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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

!eit bei diesem bedeutenden christlichen Volke Übelwollen hervorrufe, das so
weit gehe, daß die Serben Mitteilung machten, sie würden die Festungen nach
ihrer Einnahme Eurer Majestät übergeben -- oder, im Falle der Ablehnung,
sich an eine andere Macht wenden. Bei dieser Gelegenheit muß der Geschäfts¬
träger hinzufügen, wie Eure Majestät den Antrag abgelehnt hätten, weil es
sich anders nicht mit den religiösen Überzeugungen und den unverbrüchlichen
Grundsätzen der Hochachtung vor internationalen Verträgen vertrage, noch mit
dem Interesse, welches Eure Majestät für die Aufrechterhaltung der Türkei
habe. Er möge noch hinzufügen, daß Eurer Majestät freundschaftlich-nachbar¬
liche Sorge schon geruht habe, durch zweckdienliche Belehrung den gerechten
Haß der Serben gegen die Dahias*) von ihren pflichtgemäßen Gefühlen für
ihren gesetzlichen Herrn zu trennen, wodurch bewirkt wurde, daß sich die Serben
wieder mit Vertrauen und Ergebenheit an die Pforte wenden. Gleichzeitig
soll aber der Geschäftsträger den verschiedenen Mitgliedern des türkischen
Ministeriums klar machen, wie notwendig es sei, daß einmal aufgehört werde,
jene unglücklichen Christen zu verfolgen und ihrem Schicksal zu überlassen,
sondern daß im Gegenteil alle möglichen Mittel angewendet werden, einen
Weg zum Vergleich zu finden, damit desto eher die Auftritte aufhören, die
nur dem inneren und äußeren Ansehen der Pforte schaden. Man sollte den
Geschäftsträger bevollmächtigen, in vertrauliche Unterhandlungen über die
Mittel und Wege einzutreten, wie man die Dahias entfernen könne, die ohne¬
hin nur schädlich nicht nur für die Interessen der Pforte sind, sondern auch
lästig für die k. k. Grenze, wobei aber das Selbstgefühl der Janitscharen ge¬
schont werden müßte. Schließlich hätte er noch die Bereitwilligkeit des Aller¬
höchsten Hofes auszudrücken, freundschaftlich an der Vermittelung des Friedens
teilzunehmen. Wir glauben ferner, daß es gut wäre, die ganze Sache in ver¬
traulicher Weise auch dem Russischen Hofe mitzuteilen, mit der Mitteilung der
von Eurer Majestät beobachteten Haltung. Dies sollte geschehen, um möglichen
Versuchen jener christlichen und rechtgläubigen Untertanen zuvorzukommen, weil
durch dieses Beispiel Eurer Majestät etwaige Bereitwilligkeit Rußlands vereitelt
würde (? I) und damit der Glaube des russischen Hofes in das unabänderliche
System Eurer Majestät zur Aufrechterhaltung der Türkei durch einen unzweifel¬
haften Beweis gestärkt werde.

"Sollten mittlerweile von was immer für einer Seite Bitten um Ver¬
mittelung an die k. k. Grenzbehörden kommen, so sind wir der unmaßgeblichen
Meinung, daß man solche mit Freundschaft und Teilnahme annehmen und
alles tun soll, um bis zum Eintreffen der Antwort der Hohen Pforte Feind¬
seligkeiten hintanzuhalten.



") Die Dahias waren vier Janitscharen, die sich ganz Serbien angeeignet hatten und
deren unerträgliche Bedrückungen und Gewalttätigkeiten Ursache der Erhebung der Serben
waren.
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Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

!eit bei diesem bedeutenden christlichen Volke Übelwollen hervorrufe, das so
weit gehe, daß die Serben Mitteilung machten, sie würden die Festungen nach
ihrer Einnahme Eurer Majestät übergeben — oder, im Falle der Ablehnung,
sich an eine andere Macht wenden. Bei dieser Gelegenheit muß der Geschäfts¬
träger hinzufügen, wie Eure Majestät den Antrag abgelehnt hätten, weil es
sich anders nicht mit den religiösen Überzeugungen und den unverbrüchlichen
Grundsätzen der Hochachtung vor internationalen Verträgen vertrage, noch mit
dem Interesse, welches Eure Majestät für die Aufrechterhaltung der Türkei
habe. Er möge noch hinzufügen, daß Eurer Majestät freundschaftlich-nachbar¬
liche Sorge schon geruht habe, durch zweckdienliche Belehrung den gerechten
Haß der Serben gegen die Dahias*) von ihren pflichtgemäßen Gefühlen für
ihren gesetzlichen Herrn zu trennen, wodurch bewirkt wurde, daß sich die Serben
wieder mit Vertrauen und Ergebenheit an die Pforte wenden. Gleichzeitig
soll aber der Geschäftsträger den verschiedenen Mitgliedern des türkischen
Ministeriums klar machen, wie notwendig es sei, daß einmal aufgehört werde,
jene unglücklichen Christen zu verfolgen und ihrem Schicksal zu überlassen,
sondern daß im Gegenteil alle möglichen Mittel angewendet werden, einen
Weg zum Vergleich zu finden, damit desto eher die Auftritte aufhören, die
nur dem inneren und äußeren Ansehen der Pforte schaden. Man sollte den
Geschäftsträger bevollmächtigen, in vertrauliche Unterhandlungen über die
Mittel und Wege einzutreten, wie man die Dahias entfernen könne, die ohne¬
hin nur schädlich nicht nur für die Interessen der Pforte sind, sondern auch
lästig für die k. k. Grenze, wobei aber das Selbstgefühl der Janitscharen ge¬
schont werden müßte. Schließlich hätte er noch die Bereitwilligkeit des Aller¬
höchsten Hofes auszudrücken, freundschaftlich an der Vermittelung des Friedens
teilzunehmen. Wir glauben ferner, daß es gut wäre, die ganze Sache in ver¬
traulicher Weise auch dem Russischen Hofe mitzuteilen, mit der Mitteilung der
von Eurer Majestät beobachteten Haltung. Dies sollte geschehen, um möglichen
Versuchen jener christlichen und rechtgläubigen Untertanen zuvorzukommen, weil
durch dieses Beispiel Eurer Majestät etwaige Bereitwilligkeit Rußlands vereitelt
würde (? I) und damit der Glaube des russischen Hofes in das unabänderliche
System Eurer Majestät zur Aufrechterhaltung der Türkei durch einen unzweifel¬
haften Beweis gestärkt werde.

