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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Altpreußische Romantik in Polen

gab die Berührung mit der Romantik seinem Geist endlich Spielraum und Ziel.
Voll Freude malte er sich schon aus, wie er "im Hain von Laztzki und in den
breiten Alleen des sächsischen Gartens" sich zu großen Werken begeistern werde.
Dort ist er aber trotz guter Vorsätze im ersten halben Jahr zu keinem größeren
Werk gekommen: "Der Riese Gargcmtua", ein geplantes Werk, lag erschlagen
unter 23 Bänden Konkursakten, und der "Renegat" ächzte unter den Akten für
drei Totschlagprozesse. Doch ging dem jungen Künstler ein neues Leben auf
im Verkehr mit Musikern und Musikfreunden: mit dem Advokaten Kuhlmener,
der 1805 an die Warschauer Regierung gekommen war, Franz Anton Morgen¬
roth (1780 bis 1847), dem späteren Dresdener Konzertmeister, der seit
1798 in Warschau wirkte, dem Danziger Friedrich Wilhelm Mosqua (1' 1826
zu Berlin), der mit Unrecht sür den Stifter des Tugendbundes gehalten wurde
und 1796 Oberfiskal in Warschau geworden war, mit Dichtern und Freunden
der Dichtkunst, wie Zacharias Werner, Eduard Hitzig (1780 bis 1849) und dein
Berliner Heinrich Loche (f 1848), einem späteren Freunde Immermanns und
phantastischen Dramatiker, der 1802 Justizrat in Warschau geworden und dem
Hoffmann besonders gewogen war. Namentlich den damaligen Regiernngs-
assessor Eduard Hitzig, den späteren hervorragenden Publizisten und Kriminalisten,
Begründer der Berliner Mittwochsgesellschaft (1824). der Ende 1799 als Refe¬
rendar nach Warschau gekommen war und später den größten schriftstellerischen
Erfolg mit den meisterhaften Biographien feiner beiden Warschauer Freunde,
Werners (Berlin 1823) und Hoffmanns (3. Auflage 1839, III), errang, gewann
Hoffmann sich zum Lebensfreunde. Hier im rauschenden Großstadtgetriebe wurde
Hoffmann endlich durch seinen biederen und künstlerisch empfänglichen Freund
die Romantik vermittelt, und eine unbekannte Welt ging ihm auf: Tiecks
"Sternbald", Novalis' und Brentanos Werke, auch Schlegels Calderonübersetzung
lernte er kennen. Das waren für Hoffmann Freuden nach der langen Plocker Fasten¬
zeit . . . Nun kam er in die Welt des Grausigen, Mystischen, Wunderbaren,
in die Welt der Visionen, Träume und Ahnungen, wofür er schon in frühester
Jugend Neigung gezeigt hatte, und auch seine schwärmerische Begeisterung sür
Kunst und freies Künstlerleben fand er in den Romantikern poetisch verklärt. . .
Eine kurze Zeit heitersten Zusammenwirkens ging nun an den Freunden vor¬
über, von der uns in Hoffmanns "Serapionsbrüdern" ein anziehendes Bild
erhalten ist. Dazu kamen einige interessante Besucher, Berliner Freunde Hitzigs,
zum Beispiel Uhden, der lange preußischer Gesandter in Rom gewesen war,
Bartholdy, der Griechenlandfahrer, und andere. Hitzig und Hoffmann wohnten
in zwei hart aneinander stoßenden Häusern und in gleicher Höhe, so daß sie
aus dem Fenster miteinander sprechen konnten, und manche schöne Nacht phanta¬
sierte Hoffmann auf dem großen Flügelfortepiano dem Freunde und seiner
jungen Frau bei offenem Fenster vor, bis der Morgen graute . . .

