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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Starke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen

Die an zweiter Stelle genannten find nicht rein wissenschaftliche Vereinigungen,
sondern gleichzeitig Berufsvertretungen. Unter ihnen sind ein keltischer und ein
russischer Ärzteverein. Alle übrigen elf sind rein deutsch oder fast rein deutsch.

Die unter 3) genannten sind rein deutsch oder gemischt.

Rein wissenschaftlichen Zwecken dienen nur die unter 4) und 5) genannten.
Von den beiden Naturforschervereinen steht der zu Dorpat im Zusammenhange
mit der Universität und ist seinem nationalen Charakter nach als gemischt zu
bezeichnen. Der andere bedeutendere zu Riga ist rein deutsch. Beide unterhalten
je ein Museum. Der rigische Naturforscheroerein gibt das "Korrespondenzblatt
des Naturforschervereins" heraus. Er erhält bei Kielkond auf Ösel eine biologische
Beobachtungsstation und verwaltet die Waika-Jnseln (bei Ösel) und die Moritzinsel
im Usmaitenschen See (in Kurland) als Naturschonstätten, über das von der
baltischen Naturforschung im weitesten Sinne (physikalische Geographie, Geologie,
Klimatologie, Flora und Fauna) geleistete unterrichtet die Baltische Landeskunde,
herausgegeben von K. R. Kupffer (mit Atlas) 1911.

Die unter 5) genannten Vereine beschäftigen sich mit der sprachlichen,
folkloristischen, historischen und archäologischen Erforschung des Landes. Von ihnen
ist einer russisch, doch existiert er nur dem Namen nach. Ein zweiter, die keltisch-litera¬
rische Gesellschaft, wurde 1832 von Deutschen zwecks Hebung und Erforschung des
lettischen Volkes gegründet. Sie hat deutsche und lettische Mitglieder. Eine dritte
steht im Zusammenhange mit der Universität Dorpat und ist deshalb gemischt.
Auch sie läßt wenig von sich hören.

Von wirklicher Bedeutung sind die übrigbleibenden neun rein deutschen, tu
denen die wissenschaftliche Erforschung des Landes konzentriert ist. Die beiden
bedeutendsten sind: die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga
und die Gesellschaft für Literatur und Kunst zu Mitau. Sie unterhalten sieben
Museen. Von ihrer Tätigkeit geben Rechenschaft:

1. Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde (Riga)
2. Sitzungsberichte der Gelehrten chemischen Gesellschaft (Dorpat)
3- Jahresberichte der Felliner literarischen Gesellschaft
4. Sitzungsberichte der Altertumsforschenden Gesellschaft zu Pernau
6. Sitzungsbericht der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst Mitau)
6- Jahrbuch für Genealogie, Sphragistik und Heraldik (herausgegeben von der hier¬
für begründeten Sektion der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst).

Monumentale Leistungen sind das von der rigischen Gesellschaft für Ge¬
schichte und Altertumskunde mit Unterstützung der baltischen Ritterschaften und
Städte herausgegebene livländische") "Urkundenbuch" (bisher 13 Großquart-
bände mit durchschnittlich 700 Seiten), begonnen von Bunge, fortgesetzt von
Hildebrand, Th. Schwach, Bulmerincq, L. Arbusow senior und junior, ferner
die "Akten und Rezesse der livländischen Ständetage" (drei Bände), begonnen



") Livland im alten Sinne umfaßte alle drei Provinzen.
Starke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen

Die an zweiter Stelle genannten find nicht rein wissenschaftliche Vereinigungen,
sondern gleichzeitig Berufsvertretungen. Unter ihnen sind ein keltischer und ein
russischer Ärzteverein. Alle übrigen elf sind rein deutsch oder fast rein deutsch.

Die unter 3) genannten sind rein deutsch oder gemischt.

Rein wissenschaftlichen Zwecken dienen nur die unter 4) und 5) genannten.
Von den beiden Naturforschervereinen steht der zu Dorpat im Zusammenhange
mit der Universität und ist seinem nationalen Charakter nach als gemischt zu
bezeichnen. Der andere bedeutendere zu Riga ist rein deutsch. Beide unterhalten
je ein Museum. Der rigische Naturforscheroerein gibt das „Korrespondenzblatt
des Naturforschervereins" heraus. Er erhält bei Kielkond auf Ösel eine biologische
Beobachtungsstation und verwaltet die Waika-Jnseln (bei Ösel) und die Moritzinsel
im Usmaitenschen See (in Kurland) als Naturschonstätten, über das von der
baltischen Naturforschung im weitesten Sinne (physikalische Geographie, Geologie,
Klimatologie, Flora und Fauna) geleistete unterrichtet die Baltische Landeskunde,
herausgegeben von K. R. Kupffer (mit Atlas) 1911.

Die unter 5) genannten Vereine beschäftigen sich mit der sprachlichen,
folkloristischen, historischen und archäologischen Erforschung des Landes. Von ihnen
ist einer russisch, doch existiert er nur dem Namen nach. Ein zweiter, die keltisch-litera¬
rische Gesellschaft, wurde 1832 von Deutschen zwecks Hebung und Erforschung des
lettischen Volkes gegründet. Sie hat deutsche und lettische Mitglieder. Eine dritte
steht im Zusammenhange mit der Universität Dorpat und ist deshalb gemischt.
Auch sie läßt wenig von sich hören.