„Sollten mittlerweile von was immer für einer Seite Bitten um Ver¬
mittelung an die k. k. Grenzbehörden kommen, so sind wir der unmaßgeblichen
Meinung, daß man solche mit Freundschaft und Teilnahme annehmen und
alles tun soll, um bis zum Eintreffen der Antwort der Hohen Pforte Feind¬
seligkeiten hintanzuhalten.



") Die Dahias waren vier Janitscharen, die sich ganz Serbien angeeignet hatten und
deren unerträgliche Bedrückungen und Gewalttätigkeiten Ursache der Erhebung der Serben
waren.
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[0361] Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert !eit bei diesem bedeutenden christlichen Volke Übelwollen hervorrufe, das so weit gehe, daß die Serben Mitteilung machten, sie würden die Festungen nach ihrer Einnahme Eurer Majestät übergeben — oder, im Falle der Ablehnung, sich an eine andere Macht wenden. Bei dieser Gelegenheit muß der Geschäfts¬ träger hinzufügen, wie Eure Majestät den Antrag abgelehnt hätten, weil es sich anders nicht mit den religiösen Überzeugungen und den unverbrüchlichen Grundsätzen der Hochachtung vor internationalen Verträgen vertrage, noch mit dem Interesse, welches Eure Majestät für die Aufrechterhaltung der Türkei habe. Er möge noch hinzufügen, daß Eurer Majestät freundschaftlich-nachbar¬ liche Sorge schon geruht habe, durch zweckdienliche Belehrung den gerechten Haß der Serben gegen die Dahias*) von ihren pflichtgemäßen Gefühlen für ihren gesetzlichen Herrn zu trennen, wodurch bewirkt wurde, daß sich die Serben wieder mit Vertrauen und Ergebenheit an die Pforte wenden. Gleichzeitig soll aber der Geschäftsträger den verschiedenen Mitgliedern des türkischen Ministeriums klar machen, wie notwendig es sei, daß einmal aufgehört werde, jene unglücklichen Christen zu verfolgen und ihrem Schicksal zu überlassen, sondern daß im Gegenteil alle möglichen Mittel angewendet werden, einen Weg zum Vergleich zu finden, damit desto eher die Auftritte aufhören, die nur dem inneren und äußeren Ansehen der Pforte schaden. Man sollte den Geschäftsträger bevollmächtigen, in vertrauliche Unterhandlungen über die Mittel und Wege einzutreten, wie man die Dahias entfernen könne, die ohne¬ hin nur schädlich nicht nur für die Interessen der Pforte sind, sondern auch lästig für die k. k. Grenze, wobei aber das Selbstgefühl der Janitscharen ge¬ schont werden müßte. Schließlich hätte er noch die Bereitwilligkeit des Aller¬ höchsten Hofes auszudrücken, freundschaftlich an der Vermittelung des Friedens teilzunehmen. Wir glauben ferner, daß es gut wäre, die ganze Sache in ver¬ traulicher Weise auch dem Russischen Hofe mitzuteilen, mit der Mitteilung der von Eurer Majestät beobachteten Haltung. Dies sollte geschehen, um möglichen Versuchen jener christlichen und rechtgläubigen Untertanen zuvorzukommen, weil durch dieses Beispiel Eurer Majestät etwaige Bereitwilligkeit Rußlands vereitelt würde (? I) und damit der Glaube des russischen Hofes in das unabänderliche System Eurer Majestät zur Aufrechterhaltung der Türkei durch einen unzweifel¬ haften Beweis gestärkt werde. „Sollten mittlerweile von was immer für einer Seite Bitten um Ver¬ mittelung an die k. k. Grenzbehörden kommen, so sind wir der unmaßgeblichen Meinung, daß man solche mit Freundschaft und Teilnahme annehmen und alles tun soll, um bis zum Eintreffen der Antwort der Hohen Pforte Feind¬ seligkeiten hintanzuhalten. ") Die Dahias waren vier Janitscharen, die sich ganz Serbien angeeignet hatten und deren unerträgliche Bedrückungen und Gewalttätigkeiten Ursache der Erhebung der Serben waren. 23"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/361>, abgerufen am 29.12.2024.