Die Begründung einer "Musikalischen Ressource" (1806) gab Hoffmann.
Gelegenheit zur Ausübung seiner mannigfaltigen Talente. Da saß er denn oft


Altpreußische Romantik in Polen

gab die Berührung mit der Romantik seinem Geist endlich Spielraum und Ziel.
Voll Freude malte er sich schon aus, wie er „im Hain von Laztzki und in den
breiten Alleen des sächsischen Gartens" sich zu großen Werken begeistern werde.
Dort ist er aber trotz guter Vorsätze im ersten halben Jahr zu keinem größeren
Werk gekommen: „Der Riese Gargcmtua", ein geplantes Werk, lag erschlagen
unter 23 Bänden Konkursakten, und der „Renegat" ächzte unter den Akten für
drei Totschlagprozesse. Doch ging dem jungen Künstler ein neues Leben auf
im Verkehr mit Musikern und Musikfreunden: mit dem Advokaten Kuhlmener,
der 1805 an die Warschauer Regierung gekommen war, Franz Anton Morgen¬
roth (1780 bis 1847), dem späteren Dresdener Konzertmeister, der seit
1798 in Warschau wirkte, dem Danziger Friedrich Wilhelm Mosqua (1' 1826
zu Berlin), der mit Unrecht sür den Stifter des Tugendbundes gehalten wurde
und 1796 Oberfiskal in Warschau geworden war, mit Dichtern und Freunden
der Dichtkunst, wie Zacharias Werner, Eduard Hitzig (1780 bis 1849) und dein
Berliner Heinrich Loche (f 1848), einem späteren Freunde Immermanns und
phantastischen Dramatiker, der 1802 Justizrat in Warschau geworden und dem
Hoffmann besonders gewogen war. Namentlich den damaligen Regiernngs-
assessor Eduard Hitzig, den späteren hervorragenden Publizisten und Kriminalisten,
Begründer der Berliner Mittwochsgesellschaft (1824). der Ende 1799 als Refe¬
rendar nach Warschau gekommen war und später den größten schriftstellerischen
Erfolg mit den meisterhaften Biographien feiner beiden Warschauer Freunde,
Werners (Berlin 1823) und Hoffmanns (3. Auflage 1839, III), errang, gewann
Hoffmann sich zum Lebensfreunde. Hier im rauschenden Großstadtgetriebe wurde
Hoffmann endlich durch seinen biederen und künstlerisch empfänglichen Freund
die Romantik vermittelt, und eine unbekannte Welt ging ihm auf: Tiecks
„Sternbald", Novalis' und Brentanos Werke, auch Schlegels Calderonübersetzung
lernte er kennen. Das waren für Hoffmann Freuden nach der langen Plocker Fasten¬
zeit . . . Nun kam er in die Welt des Grausigen, Mystischen, Wunderbaren,
in die Welt der Visionen, Träume und Ahnungen, wofür er schon in frühester
Jugend Neigung gezeigt hatte, und auch seine schwärmerische Begeisterung sür
Kunst und freies Künstlerleben fand er in den Romantikern poetisch verklärt. . .
Eine kurze Zeit heitersten Zusammenwirkens ging nun an den Freunden vor¬
über, von der uns in Hoffmanns „Serapionsbrüdern" ein anziehendes Bild
erhalten ist. Dazu kamen einige interessante Besucher, Berliner Freunde Hitzigs,
zum Beispiel Uhden, der lange preußischer Gesandter in Rom gewesen war,
Bartholdy, der Griechenlandfahrer, und andere. Hitzig und Hoffmann wohnten
in zwei hart aneinander stoßenden Häusern und in gleicher Höhe, so daß sie
aus dem Fenster miteinander sprechen konnten, und manche schöne Nacht phanta¬
sierte Hoffmann auf dem großen Flügelfortepiano dem Freunde und seiner
jungen Frau bei offenem Fenster vor, bis der Morgen graute . . .

Die Begründung einer „Musikalischen Ressource" (1806) gab Hoffmann.
Gelegenheit zur Ausübung seiner mannigfaltigen Talente. Da saß er denn oft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/34>, abgerufen am 24.08.2024.