Von wirklicher Bedeutung sind die übrigbleibenden neun rein deutschen, tu
denen die wissenschaftliche Erforschung des Landes konzentriert ist. Die beiden
bedeutendsten sind: die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga
und die Gesellschaft für Literatur und Kunst zu Mitau. Sie unterhalten sieben
Museen. Von ihrer Tätigkeit geben Rechenschaft:

1. Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde (Riga)
2. Sitzungsberichte der Gelehrten chemischen Gesellschaft (Dorpat)
3- Jahresberichte der Felliner literarischen Gesellschaft
4. Sitzungsberichte der Altertumsforschenden Gesellschaft zu Pernau
6. Sitzungsbericht der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst Mitau)
6- Jahrbuch für Genealogie, Sphragistik und Heraldik (herausgegeben von der hier¬
für begründeten Sektion der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst).

Monumentale Leistungen sind das von der rigischen Gesellschaft für Ge¬
schichte und Altertumskunde mit Unterstützung der baltischen Ritterschaften und
Städte herausgegebene livländische") „Urkundenbuch" (bisher 13 Großquart-
bände mit durchschnittlich 700 Seiten), begonnen von Bunge, fortgesetzt von
Hildebrand, Th. Schwach, Bulmerincq, L. Arbusow senior und junior, ferner
die „Akten und Rezesse der livländischen Ständetage" (drei Bände), begonnen



") Livland im alten Sinne umfaßte alle drei Provinzen.
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[0347] Starke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen Die an zweiter Stelle genannten find nicht rein wissenschaftliche Vereinigungen, sondern gleichzeitig Berufsvertretungen. Unter ihnen sind ein keltischer und ein russischer Ärzteverein. Alle übrigen elf sind rein deutsch oder fast rein deutsch. Die unter 3) genannten sind rein deutsch oder gemischt. Rein wissenschaftlichen Zwecken dienen nur die unter 4) und 5) genannten. Von den beiden Naturforschervereinen steht der zu Dorpat im Zusammenhange mit der Universität und ist seinem nationalen Charakter nach als gemischt zu bezeichnen. Der andere bedeutendere zu Riga ist rein deutsch. Beide unterhalten je ein Museum. Der rigische Naturforscheroerein gibt das „Korrespondenzblatt des Naturforschervereins" heraus. Er erhält bei Kielkond auf Ösel eine biologische Beobachtungsstation und verwaltet die Waika-Jnseln (bei Ösel) und die Moritzinsel im Usmaitenschen See (in Kurland) als Naturschonstätten, über das von der baltischen Naturforschung im weitesten Sinne (physikalische Geographie, Geologie, Klimatologie, Flora und Fauna) geleistete unterrichtet die Baltische Landeskunde, herausgegeben von K. R. Kupffer (mit Atlas) 1911. Die unter 5) genannten Vereine beschäftigen sich mit der sprachlichen, folkloristischen, historischen und archäologischen Erforschung des Landes. Von ihnen ist einer russisch, doch existiert er nur dem Namen nach. Ein zweiter, die keltisch-litera¬ rische Gesellschaft, wurde 1832 von Deutschen zwecks Hebung und Erforschung des lettischen Volkes gegründet. Sie hat deutsche und lettische Mitglieder. Eine dritte steht im Zusammenhange mit der Universität Dorpat und ist deshalb gemischt. Auch sie läßt wenig von sich hören. Von wirklicher Bedeutung sind die übrigbleibenden neun rein deutschen, tu denen die wissenschaftliche Erforschung des Landes konzentriert ist. Die beiden bedeutendsten sind: die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga und die Gesellschaft für Literatur und Kunst zu Mitau. Sie unterhalten sieben Museen. Von ihrer Tätigkeit geben Rechenschaft: 1. Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde (Riga) 2. Sitzungsberichte der Gelehrten chemischen Gesellschaft (Dorpat) 3- Jahresberichte der Felliner literarischen Gesellschaft 4. Sitzungsberichte der Altertumsforschenden Gesellschaft zu Pernau 6. Sitzungsbericht der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst Mitau) 6- Jahrbuch für Genealogie, Sphragistik und Heraldik (herausgegeben von der hier¬ für begründeten Sektion der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst). Monumentale Leistungen sind das von der rigischen Gesellschaft für Ge¬ schichte und Altertumskunde mit Unterstützung der baltischen Ritterschaften und Städte herausgegebene livländische") „Urkundenbuch" (bisher 13 Großquart- bände mit durchschnittlich 700 Seiten), begonnen von Bunge, fortgesetzt von Hildebrand, Th. Schwach, Bulmerincq, L. Arbusow senior und junior, ferner die „Akten und Rezesse der livländischen Ständetage" (drei Bände), begonnen ") Livland im alten Sinne umfaßte alle drei Provinzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/347>, abgerufen am 24.08.2024.