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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die russische" Finanzen

ausgearbeitet sind, kann nicht scharf genug zurückgewiesen werden. Das sind
eben reine Phantasien. In der Tat muß die innerliche Unordnung des russischen
Staatshaushalts viel weiter gehen, als man sich allgemein vorstellt. Wie
Schingariow neulich in der Budgetkommission der Duma betont hat, ist jede
Übersicht dadurch verloren gegangen, daß dem Finanzminister für jede Ausgabe
zwei Einnahmequellen zur Verfügung stehen, die eine aus dem ordentlichen, die
andere aus dem Kriegsbudget. Aus welchem von den beiden Fonds die
Deckung im einzelnen erfolgt, läßt sich garnicht nachweisen. Deshalb ist über¬
haupt die Aufstellung eines Staatshaushalts in Rußland zurzeit eine Chimäre.
Als das Schnapsmonopol wegfiel, als die Ersatzsteuern nichts brachten, Eisen¬
bahnen, Zölle in der Hauptsache nur Rechnungsbeträge gaben, die den Staats¬
schatz nicht positiv vermehrten, mußten eben die laufenden Ausgaben aus den
Kreditopsrationen gedeckt werden, die eigentlich nur für die Führung des Krieges
bestimmt waren. Wir sehen dies am besten aus der Zahlung der Zinsen für
die Staatsschuld, für die die Beträge im Ausland zusammengeborgt werden
mußten, und so wird es weitergehen.

Selbst wenn man aber den Berechnungen des russischen Finanzministers
annähernden Glauben schenken wollte, so würde sich immerhin das traurige
Resultat ergeben, daß für die drei Jahre 1914, 1915, 1916 allein aus den
Defiziten der drei Budgets ohne die Kriegsausgaben ungefähr eine weitere
Milliarde Rubel zu der zu deckenden Schuld hinzutritt"). Will man einen
Überblick über den wahren Stand des Staatshaushaltes haben, so muß zu



Hypothckensteuer,
Steuer auf die nichtwehrpflichtigen Personen,
Einmalige große Kriegssteuer,
Revision der Stempelgesetzgebung,
Fiskalische Billettsteuer,
Akzise auf elektrische Energie,
Akzise auf Gewebe,
Akzise auf Kartoffelsyrup,
Akzise auf Schießpulber,
Erhöhung der Tabakakzise und der Akzise auf Weintrau bensprit,
Monopol auf Tee und Streichhölzer,
Erhöhung weiterer Zölle, z, B, auf Tee.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß schon 1915 alles erhöht ist, was an bestehenden
Steuer"? erhöht werden konnte.
1914 Defizit im ordentlichen Budget.......29 Millionen Rubel
Defizit im außerordentlichen Budget...... 237,8 " "
1915 Defizit nach den sicher zu optimistischen Berechnungen
des Finanzminisiers.......... 350,2 " "
1916 Defizit nach derselben Quelle........ 337 _"
insgesamt 954 Millionen Rubel
*)
Der freie Barbestand, den der Finanzminister angeblich zur Deckung des Defizits 1914
verwandt hat, ist ganz auf die Mobilisation draufgegnngen.
Die russische» Finanzen

ausgearbeitet sind, kann nicht scharf genug zurückgewiesen werden. Das sind
eben reine Phantasien. In der Tat muß die innerliche Unordnung des russischen
Staatshaushalts viel weiter gehen, als man sich allgemein vorstellt. Wie
Schingariow neulich in der Budgetkommission der Duma betont hat, ist jede
Übersicht dadurch verloren gegangen, daß dem Finanzminister für jede Ausgabe
zwei Einnahmequellen zur Verfügung stehen, die eine aus dem ordentlichen, die
andere aus dem Kriegsbudget. Aus welchem von den beiden Fonds die
Deckung im einzelnen erfolgt, läßt sich garnicht nachweisen. Deshalb ist über¬
haupt die Aufstellung eines Staatshaushalts in Rußland zurzeit eine Chimäre.
Als das Schnapsmonopol wegfiel, als die Ersatzsteuern nichts brachten, Eisen¬
bahnen, Zölle in der Hauptsache nur Rechnungsbeträge gaben, die den Staats¬
schatz nicht positiv vermehrten, mußten eben die laufenden Ausgaben aus den
Kreditopsrationen gedeckt werden, die eigentlich nur für die Führung des Krieges
bestimmt waren. Wir sehen dies am besten aus der Zahlung der Zinsen für
die Staatsschuld, für die die Beträge im Ausland zusammengeborgt werden
mußten, und so wird es weitergehen.

Selbst wenn man aber den Berechnungen des russischen Finanzministers
annähernden Glauben schenken wollte, so würde sich immerhin das traurige
Resultat ergeben, daß für die drei Jahre 1914, 1915, 1916 allein aus den
Defiziten der drei Budgets ohne die Kriegsausgaben ungefähr eine weitere
Milliarde Rubel zu der zu deckenden Schuld hinzutritt"). Will man einen
Überblick über den wahren Stand des Staatshaushaltes haben, so muß zu



Hypothckensteuer,
Steuer auf die nichtwehrpflichtigen Personen,
Einmalige große Kriegssteuer,
Revision der Stempelgesetzgebung,
Fiskalische Billettsteuer,
Akzise auf elektrische Energie,
Akzise auf Gewebe,
Akzise auf Kartoffelsyrup,
Akzise auf Schießpulber,
Erhöhung der Tabakakzise und der Akzise auf Weintrau bensprit,
Monopol auf Tee und Streichhölzer,
Erhöhung weiterer Zölle, z, B, auf Tee.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß schon 1915 alles erhöht ist, was an bestehenden
Steuer«? erhöht werden konnte.
1914 Defizit im ordentlichen Budget.......29 Millionen Rubel
Defizit im außerordentlichen Budget...... 237,8 „ „
1915 Defizit nach den sicher zu optimistischen Berechnungen
des Finanzminisiers.......... 350,2 „ „
1916 Defizit nach derselben Quelle........ 337 _„
insgesamt 954 Millionen Rubel
*)
Der freie Barbestand, den der Finanzminister angeblich zur Deckung des Defizits 1914
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/336>, abgerufen am 24.08.2024.