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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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von O. Stavenhagen, fortgesetzt und zu Ende geführt von L. Arbusow senior.
Vielleicht einzig in seiner Art ist das Werk von L. Arbusow, "LivlavdS Geist¬
lichkeit vom Ende des 12. bis ins 16. Jahrhundert." Hier sind sämtliche
Nachrichten über alle Träger geistiger Bildung höhern Grades (Herkunft, Ab¬
stammung. Stellung. Tätigkeit) über 5277 Personen zusammengestellt worden.
Über die Fülle des auf archäologischen, historischem, sprachlichem, ethno¬
graphische!" Gebiete Geleisteten gibt der Bericht von A. Feuereisen, "Die livländische
Geschichtsliteratur" 1906 mit den Nachträgen von W. Wulfius 1909 ff Aufschluß.
Hervorgehoben sei noch, daß die wissenschaftliche Erschließung und Aufarbeitung
der lettischen Sprache das Werk eines Ballen ist, des verstorbenen Doblenschen
Pastors Dr. b. c. A. Bielenftein. Seine von einem I. Grimm bewunderte
"Lettische Grammatik" ist noch heute für die Erforschung der lettischen Sprache
grundlegend. Sein zweites Hauptwerk sind die 1892 von der Petersburgischen
Akademie herausgegebenen "Grenzen des lettischen Volksstammes und der lettischen
Sprache". Von keltischer Seite ist wie für die wissenschaftliche Forschung über¬
haupt, so auch für die des eigenen Volkes nichts geleistet worden mit Ausnahme
der Volksliedersammlung von B^ron. Ebenso ist die Aufarbeitung des Estmschen
ein Werk der Deutschen Ahrens und Wiedemann. Die baltischen deutschen
Provinzialismen sind in dem mehrbändigen Werke von W. v. Gutzeit "Wörter¬
schatz der deutschen Sprache Livlands", das einen Nachtrag des Grimmschen Wörter¬
buches darstellt, gesammelt (Riga1859ff,, der letzte Teil existiert nur im Manuskript).

Der wissenschaftlichen Organisation dienen ferner die alle zwei Jahre
zusammentretender baltischen Historikertage (vergleiche deren "Arbeiten"), ferner
wissenschaftliche Ausstellungen z. B. die Heraldische Ausstellung zu Mitau 1903
(vergleiche den Katalog mit 2317 Nummern). Es sind dies natürlich alles
rein deutsche Unternehmungen.

Die Archive, z. B. die von den Ritterschaften unterhaltenen Landesarchive
zu Mitau und Reval, das Ritterschaftsarchiv zu Riga, die städtischen Archive
von Reval und Riga find wissenschaftlich gesichtet und Zentren der Forschung.
An ihrer Spitze stehen speziabwissenschaftlich ausgebildete Direktoren und deren
Assistenten. Die Archive sind sämtlich in deutschen Händen. Über ihre Organisation
unterrichten die Referate in den "Arbeiten des ersten baltischen Historikertages" 1908.

Wissenschaftliche Forschungsinstitute und, ebenso wie die Archive, mit be¬
deutenden Bibliotheken versehen sind zum Teil auch die Museen, allerdings nur die
von Deutschen verwalteten. Von den 22 Museen sind 6 staatlich (davon vier an
der Universität Dorpat), die sich natürlich in russischer Verwaltung befinden, eins
städtisch, das Kunstmuseum zu Riga, das von Deutschen verwaltet wird, 15 sind
Privatinstitute. Von diesen Privatmuseeu sind 12 in deutschem Besitz, zwei
in keltischen und eins in chemischen. Die lettischen und das chemische sind
kleine ethnographische Sammlungen, die im Baltikum den meisten unbekannt
sein dürften. Unter den deutschen verdient das rigische sogenannte "Dom¬
museum" hervorgehoben zu werden.


von O. Stavenhagen, fortgesetzt und zu Ende geführt von L. Arbusow senior.
Vielleicht einzig in seiner Art ist das Werk von L. Arbusow, „LivlavdS Geist¬
lichkeit vom Ende des 12. bis ins 16. Jahrhundert." Hier sind sämtliche
Nachrichten über alle Träger geistiger Bildung höhern Grades (Herkunft, Ab¬
stammung. Stellung. Tätigkeit) über 5277 Personen zusammengestellt worden.
Über die Fülle des auf archäologischen, historischem, sprachlichem, ethno¬
graphische!» Gebiete Geleisteten gibt der Bericht von A. Feuereisen, „Die livländische
Geschichtsliteratur" 1906 mit den Nachträgen von W. Wulfius 1909 ff Aufschluß.
Hervorgehoben sei noch, daß die wissenschaftliche Erschließung und Aufarbeitung
der lettischen Sprache das Werk eines Ballen ist, des verstorbenen Doblenschen
Pastors Dr. b. c. A. Bielenftein. Seine von einem I. Grimm bewunderte
„Lettische Grammatik" ist noch heute für die Erforschung der lettischen Sprache
grundlegend. Sein zweites Hauptwerk sind die 1892 von der Petersburgischen
Akademie herausgegebenen „Grenzen des lettischen Volksstammes und der lettischen
Sprache". Von keltischer Seite ist wie für die wissenschaftliche Forschung über¬
haupt, so auch für die des eigenen Volkes nichts geleistet worden mit Ausnahme
der Volksliedersammlung von B^ron. Ebenso ist die Aufarbeitung des Estmschen
ein Werk der Deutschen Ahrens und Wiedemann. Die baltischen deutschen
Provinzialismen sind in dem mehrbändigen Werke von W. v. Gutzeit „Wörter¬
schatz der deutschen Sprache Livlands", das einen Nachtrag des Grimmschen Wörter¬
buches darstellt, gesammelt (Riga1859ff,, der letzte Teil existiert nur im Manuskript).

Der wissenschaftlichen Organisation dienen ferner die alle zwei Jahre
zusammentretender baltischen Historikertage (vergleiche deren „Arbeiten"), ferner
wissenschaftliche Ausstellungen z. B. die Heraldische Ausstellung zu Mitau 1903
(vergleiche den Katalog mit 2317 Nummern). Es sind dies natürlich alles
rein deutsche Unternehmungen.

Die Archive, z. B. die von den Ritterschaften unterhaltenen Landesarchive
zu Mitau und Reval, das Ritterschaftsarchiv zu Riga, die städtischen Archive
von Reval und Riga find wissenschaftlich gesichtet und Zentren der Forschung.
An ihrer Spitze stehen speziabwissenschaftlich ausgebildete Direktoren und deren
Assistenten. Die Archive sind sämtlich in deutschen Händen. Über ihre Organisation
unterrichten die Referate in den „Arbeiten des ersten baltischen Historikertages" 1908.

Wissenschaftliche Forschungsinstitute und, ebenso wie die Archive, mit be¬
deutenden Bibliotheken versehen sind zum Teil auch die Museen, allerdings nur die
von Deutschen verwalteten. Von den 22 Museen sind 6 staatlich (davon vier an
der Universität Dorpat), die sich natürlich in russischer Verwaltung befinden, eins
städtisch, das Kunstmuseum zu Riga, das von Deutschen verwaltet wird, 15 sind
Privatinstitute. Von diesen Privatmuseeu sind 12 in deutschem Besitz, zwei
in keltischen und eins in chemischen. Die lettischen und das chemische sind
kleine ethnographische Sammlungen, die im Baltikum den meisten unbekannt
sein dürften. Unter den deutschen verdient das rigische sogenannte „Dom¬
museum" hervorgehoben zu werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/348>, abgerufen am 24.08.2024.