Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor

Kolonialreich hat seinen wirtschafts- und machtpolitischen Schwerpunkt außerhalb
unseres Weltteils. Soll Europa und soll die Erdringstraßs von der Übermacht
Großbritanniens befreit werden, so darf es dreierlei fernerhin nicht mehr geben!
1. daß England nach seinem Belieben die Nordsee und das Mittelmeer sperrt;
2. daß der Indische Ozean ein britischer Binnensee bleibt; 3. daß im Stillen
Ozean eine Mächtegruppe mit britischen Interessen einschlug das Übergewicht
besitzt. Durch militärische und diplomatische Mittel muß der Erhaltung dieser
drei Zustände entgegengewirkt werden. Die Rückkehr zum Statusquo vor dem
Kriege würde die Verheißung des Reichskanzlers von der Freiheit der Völker
und von der Freiheit der Meere zu einem leeren Wort machen.




Me das Deutsche Reich die Niederlande verlor
Gelo Lartcllieri von(Fortsetzung)

Mit der Negierung Johanns ohne Furcht (1404--1419) beginnt die
flandrisch-brabantische Frage wieder einen Abschnitt. Das Verhältnis des Grafen-
Herzogs zu den Mächten verschiebt sich. Der Gegensatz zu Deutschland, immer
noch latent, bleibt wie zuvor. Aber England wird aus dem Feind ein Freund,
mehr oder minder offen. Und Frankreich, der bisherige Freund und Beschützer,
wird sein Feind! Johann trägt die Waffen gegen das Land, von dem sein
Bater ausgegangen ist. Eine merkwürdige Fügung der Dinge läßt alte Zeiten
wieder aufleben, da der flandrische Löwe gegen die Lilien kämpfte, läßt den
Grafen-Herzog das Gleiche erstreben wie seine Untertanen. Es beginnt der
unvermeidliche Ablösungsprozeß. Das Herzogtum Burgund, das dem Geschlecht,
das der Staatsbildung den Namen gibt, tritt immer mehr in den Hintergrund.
Flandern wird das Kernland des burgundischen Staates und beginnt mit der
französischen Krone den Kampf um seine Unabhängigkeit. Dahin hat vor allem
der Parteihader geführt, der nach dem Tode Philipps des Kühnen in Frank¬
reich ausbrach. Indem der Herzog Ludwig von Orleans wie früher den
Bater, so jetzt den Sohn von dem ersten Platz am Königshof zu verdrängen
sachte, so mußte sich Johann häufig, um Geld zu erhalten, an seine flandrischen
Untertanen wenden. "I^o p^s as LourMZns n'a point et'arZsnt; it 3eilt
la Trance." sagte später einmal Karl der Kühne. Burgund lieferte die
Soldaten zum größten Teil. Flandern aber das Geld. Bewilligten aber die


wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor

Kolonialreich hat seinen wirtschafts- und machtpolitischen Schwerpunkt außerhalb
unseres Weltteils. Soll Europa und soll die Erdringstraßs von der Übermacht
Großbritanniens befreit werden, so darf es dreierlei fernerhin nicht mehr geben!
1. daß England nach seinem Belieben die Nordsee und das Mittelmeer sperrt;
2. daß der Indische Ozean ein britischer Binnensee bleibt; 3. daß im Stillen
Ozean eine Mächtegruppe mit britischen Interessen einschlug das Übergewicht
besitzt. Durch militärische und diplomatische Mittel muß der Erhaltung dieser
drei Zustände entgegengewirkt werden. Die Rückkehr zum Statusquo vor dem
Kriege würde die Verheißung des Reichskanzlers von der Freiheit der Völker
und von der Freiheit der Meere zu einem leeren Wort machen.




Me das Deutsche Reich die Niederlande verlor
Gelo Lartcllieri von(Fortsetzung)

