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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Das deutsche Volkserwachen in (Österreich
Einige Bausteine zur Geschichte des Zweibundes
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Zum 7. Oktober !i^? ?
Alfred Otto Ritter von Terzi von

eilen haben in der Völkergeschichte Kriege eine so nachhaltige
Wandlung der staatsbürgerlichen Anschauungen gebracht wie die
Napoleonischen in der deutschen Volksseele. Der Schritt vom
Weltbürgertum, vom Partiknlnrismus der Scholle zu nationaler
Selbstbesinnung war ein ungeheuerer. Vorbereitet durch die
Loslösung des deutschen Schrifttums von den Fesseln der Fremdherrschaft, welche
Klopstock und Lessing, Goethe und Schiller inaugurierten, nahm der vorerst
literarische Nationalismus nun den Höhenschwung zum nationaldeutschen Staats¬
ideal; die äußere Sicherheit des deutschen Volkstums, die Ungekränktheit in
Sprache und Sitte, die freie Selbstbestimmung, wo konnte sie eher zu Hause
sein als im deutschen Volksstaate? So erwarb der zuerst rein negative Gedanke
der Abwehr des Napoleonischen Zwingherrnjoches seinen positiven Inhalt. An
Goethe und besonders Schiller war der deutsche Volksstolz wach geworden, mehr
als irgendwo gerade in Deutschösterreich. Lange war es ja das Aschenbrödel
der deutschen Stämme gewesen, abgesperrt von dem reichen Geistesleben der
Nation. Der glühende Schillerkultus aber und der keine Grenzen kennende Haß
gegen Napoleon erweckten auch die Ostmark aus dem nationalen Schlummer,
aus dem leidigen Bekenntnishasse, der seit der Gegenreformation am Werke ge¬
wesen war, das volksbrüderliche Gefühl zu den protestantischen Deutschen zu
ersticken. Die Aufklärung hatte endlich die Fesseln gesprengt, sie hatte gelehrt,
die Menschen nicht als Bekenner irgendeiner Religion zu betrachten, sondern
nur als Menschen, als Geschöpfe Gottes, sie hatte die deutsche Schriftsprache
statt des römischen Idioms auch in der Oftmark eingebürgert und wieder den
geistigen Zusammenhang mit dem außerösterreichischen Deutschtum geknüpft. Am
Napoleonhasse erwachte deutscher Sinn; man hatte gesehen, daß es doch etwas
anderes sei, von Volksgenossen beherrscht zu werden. Die ewigen Kontributionen,
die Aufzwingung der französischen Sprache und welscher Sitten hatten das Volk
aufgerüttelt und die Gebildeten vertieften ihre nationale Liebe durch Verehrung




Das deutsche Volkserwachen in (Österreich
Einige Bausteine zur Geschichte des Zweibundes
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Zum 7. Oktober !i^? ?
Alfred Otto Ritter von Terzi von

eilen haben in der Völkergeschichte Kriege eine so nachhaltige
Wandlung der staatsbürgerlichen Anschauungen gebracht wie die
Napoleonischen in der deutschen Volksseele. Der Schritt vom
Weltbürgertum, vom Partiknlnrismus der Scholle zu nationaler
Selbstbesinnung war ein ungeheuerer. Vorbereitet durch die
Loslösung des deutschen Schrifttums von den Fesseln der Fremdherrschaft, welche
Klopstock und Lessing, Goethe und Schiller inaugurierten, nahm der vorerst
literarische Nationalismus nun den Höhenschwung zum nationaldeutschen Staats¬
ideal; die äußere Sicherheit des deutschen Volkstums, die Ungekränktheit in
Sprache und Sitte, die freie Selbstbestimmung, wo konnte sie eher zu Hause
sein als im deutschen Volksstaate? So erwarb der zuerst rein negative Gedanke
der Abwehr des Napoleonischen Zwingherrnjoches seinen positiven Inhalt. An
Goethe und besonders Schiller war der deutsche Volksstolz wach geworden, mehr
als irgendwo gerade in Deutschösterreich. Lange war es ja das Aschenbrödel
der deutschen Stämme gewesen, abgesperrt von dem reichen Geistesleben der
Nation. Der glühende Schillerkultus aber und der keine Grenzen kennende Haß
gegen Napoleon erweckten auch die Ostmark aus dem nationalen Schlummer,
aus dem leidigen Bekenntnishasse, der seit der Gegenreformation am Werke ge¬
wesen war, das volksbrüderliche Gefühl zu den protestantischen Deutschen zu
ersticken. Die Aufklärung hatte endlich die Fesseln gesprengt, sie hatte gelehrt,
die Menschen nicht als Bekenner irgendeiner Religion zu betrachten, sondern
nur als Menschen, als Geschöpfe Gottes, sie hatte die deutsche Schriftsprache
statt des römischen Idioms auch in der Oftmark eingebürgert und wieder den
geistigen Zusammenhang mit dem außerösterreichischen Deutschtum geknüpft. Am
Napoleonhasse erwachte deutscher Sinn; man hatte gesehen, daß es doch etwas
anderes sei, von Volksgenossen beherrscht zu werden. Die ewigen Kontributionen,
die Aufzwingung der französischen Sprache und welscher Sitten hatten das Volk
aufgerüttelt und die Gebildeten vertieften ihre nationale Liebe durch Verehrung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/20>, abgerufen am 22.07.2024.