] Aus Gmanuel Geibels ^chülerzeit Mit einem Brief und neunzehn ungedruckten Iugendgedichten zum ^7. Oktober Professor Stoll von le unseres Neichsschöpfers hundertjähriger Geburtstag in die Zeit schwersten Ringens des deutschen Volkes gefallen ist, so auch der des Dichters, der in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht bloß am reinsten und edelsten aussprach, was die deutsche Brust erfüllt, sondern auch für das ganze Erleben unseres Volkes,, insbesondere für sein Streben nach Einheit, Kaiser und Reich, den mächtigsten und ergreifendsten, dichterischen Ausdruck gefunden hat. Wohl folgt die Dichtung mit tausendfältigen Sang den Geschicken Deutsch¬ lands auch in diesen Tagen; aber trotz mancher Versuche, Emanuel Geibel als veraltet, überholt vornehm beiseite zu schieben, stellt unser Volk noch keinen der neuen Sänger neben oder gar über ihn, den es mehr geliebt hat als irgend¬ einen seiner Dichter nach Schiller. Mit seinem deutschen Gemüt, seiner Andacht zur Natur, mit der unendlichen Zartheit und Innigkeit seines Empfindens, die die kraftvollste Männlichkeit nicht ausschließen, mit seinem sittlichen Mut und seines Geistes hohem Schwung, der doch die feine Linie edelster Maßhaltung nie überschreitet, mit der Fülle seiner Weisheit und der Tiefe seiner Bildung hat er sich so in seines Volkes Sinn und Herz hineingesungen, daß es ihm nie den vollen Kranz vom Haupte wird reißen lassen. Wie die deutschen Frauen sich ihn nie werden nehmen lassen, so darf er unserer deutschen Jugend, unserer deutschen Schule nie verloren gehen. Ist doch auch heute und noch auf lange Zeit aus seinen flammenden Dichtungen, mit denen er „dreißig Jahre lang — in der Zerstückelung Zeit rufend nach Kaiser und Reich"*), deutsches Ringen und endliches Siegen hoffend und tröstend, mahnend und triumphierend begleitet hat, für unser schwer kämpfendes Volk manch herrliches Wort, manch unverbrauchtes Rüstzeug zu gewinnen!^ M hat es vollauf verdient, daß heute die gesamte deutsche Welt sein Andenken ehrend erneuere! ") Spätherbstblätter, S, 267

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/57>, abgerufen am 22.07.2024.