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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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die Hofgewänder Unsummen: was machte es, ein" einzige Ehre war es, Gast
des Amme! eine el'oeeiewnt zu sein!

Das Fasmiensest in Lille, auf welchem Philipp der Gute und seine Paladine
das Kreuz nahmen, zeigt mit seinen seltsamen "entremets" und kuriosen Dar¬
stellungen aller Art die Gesellschaft in Art und Unart. Das Zeremoniell ist
noch stärker als die Höfischkeit und Höflichkeit der edlen Herren und Damm.
Nur mit Mühe werden ungeberdige Rauflust, wilde Trunksucht und geschlecht¬
liche Ungebundenheit in: Zaume gehalten. Der Prunk ist hier und da recht
äußerlich und aufdringlich; aber allmählich veredelt sich der Luxus, bilden sich
wahre Bildung und gute Formen aus.

Die begabtesten Künstler verschmähten die Reize des französischen Königs¬
hofes. Sie widmeten sich den Herzögen-Grafen und verkündeten ihren Ruhm.
Zur gleichen Zeit wie Ghiberti und Donatello in Italien schuf Claus Sluter
die Meisterwerke in der Kartause bei Dijon. Die Blumen van Eyck ließen sich
in Gent nieder. Der jüngere, Johann, spielte am Hofe Philipps des Guten
eine ähnliche Rolle wie Rubens zur Zeit Albrechts und Jsabellens von Öster¬
reich. Der Wallone Roger nan der Wenden (cle in ?g,Ktui'L) siedelte sich in
Brüssel an, wo in edlem Wettstreit Peter Christus und Hugo van der Goes,
der Meister von Flümalle, der Mainzer Hans Memling wirkten.

Auch als Musiker zeichneten sich Niederländer aus und führte" bedeutsame
Neuerungen durch. Neben Wallonen wie Wilhelm Dufav aus Chimav, Ägidius
von Binche, Anton Busnois, Josquin des Prof zieht besonders der Marne
Johann Ockeghem die Aufmerksamkeit auf sich. Diese Musiker erfreuten sich
bald großer Berühmtheit, sie übten mit ihrer Schule, wie spmerhiu die Italiener,
auf lange Zeit den maßgebenden Einfluß ans.

Dichter und Gelehrte fanden in den Herzögen - Grafen verständnisvolle
und freigibige Beschützer. Als Patenkind Philipps des Guten, in nächster
Umgebung Karls des Kühnen empfing feine ersten Eindrücke Philipp von
Commines, der so wirksam die glänzende Reihe der französischen Memoiren-
schriststeller eröffnet. Die Helden der Feder kämpften ihrerseits für das
Herrscherhaus. Durch die Gnade ihres Mäzen unabhängig wie diese selbst,
brauchten sie weder auf den deutschen noch auf den französischen König Rück¬
sicht zu nehmen. Unbesorgt sangen sie das Lob des Plantegenet auf Kosten des
Valois. Sie konnten national farblos sein wie ihre Leser, wie so manche
hochadlige Ritter, denen der Verzweiflungskampf, den Frankreich gegen Eng¬
land führte, nur als kompliziertes Turnier erschien. Diese Kosmopoliten be¬
reiten einem Erasmus den Weg.

Auf den Bahnen von Johann le Bel und Froissart wandelten Chastellcnn
und Olivier de La Marche. In behäbigen Chronistenstil, der noch heute des
Reizes nicht entbehrt, schilderten sie die schimmernde Ritterwelt, die sich um
den "guten Herzog" drängte. Sie wandten sich an den Adel, an die Patrizier.
Der Handwerker griff lieber zu einem vlämischen Chronisten, erbaute sich


die Hofgewänder Unsummen: was machte es, ein« einzige Ehre war es, Gast
des Amme! eine el'oeeiewnt zu sein!

Das Fasmiensest in Lille, auf welchem Philipp der Gute und seine Paladine
das Kreuz nahmen, zeigt mit seinen seltsamen „entremets" und kuriosen Dar¬
stellungen aller Art die Gesellschaft in Art und Unart. Das Zeremoniell ist
noch stärker als die Höfischkeit und Höflichkeit der edlen Herren und Damm.
Nur mit Mühe werden ungeberdige Rauflust, wilde Trunksucht und geschlecht¬
liche Ungebundenheit in: Zaume gehalten. Der Prunk ist hier und da recht
äußerlich und aufdringlich; aber allmählich veredelt sich der Luxus, bilden sich
wahre Bildung und gute Formen aus.

Die begabtesten Künstler verschmähten die Reize des französischen Königs¬
hofes. Sie widmeten sich den Herzögen-Grafen und verkündeten ihren Ruhm.
Zur gleichen Zeit wie Ghiberti und Donatello in Italien schuf Claus Sluter
die Meisterwerke in der Kartause bei Dijon. Die Blumen van Eyck ließen sich
in Gent nieder. Der jüngere, Johann, spielte am Hofe Philipps des Guten
eine ähnliche Rolle wie Rubens zur Zeit Albrechts und Jsabellens von Öster¬
reich. Der Wallone Roger nan der Wenden (cle in ?g,Ktui'L) siedelte sich in
Brüssel an, wo in edlem Wettstreit Peter Christus und Hugo van der Goes,
der Meister von Flümalle, der Mainzer Hans Memling wirkten.

