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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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immer wieder an teil schlichte!! Worten eines Johannes Ruysbroek, der das
religiöse Empfinden der fronenden Klasse wie kein anderer zu wecken wußte.

Die romanische und germanische Literatur bestanden nebeneinander, ohne
sich zu durchdringen. Aber die Sprachen beeinflußten sich gegenseitig. Seit
der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entlehnte das Vlämische dem Französischen
zahlreiche technische Ausdrücke aus dem Gebiete des Rechtes und der Ver¬
waltung, die bis zum heutigen Tage geblieben sind. Andererseits drangen in
manchen Gegenden, so im Lüttischen, vlämische Redensarten in das Wallo¬
nische ein.

Das Französische war die Sprache des Hofes, des Adels und des Patri-
ziates, der höheren Verwaltung. Auf eine gewaltsame Französierung gingen
aber die Grafen-Herzöge nicht aus. Sie erkannten das Vlämische als Amts¬
sprache an, lernten selbst vlämisch und verlangten von den Beamten die
Kenntnis des Vlämischen. Immerhin war jeder Höherstrebende auf die Kennt¬
nis des Französischen angewiesen. Der vlämische Großkaufmann tat auch gut
daran, das Welsche zu lernen. Er vermochte so sich nicht nur mit den
Parisern zu verständigen, sondern auch mit den Oberdeutschen, den Nürnberger!!,
den Augsburgern, die ihrerseits sich wohl des Französischen, nicht aber des
Vlämischen befleißigten. So wurde auch uoch von Deutschland her die Vor¬
herrschaft des Französischen gestärkt. --

Fassen wir es zusammen: Philipp der Gute stellte sich zur Aufgabe, die Lehns¬
hoheit Deutschlands und Frankreichs abzuschütteln und einen souveränen Grenz-
stuat zu gründen. Im Inneren des dualistischen Ständestaates wollte er die Gewalt
der Krone gegenüber der mettstreitenden Gewalt der Stände auf das nach¬
drücklichste zur Geltung bringen, die monarchische Gewalt von jeder feudalen
und kommunalen Fesselung befreien. Philipp der Gute, dem Großvater durch¬
aus ebenbürtig, in manchem ihm überlegen, konnte sich ihm getrost an die
Seite stellen. In seinem Sinne hat er das große Werk groß weitergeführt.
Nicht zu Unrecht pries ihn im sechzehnten Jahrhundert Justus Lipstus als den
"Lonclitor KelM."

(Schluß folgt.)




immer wieder an teil schlichte!! Worten eines Johannes Ruysbroek, der das
religiöse Empfinden der fronenden Klasse wie kein anderer zu wecken wußte.

Die romanische und germanische Literatur bestanden nebeneinander, ohne
sich zu durchdringen. Aber die Sprachen beeinflußten sich gegenseitig. Seit
der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entlehnte das Vlämische dem Französischen
zahlreiche technische Ausdrücke aus dem Gebiete des Rechtes und der Ver¬
waltung, die bis zum heutigen Tage geblieben sind. Andererseits drangen in
manchen Gegenden, so im Lüttischen, vlämische Redensarten in das Wallo¬
nische ein.

Das Französische war die Sprache des Hofes, des Adels und des Patri-
ziates, der höheren Verwaltung. Auf eine gewaltsame Französierung gingen
aber die Grafen-Herzöge nicht aus. Sie erkannten das Vlämische als Amts¬
sprache an, lernten selbst vlämisch und verlangten von den Beamten die
Kenntnis des Vlämischen. Immerhin war jeder Höherstrebende auf die Kennt¬
nis des Französischen angewiesen. Der vlämische Großkaufmann tat auch gut
daran, das Welsche zu lernen. Er vermochte so sich nicht nur mit den
Parisern zu verständigen, sondern auch mit den Oberdeutschen, den Nürnberger!!,
den Augsburgern, die ihrerseits sich wohl des Französischen, nicht aber des
Vlämischen befleißigten. So wurde auch uoch von Deutschland her die Vor¬
herrschaft des Französischen gestärkt. —

Fassen wir es zusammen: Philipp der Gute stellte sich zur Aufgabe, die Lehns¬
hoheit Deutschlands und Frankreichs abzuschütteln und einen souveränen Grenz-
stuat zu gründen. Im Inneren des dualistischen Ständestaates wollte er die Gewalt
der Krone gegenüber der mettstreitenden Gewalt der Stände auf das nach¬
drücklichste zur Geltung bringen, die monarchische Gewalt von jeder feudalen
und kommunalen Fesselung befreien. Philipp der Gute, dem Großvater durch¬
aus ebenbürtig, in manchem ihm überlegen, konnte sich ihm getrost an die
Seite stellen. In seinem Sinne hat er das große Werk groß weitergeführt.
Nicht zu Unrecht pries ihn im sechzehnten Jahrhundert Justus Lipstus als den
„Lonclitor KelM."

(Schluß folgt.)




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[0187] immer wieder an teil schlichte!! Worten eines Johannes Ruysbroek, der das religiöse Empfinden der fronenden Klasse wie kein anderer zu wecken wußte. Die romanische und germanische Literatur bestanden nebeneinander, ohne sich zu durchdringen. Aber die Sprachen beeinflußten sich gegenseitig. Seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entlehnte das Vlämische dem Französischen zahlreiche technische Ausdrücke aus dem Gebiete des Rechtes und der Ver¬ waltung, die bis zum heutigen Tage geblieben sind. Andererseits drangen in manchen Gegenden, so im Lüttischen, vlämische Redensarten in das Wallo¬ nische ein. Das Französische war die Sprache des Hofes, des Adels und des Patri- ziates, der höheren Verwaltung. Auf eine gewaltsame Französierung gingen aber die Grafen-Herzöge nicht aus. Sie erkannten das Vlämische als Amts¬ sprache an, lernten selbst vlämisch und verlangten von den Beamten die Kenntnis des Vlämischen. Immerhin war jeder Höherstrebende auf die Kennt¬ nis des Französischen angewiesen. Der vlämische Großkaufmann tat auch gut daran, das Welsche zu lernen. Er vermochte so sich nicht nur mit den Parisern zu verständigen, sondern auch mit den Oberdeutschen, den Nürnberger!!, den Augsburgern, die ihrerseits sich wohl des Französischen, nicht aber des Vlämischen befleißigten. So wurde auch uoch von Deutschland her die Vor¬ herrschaft des Französischen gestärkt. — Fassen wir es zusammen: Philipp der Gute stellte sich zur Aufgabe, die Lehns¬ hoheit Deutschlands und Frankreichs abzuschütteln und einen souveränen Grenz- stuat zu gründen. Im Inneren des dualistischen Ständestaates wollte er die Gewalt der Krone gegenüber der mettstreitenden Gewalt der Stände auf das nach¬ drücklichste zur Geltung bringen, die monarchische Gewalt von jeder feudalen und kommunalen Fesselung befreien. Philipp der Gute, dem Großvater durch¬ aus ebenbürtig, in manchem ihm überlegen, konnte sich ihm getrost an die Seite stellen. In seinem Sinne hat er das große Werk groß weitergeführt. Nicht zu Unrecht pries ihn im sechzehnten Jahrhundert Justus Lipstus als den „Lonclitor KelM." (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/187>, abgerufen am 24.08.2024.