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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Kaiserin Josephine Aufstieg

Paares nach Notre-Dame leitete die Feier ein, deren Pracht an die Märchen
des Orients erinnerte. Die Sonnenstrahlen, durch die prachtvollen Glas¬
malereien an den Fenstern der alten Kirche fallend, umstrahlten die mächtigen
Pfeiler und Säulen mit buntflimmernden Lichtern und ließen die weiten
Hallen wie mit lieblichen Teppichbeeten geschmückt erscheinen; aber lieblicher
noch grüßten von den Tribünen herab, lebendigen blühenden Blumen gleich,
die in den Wwtertag den Lenz hineinzutragen sich bemühten, die Damen der
Hofgesellschaft, fast alle jung und schön, in ihrem glitzernden Geschmeide: von
blendenden Frauennacken sprühten strahlende Brillanten ihre Blitze, in Seide
und Spitzen funkelten Juwelen, goldene Reifen gleißten von Alabasterarmen,
und aus Goldhaar und Rabenflechten quoll das Leuchten farbiger Edelsteine
hervor. Die Kaiserin trug eine herrliche weiße mit reicher Goldstickerei und
Diamanten gezierte Atlasrobe und darüber einen mit goldenen Bienen besetzten,
hermelinverbrämten Mantel von schwerem Purpursamt,- ihr Haupt aber
schmückte ein Diadem aus Edelsteinen und Perlen im Werte von mehr als
einer halben Million Franken. Zunächst verlief alles der festgesetzten Ordnung
gemäß: nach dem Kaiser salbte Pius auch Josephine; als er aber die Krone
ergreifen wollte, um Napoleon mit diesem Sinnbilde fürstlicher Souveränität
zu zieren, wurde ihm ein leichter ablehnender Wink gegeben; der Herrscher
setzte sie sich -- unter rücksichtsloser Mißachtung des päpstlichen Entgegen¬
kommens -- selbst aufs Haupt. Dann ließ er seine mit gefalteten Händen,
auf die ihre Tränen niedertropften, vor ihm knieende Gemahlin derselben Ehre
teilhaftig werden; auch sie schmückte er mit einer im Glänze von Brillanten
und Smaragden schimmernden Krone. Und niemals sah Josephine vorteil¬
hafter aus als an diesem festlichen Tage; das Glück bewährte seine alte
Zauberkraft auch an ihr; es verjüngte und verschönte die Züge, aus denen
der Lenz des Lebens längst entschwunden war, und wob etwas Mädchenhaftes
um die ganze Erscheinung. Dazu war sie die Majestät selost; der Anmut,
ihrem natürlichen Erdteile, gesellte sich nun die Würde, die sie früher so oft
hatte vermissen lassen. Und wem ein Blick gegeben war für die zärtliche
Sorgfalt, mit der Napoleon seiner Lebensgefährtin die Krone aufs Haupt
drückte, ihr dabei liebevoll das Haar ordnend, und wer das mildfreundliche
Lächeln Josephinens sah, das ihm dafür dankte, der war vollauf berechtigt,
die Zukunft der Beiden im rosigsten Lichte zu sehen und eitel Glück und
Frieden von ihr zu erwarten. Herrliche Musik, von einem brillanten Orchester
künstlerisch vorgetragen, in geschmackvollen: Wechsel mit dem Hörner- und
Trompetengeschmetter wie den Trommelwirbeln der in die Kirche befohlenen
Regimentskapellen und den mächtigen Akkorden der Orgel beschloß die feier-
liche Handlung; draußen aber mischten sich die weithin hallenden Klänge der
Glocken in die dröhnenden Salven der hinter dem Gotteshause aufgestellten
Artillerie. Und dann brach die versammelte Menge aus in den oft wieder¬
holten Ruf: "Vivs l.'lZmpersurI Vive I^'ImpömtnLel". der, nie gehört in


