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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Aufgaben der Elektrotechnik im Kriege

schreiten, wollte ich ausführlich alle Verwendungsmöglichkeiten der Elektrizität
im Kriege schildern. Ich müßte dann ein Lehrbuch der angewandten Elektrizität
schreiben. Denn im Grunde genommen ist unsere gesamte gewerbliche Tätigkeit,
die als Kraftquelle hauptsächlich den elektrischen Strom benutzt, dahin gerichtet,
in erster Linie die durch den Krieg geschaffenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Ich will in kurzen Zügen diejenigen Verwendungsgebiete streifen, in welchen
die elektrische Kraftquelle unmittelbar oder mittelbar als Kampfmittel dient und
durch keine andere Kraftquelle ersetzt werden kann. Bei unmittelbarer Ver¬
wendung des elektrischen Stromes kann noch eine Unterteilung nach zwei Ge¬
sichtspunkten stattfinden, je nachdem er als Angriffs- oder Abwehrmittel dient.
Ferner kann eine weitere Einteilung in zwei Hauptgruppen, nämlich Starkstrom
und Schwachstrom erfolgen.

Als Angriffsmittel hat die Elektrizität einen verhältnismäßig kleinen Ver¬
wendungsbereich, wenn man sie mit der Wirkung der Feuerwaffen und sonstiger
lediglich auf Sprengwirkung beruhenden Kampfmittel vergleicht. Eine tötliche
Wirkung im Angriffskriege läßt sich durch die Elektrizität als solche nicht erzielen.
Die im russisch japanischen Kriege das erstemal in größerem Maßstabe ver¬
wendeten elektrischen Drahtverhaue führen bei unmittelbarer Berührung den Tod
des Angreifenden herbei, dienen also gewissermaßen der offensiven Abwehr, doch
hört ihre offensive Wirkung sofort auf, sobald vom Feind erkannt wurde,
daß das Berühren der Drähte lebensgefährlich ist und von ihm Mittel zur
Unschädlichmachung ergriffen werden. Dann haben sie ihren Wert als Angriffs¬
mittel. verloren und dienen nur noch der Abwehr. Hingegen können die Schein¬
werfer, wenn auch ohne tötliche Wirkung, mitunter als Angriffsmittel benutzt
werden. ES sind wiederholt Fälle bekannt geworden, wo durch die intensive
Blendwirkung von Scheinwerfern feindliche Reiterpatrouillen und sogar größere
Neiiectrnppen in die Flucht gejagt und teilweise gefangen genommen werden
konnten. Besonders unter den Pferden rief der grelle Lichtschein eine große
Verwirrung hervor. Auch feindliche Torpedoboote sollen durch die Blendung
der Besatzung in die Flucht gejagt worden sein. Eine größere Bedeutung h.ihm
jedoch auch die Scheinwerfer als Abwehrmitiei. indem sie das unbemerkte Heran¬
schleichen des Feindes,, sei es zu Lande, auf dem Wasser oder in der Lust,
verhindern. Das Gebiet der elektrischen Angriffsmittel erweitert sich aber
wesentlich, wenn sie nicht als direkt wirkende Waffen angesehen werden, sondern
als Kraftquellen, die den Waffen ihre Beweglichkeit in der gewünschten Richtung
verleihen und sie im geeigneten Augenblick zur Wirksamkeit bringen. In dieses
Gebiet gehören dann auch die Vorrichtungen der Telegraphie, des Fernsprech¬
wesens, der Funkmtelegraphie und der Lichtsignale, soweit sie zur Übermittlung
wichtiger Angaben über die vom Feinde eingenommenen Stellungen und zur
Feuerleitung dienen. Der in nächster Nähe des Feindes am zum Horchen
dienenden Mikrophon oder Scherenfernrohr verborgen sitzende Beobachter über¬
mittelt durch den Fernsprecher seine Beobachtungen an die Feuerleitung, welche