Auch als Musiker zeichneten sich Niederländer aus und führte» bedeutsame
Neuerungen durch. Neben Wallonen wie Wilhelm Dufav aus Chimav, Ägidius
von Binche, Anton Busnois, Josquin des Prof zieht besonders der Marne
Johann Ockeghem die Aufmerksamkeit auf sich. Diese Musiker erfreuten sich
bald großer Berühmtheit, sie übten mit ihrer Schule, wie spmerhiu die Italiener,
auf lange Zeit den maßgebenden Einfluß ans.

Dichter und Gelehrte fanden in den Herzögen - Grafen verständnisvolle
und freigibige Beschützer. Als Patenkind Philipps des Guten, in nächster
Umgebung Karls des Kühnen empfing feine ersten Eindrücke Philipp von
Commines, der so wirksam die glänzende Reihe der französischen Memoiren-
schriststeller eröffnet. Die Helden der Feder kämpften ihrerseits für das
Herrscherhaus. Durch die Gnade ihres Mäzen unabhängig wie diese selbst,
brauchten sie weder auf den deutschen noch auf den französischen König Rück¬
sicht zu nehmen. Unbesorgt sangen sie das Lob des Plantegenet auf Kosten des
Valois. Sie konnten national farblos sein wie ihre Leser, wie so manche
hochadlige Ritter, denen der Verzweiflungskampf, den Frankreich gegen Eng¬
land führte, nur als kompliziertes Turnier erschien. Diese Kosmopoliten be¬
reiten einem Erasmus den Weg.

Auf den Bahnen von Johann le Bel und Froissart wandelten Chastellcnn
und Olivier de La Marche. In behäbigen Chronistenstil, der noch heute des
Reizes nicht entbehrt, schilderten sie die schimmernde Ritterwelt, die sich um
den „guten Herzog" drängte. Sie wandten sich an den Adel, an die Patrizier.
Der Handwerker griff lieber zu einem vlämischen Chronisten, erbaute sich


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[0186] die Hofgewänder Unsummen: was machte es, ein« einzige Ehre war es, Gast des Amme! eine el'oeeiewnt zu sein! Das Fasmiensest in Lille, auf welchem Philipp der Gute und seine Paladine das Kreuz nahmen, zeigt mit seinen seltsamen „entremets" und kuriosen Dar¬ stellungen aller Art die Gesellschaft in Art und Unart. Das Zeremoniell ist noch stärker als die Höfischkeit und Höflichkeit der edlen Herren und Damm. Nur mit Mühe werden ungeberdige Rauflust, wilde Trunksucht und geschlecht¬ liche Ungebundenheit in: Zaume gehalten. Der Prunk ist hier und da recht äußerlich und aufdringlich; aber allmählich veredelt sich der Luxus, bilden sich wahre Bildung und gute Formen aus. Die begabtesten Künstler verschmähten die Reize des französischen Königs¬ hofes. Sie widmeten sich den Herzögen-Grafen und verkündeten ihren Ruhm. Zur gleichen Zeit wie Ghiberti und Donatello in Italien schuf Claus Sluter die Meisterwerke in der Kartause bei Dijon. Die Blumen van Eyck ließen sich in Gent nieder. Der jüngere, Johann, spielte am Hofe Philipps des Guten eine ähnliche Rolle wie Rubens zur Zeit Albrechts und Jsabellens von Öster¬ reich. Der Wallone Roger nan der Wenden (cle in ?g,Ktui'L) siedelte sich in Brüssel an, wo in edlem Wettstreit Peter Christus und Hugo van der Goes, der Meister von Flümalle, der Mainzer Hans Memling wirkten. Auch als Musiker zeichneten sich Niederländer aus und führte» bedeutsame Neuerungen durch. Neben Wallonen wie Wilhelm Dufav aus Chimav, Ägidius von Binche, Anton Busnois, Josquin des Prof zieht besonders der Marne Johann Ockeghem die Aufmerksamkeit auf sich. Diese Musiker erfreuten sich bald großer Berühmtheit, sie übten mit ihrer Schule, wie spmerhiu die Italiener, auf lange Zeit den maßgebenden Einfluß ans. Dichter und Gelehrte fanden in den Herzögen - Grafen verständnisvolle und freigibige Beschützer. Als Patenkind Philipps des Guten, in nächster Umgebung Karls des Kühnen empfing feine ersten Eindrücke Philipp von Commines, der so wirksam die glänzende Reihe der französischen Memoiren- schriststeller eröffnet. Die Helden der Feder kämpften ihrerseits für das Herrscherhaus. Durch die Gnade ihres Mäzen unabhängig wie diese selbst, brauchten sie weder auf den deutschen noch auf den französischen König Rück¬ sicht zu nehmen. Unbesorgt sangen sie das Lob des Plantegenet auf Kosten des Valois. Sie konnten national farblos sein wie ihre Leser, wie so manche hochadlige Ritter, denen der Verzweiflungskampf, den Frankreich gegen Eng¬ land führte, nur als kompliziertes Turnier erschien. Diese Kosmopoliten be¬ reiten einem Erasmus den Weg. Auf den Bahnen von Johann le Bel und Froissart wandelten Chastellcnn und Olivier de La Marche. In behäbigen Chronistenstil, der noch heute des Reizes nicht entbehrt, schilderten sie die schimmernde Ritterwelt, die sich um den „guten Herzog" drängte. Sie wandten sich an den Adel, an die Patrizier. Der Handwerker griff lieber zu einem vlämischen Chronisten, erbaute sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/186>, abgerufen am 24.08.2024.