Der Kaiserin Josephine Aufstieg

Paares nach Notre-Dame leitete die Feier ein, deren Pracht an die Märchen
des Orients erinnerte. Die Sonnenstrahlen, durch die prachtvollen Glas¬
malereien an den Fenstern der alten Kirche fallend, umstrahlten die mächtigen
Pfeiler und Säulen mit buntflimmernden Lichtern und ließen die weiten
Hallen wie mit lieblichen Teppichbeeten geschmückt erscheinen; aber lieblicher
noch grüßten von den Tribünen herab, lebendigen blühenden Blumen gleich,
die in den Wwtertag den Lenz hineinzutragen sich bemühten, die Damen der
Hofgesellschaft, fast alle jung und schön, in ihrem glitzernden Geschmeide: von
blendenden Frauennacken sprühten strahlende Brillanten ihre Blitze, in Seide
und Spitzen funkelten Juwelen, goldene Reifen gleißten von Alabasterarmen,
und aus Goldhaar und Rabenflechten quoll das Leuchten farbiger Edelsteine
hervor. Die Kaiserin trug eine herrliche weiße mit reicher Goldstickerei und
Diamanten gezierte Atlasrobe und darüber einen mit goldenen Bienen besetzten,
hermelinverbrämten Mantel von schwerem Purpursamt,- ihr Haupt aber
schmückte ein Diadem aus Edelsteinen und Perlen im Werte von mehr als
einer halben Million Franken. Zunächst verlief alles der festgesetzten Ordnung
gemäß: nach dem Kaiser salbte Pius auch Josephine; als er aber die Krone
ergreifen wollte, um Napoleon mit diesem Sinnbilde fürstlicher Souveränität
zu zieren, wurde ihm ein leichter ablehnender Wink gegeben; der Herrscher
setzte sie sich — unter rücksichtsloser Mißachtung des päpstlichen Entgegen¬
kommens — selbst aufs Haupt. Dann ließ er seine mit gefalteten Händen,
auf die ihre Tränen niedertropften, vor ihm knieende Gemahlin derselben Ehre
teilhaftig werden; auch sie schmückte er mit einer im Glänze von Brillanten
und Smaragden schimmernden Krone. Und niemals sah Josephine vorteil¬
hafter aus als an diesem festlichen Tage; das Glück bewährte seine alte
Zauberkraft auch an ihr; es verjüngte und verschönte die Züge, aus denen
der Lenz des Lebens längst entschwunden war, und wob etwas Mädchenhaftes
um die ganze Erscheinung. Dazu war sie die Majestät selost; der Anmut,
ihrem natürlichen Erdteile, gesellte sich nun die Würde, die sie früher so oft
hatte vermissen lassen. Und wem ein Blick gegeben war für die zärtliche
Sorgfalt, mit der Napoleon seiner Lebensgefährtin die Krone aufs Haupt
drückte, ihr dabei liebevoll das Haar ordnend, und wer das mildfreundliche
Lächeln Josephinens sah, das ihm dafür dankte, der war vollauf berechtigt,
die Zukunft der Beiden im rosigsten Lichte zu sehen und eitel Glück und
Frieden von ihr zu erwarten. Herrliche Musik, von einem brillanten Orchester
künstlerisch vorgetragen, in geschmackvollen: Wechsel mit dem Hörner- und
Trompetengeschmetter wie den Trommelwirbeln der in die Kirche befohlenen
Regimentskapellen und den mächtigen Akkorden der Orgel beschloß die feier-
liche Handlung; draußen aber mischten sich die weithin hallenden Klänge der
Glocken in die dröhnenden Salven der hinter dem Gotteshause aufgestellten
Artillerie. Und dann brach die versammelte Menge aus in den oft wieder¬
holten Ruf: „Vivs l.'lZmpersurI Vive I^'ImpömtnLel". der, nie gehört in


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[0293] Der Kaiserin Josephine Aufstieg Paares nach Notre-Dame leitete die Feier ein, deren Pracht an die Märchen des Orients erinnerte. Die Sonnenstrahlen, durch die prachtvollen Glas¬ malereien an den Fenstern der alten Kirche fallend, umstrahlten die mächtigen Pfeiler und Säulen mit buntflimmernden Lichtern und ließen die weiten Hallen wie mit lieblichen Teppichbeeten geschmückt erscheinen; aber lieblicher noch grüßten von den Tribünen herab, lebendigen blühenden Blumen gleich, die in den Wwtertag den Lenz hineinzutragen sich bemühten, die Damen der Hofgesellschaft, fast alle jung und schön, in ihrem glitzernden Geschmeide: von blendenden Frauennacken sprühten strahlende Brillanten ihre Blitze, in Seide und Spitzen funkelten Juwelen, goldene Reifen gleißten von Alabasterarmen, und aus Goldhaar und Rabenflechten quoll das Leuchten farbiger Edelsteine hervor. Die Kaiserin trug eine herrliche weiße mit reicher Goldstickerei und Diamanten gezierte Atlasrobe und darüber einen mit goldenen Bienen besetzten, hermelinverbrämten Mantel von schwerem Purpursamt,- ihr Haupt aber schmückte ein Diadem aus Edelsteinen und Perlen im Werte von mehr als einer halben Million Franken. Zunächst verlief alles der festgesetzten Ordnung gemäß: nach dem Kaiser salbte Pius auch Josephine; als er aber die Krone ergreifen wollte, um Napoleon mit diesem Sinnbilde fürstlicher Souveränität zu zieren, wurde ihm ein leichter ablehnender Wink gegeben; der Herrscher setzte sie sich — unter rücksichtsloser Mißachtung des päpstlichen Entgegen¬ kommens — selbst aufs Haupt. Dann ließ er seine mit gefalteten Händen, auf die ihre Tränen niedertropften, vor ihm knieende Gemahlin derselben Ehre teilhaftig werden; auch sie schmückte er mit einer im Glänze von Brillanten und Smaragden schimmernden Krone. Und niemals sah Josephine vorteil¬ hafter aus als an diesem festlichen Tage; das Glück bewährte seine alte Zauberkraft auch an ihr; es verjüngte und verschönte die Züge, aus denen der Lenz des Lebens längst entschwunden war, und wob etwas Mädchenhaftes um die ganze Erscheinung. Dazu war sie die Majestät selost; der Anmut, ihrem natürlichen Erdteile, gesellte sich nun die Würde, die sie früher so oft hatte vermissen lassen. Und wem ein Blick gegeben war für die zärtliche Sorgfalt, mit der Napoleon seiner Lebensgefährtin die Krone aufs Haupt drückte, ihr dabei liebevoll das Haar ordnend, und wer das mildfreundliche Lächeln Josephinens sah, das ihm dafür dankte, der war vollauf berechtigt, die Zukunft der Beiden im rosigsten Lichte zu sehen und eitel Glück und Frieden von ihr zu erwarten. Herrliche Musik, von einem brillanten Orchester künstlerisch vorgetragen, in geschmackvollen: Wechsel mit dem Hörner- und Trompetengeschmetter wie den Trommelwirbeln der in die Kirche befohlenen Regimentskapellen und den mächtigen Akkorden der Orgel beschloß die feier- liche Handlung; draußen aber mischten sich die weithin hallenden Klänge der Glocken in die dröhnenden Salven der hinter dem Gotteshause aufgestellten Artillerie. Und dann brach die versammelte Menge aus in den oft wieder¬ holten Ruf: „Vivs l.'lZmpersurI Vive I^'ImpömtnLel". der, nie gehört in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/293>, abgerufen am 22.07.2024.