Aufgaben der Elektrotechnik im Kriege

schreiten, wollte ich ausführlich alle Verwendungsmöglichkeiten der Elektrizität
im Kriege schildern. Ich müßte dann ein Lehrbuch der angewandten Elektrizität
schreiben. Denn im Grunde genommen ist unsere gesamte gewerbliche Tätigkeit,
die als Kraftquelle hauptsächlich den elektrischen Strom benutzt, dahin gerichtet,
in erster Linie die durch den Krieg geschaffenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Ich will in kurzen Zügen diejenigen Verwendungsgebiete streifen, in welchen
die elektrische Kraftquelle unmittelbar oder mittelbar als Kampfmittel dient und
durch keine andere Kraftquelle ersetzt werden kann. Bei unmittelbarer Ver¬
wendung des elektrischen Stromes kann noch eine Unterteilung nach zwei Ge¬
sichtspunkten stattfinden, je nachdem er als Angriffs- oder Abwehrmittel dient.
Ferner kann eine weitere Einteilung in zwei Hauptgruppen, nämlich Starkstrom
und Schwachstrom erfolgen.

Als Angriffsmittel hat die Elektrizität einen verhältnismäßig kleinen Ver¬
wendungsbereich, wenn man sie mit der Wirkung der Feuerwaffen und sonstiger
lediglich auf Sprengwirkung beruhenden Kampfmittel vergleicht. Eine tötliche
Wirkung im Angriffskriege läßt sich durch die Elektrizität als solche nicht erzielen.
Die im russisch japanischen Kriege das erstemal in größerem Maßstabe ver¬
wendeten elektrischen Drahtverhaue führen bei unmittelbarer Berührung den Tod
des Angreifenden herbei, dienen also gewissermaßen der offensiven Abwehr, doch
hört ihre offensive Wirkung sofort auf, sobald vom Feind erkannt wurde,
daß das Berühren der Drähte lebensgefährlich ist und von ihm Mittel zur
Unschädlichmachung ergriffen werden. Dann haben sie ihren Wert als Angriffs¬
mittel. verloren und dienen nur noch der Abwehr. Hingegen können die Schein¬
werfer, wenn auch ohne tötliche Wirkung, mitunter als Angriffsmittel benutzt
werden. ES sind wiederholt Fälle bekannt geworden, wo durch die intensive
Blendwirkung von Scheinwerfern feindliche Reiterpatrouillen und sogar größere
Neiiectrnppen in die Flucht gejagt und teilweise gefangen genommen werden
konnten. Besonders unter den Pferden rief der grelle Lichtschein eine große
Verwirrung hervor. Auch feindliche Torpedoboote sollen durch die Blendung
der Besatzung in die Flucht gejagt worden sein. Eine größere Bedeutung h.ihm
jedoch auch die Scheinwerfer als Abwehrmitiei. indem sie das unbemerkte Heran¬
schleichen des Feindes,, sei es zu Lande, auf dem Wasser oder in der Lust,
verhindern. Das Gebiet der elektrischen Angriffsmittel erweitert sich aber
wesentlich, wenn sie nicht als direkt wirkende Waffen angesehen werden, sondern
als Kraftquellen, die den Waffen ihre Beweglichkeit in der gewünschten Richtung
verleihen und sie im geeigneten Augenblick zur Wirksamkeit bringen. In dieses
Gebiet gehören dann auch die Vorrichtungen der Telegraphie, des Fernsprech¬
wesens, der Funkmtelegraphie und der Lichtsignale, soweit sie zur Übermittlung
wichtiger Angaben über die vom Feinde eingenommenen Stellungen und zur
Feuerleitung dienen. Der in nächster Nähe des Feindes am zum Horchen
dienenden Mikrophon oder Scherenfernrohr verborgen sitzende Beobachter über¬
mittelt durch den Fernsprecher seine Beobachtungen an die Feuerleitung, welche


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[0247] Aufgaben der Elektrotechnik im Kriege schreiten, wollte ich ausführlich alle Verwendungsmöglichkeiten der Elektrizität im Kriege schildern. Ich müßte dann ein Lehrbuch der angewandten Elektrizität schreiben. Denn im Grunde genommen ist unsere gesamte gewerbliche Tätigkeit, die als Kraftquelle hauptsächlich den elektrischen Strom benutzt, dahin gerichtet, in erster Linie die durch den Krieg geschaffenen Bedürfnisse zu befriedigen. Ich will in kurzen Zügen diejenigen Verwendungsgebiete streifen, in welchen die elektrische Kraftquelle unmittelbar oder mittelbar als Kampfmittel dient und durch keine andere Kraftquelle ersetzt werden kann. Bei unmittelbarer Ver¬ wendung des elektrischen Stromes kann noch eine Unterteilung nach zwei Ge¬ sichtspunkten stattfinden, je nachdem er als Angriffs- oder Abwehrmittel dient. Ferner kann eine weitere Einteilung in zwei Hauptgruppen, nämlich Starkstrom und Schwachstrom erfolgen. Als Angriffsmittel hat die Elektrizität einen verhältnismäßig kleinen Ver¬ wendungsbereich, wenn man sie mit der Wirkung der Feuerwaffen und sonstiger lediglich auf Sprengwirkung beruhenden Kampfmittel vergleicht. Eine tötliche Wirkung im Angriffskriege läßt sich durch die Elektrizität als solche nicht erzielen. Die im russisch japanischen Kriege das erstemal in größerem Maßstabe ver¬ wendeten elektrischen Drahtverhaue führen bei unmittelbarer Berührung den Tod des Angreifenden herbei, dienen also gewissermaßen der offensiven Abwehr, doch hört ihre offensive Wirkung sofort auf, sobald vom Feind erkannt wurde, daß das Berühren der Drähte lebensgefährlich ist und von ihm Mittel zur Unschädlichmachung ergriffen werden. Dann haben sie ihren Wert als Angriffs¬ mittel. verloren und dienen nur noch der Abwehr. Hingegen können die Schein¬ werfer, wenn auch ohne tötliche Wirkung, mitunter als Angriffsmittel benutzt werden. ES sind wiederholt Fälle bekannt geworden, wo durch die intensive Blendwirkung von Scheinwerfern feindliche Reiterpatrouillen und sogar größere Neiiectrnppen in die Flucht gejagt und teilweise gefangen genommen werden konnten. Besonders unter den Pferden rief der grelle Lichtschein eine große Verwirrung hervor. Auch feindliche Torpedoboote sollen durch die Blendung der Besatzung in die Flucht gejagt worden sein. Eine größere Bedeutung h.ihm jedoch auch die Scheinwerfer als Abwehrmitiei. indem sie das unbemerkte Heran¬ schleichen des Feindes,, sei es zu Lande, auf dem Wasser oder in der Lust, verhindern. Das Gebiet der elektrischen Angriffsmittel erweitert sich aber wesentlich, wenn sie nicht als direkt wirkende Waffen angesehen werden, sondern als Kraftquellen, die den Waffen ihre Beweglichkeit in der gewünschten Richtung verleihen und sie im geeigneten Augenblick zur Wirksamkeit bringen. In dieses Gebiet gehören dann auch die Vorrichtungen der Telegraphie, des Fernsprech¬ wesens, der Funkmtelegraphie und der Lichtsignale, soweit sie zur Übermittlung wichtiger Angaben über die vom Feinde eingenommenen Stellungen und zur Feuerleitung dienen. Der in nächster Nähe des Feindes am zum Horchen dienenden Mikrophon oder Scherenfernrohr verborgen sitzende Beobachter über¬ mittelt durch den Fernsprecher seine Beobachtungen an die Feuerleitung, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/247>, abgerufen am 24.08.2024.