Mit der Negierung Johanns ohne Furcht (1404—1419) beginnt die
flandrisch-brabantische Frage wieder einen Abschnitt. Das Verhältnis des Grafen-
Herzogs zu den Mächten verschiebt sich. Der Gegensatz zu Deutschland, immer
noch latent, bleibt wie zuvor. Aber England wird aus dem Feind ein Freund,
mehr oder minder offen. Und Frankreich, der bisherige Freund und Beschützer,
wird sein Feind! Johann trägt die Waffen gegen das Land, von dem sein
Bater ausgegangen ist. Eine merkwürdige Fügung der Dinge läßt alte Zeiten
wieder aufleben, da der flandrische Löwe gegen die Lilien kämpfte, läßt den
Grafen-Herzog das Gleiche erstreben wie seine Untertanen. Es beginnt der
unvermeidliche Ablösungsprozeß. Das Herzogtum Burgund, das dem Geschlecht,
das der Staatsbildung den Namen gibt, tritt immer mehr in den Hintergrund.
Flandern wird das Kernland des burgundischen Staates und beginnt mit der
französischen Krone den Kampf um seine Unabhängigkeit. Dahin hat vor allem
der Parteihader geführt, der nach dem Tode Philipps des Kühnen in Frank¬
reich ausbrach. Indem der Herzog Ludwig von Orleans wie früher den
Bater, so jetzt den Sohn von dem ersten Platz am Königshof zu verdrängen
sachte, so mußte sich Johann häufig, um Geld zu erhalten, an seine flandrischen
Untertanen wenden. „I^o p^s as LourMZns n'a point et'arZsnt; it 3eilt
la Trance." sagte später einmal Karl der Kühne. Burgund lieferte die
Soldaten zum größten Teil. Flandern aber das Geld. Bewilligten aber die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324592"/>
          <fw type="header" place="top"> wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_604" prev="#ID_603"> Kolonialreich hat seinen wirtschafts- und machtpolitischen Schwerpunkt außerhalb<lb/>
unseres Weltteils. Soll Europa und soll die Erdringstraßs von der Übermacht<lb/>
Großbritanniens befreit werden, so darf es dreierlei fernerhin nicht mehr geben!<lb/>
1. daß England nach seinem Belieben die Nordsee und das Mittelmeer sperrt;<lb/>
2. daß der Indische Ozean ein britischer Binnensee bleibt; 3. daß im Stillen<lb/>
Ozean eine Mächtegruppe mit britischen Interessen einschlug das Übergewicht<lb/>
besitzt. Durch militärische und diplomatische Mittel muß der Erhaltung dieser<lb/>
drei Zustände entgegengewirkt werden. Die Rückkehr zum Statusquo vor dem<lb/>
Kriege würde die Verheißung des Reichskanzlers von der Freiheit der Völker<lb/>
und von der Freiheit der Meere zu einem leeren Wort machen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Me das Deutsche Reich die Niederlande verlor<lb/><note type="byline"> Gelo Lartcllieri</note> von(Fortsetzung)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_605" next="#ID_606"> Mit der Negierung Johanns ohne Furcht (1404&#x2014;1419) beginnt die<lb/>
flandrisch-brabantische Frage wieder einen Abschnitt. Das Verhältnis des Grafen-<lb/>
Herzogs zu den Mächten verschiebt sich. Der Gegensatz zu Deutschland, immer<lb/>
noch latent, bleibt wie zuvor. Aber England wird aus dem Feind ein Freund,<lb/>
mehr oder minder offen. Und Frankreich, der bisherige Freund und Beschützer,<lb/>
wird sein Feind! Johann trägt die Waffen gegen das Land, von dem sein<lb/>
Bater ausgegangen ist. Eine merkwürdige Fügung der Dinge läßt alte Zeiten<lb/>
wieder aufleben, da der flandrische Löwe gegen die Lilien kämpfte, läßt den<lb/>
Grafen-Herzog das Gleiche erstreben wie seine Untertanen. Es beginnt der<lb/>
unvermeidliche Ablösungsprozeß. Das Herzogtum Burgund, das dem Geschlecht,<lb/>
das der Staatsbildung den Namen gibt, tritt immer mehr in den Hintergrund.<lb/>
Flandern wird das Kernland des burgundischen Staates und beginnt mit der<lb/>
französischen Krone den Kampf um seine Unabhängigkeit. Dahin hat vor allem<lb/>
der Parteihader geführt, der nach dem Tode Philipps des Kühnen in Frank¬<lb/>
reich ausbrach. Indem der Herzog Ludwig von Orleans wie früher den<lb/>
Bater, so jetzt den Sohn von dem ersten Platz am Königshof zu verdrängen<lb/>
sachte, so mußte sich Johann häufig, um Geld zu erhalten, an seine flandrischen<lb/>
Untertanen wenden. &#x201E;I^o p^s as LourMZns n'a point et'arZsnt; it 3eilt<lb/>
la Trance." sagte später einmal Karl der Kühne. Burgund lieferte die<lb/>
Soldaten zum größten Teil. Flandern aber das Geld.  Bewilligten aber die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0179] wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor Kolonialreich hat seinen wirtschafts- und machtpolitischen Schwerpunkt außerhalb unseres Weltteils. Soll Europa und soll die Erdringstraßs von der Übermacht Großbritanniens befreit werden, so darf es dreierlei fernerhin nicht mehr geben! 1. daß England nach seinem Belieben die Nordsee und das Mittelmeer sperrt; 2. daß der Indische Ozean ein britischer Binnensee bleibt; 3. daß im Stillen Ozean eine Mächtegruppe mit britischen Interessen einschlug das Übergewicht besitzt. Durch militärische und diplomatische Mittel muß der Erhaltung dieser drei Zustände entgegengewirkt werden. Die Rückkehr zum Statusquo vor dem Kriege würde die Verheißung des Reichskanzlers von der Freiheit der Völker und von der Freiheit der Meere zu einem leeren Wort machen. Me das Deutsche Reich die Niederlande verlor Gelo Lartcllieri von(Fortsetzung) Mit der Negierung Johanns ohne Furcht (1404—1419) beginnt die flandrisch-brabantische Frage wieder einen Abschnitt. Das Verhältnis des Grafen- Herzogs zu den Mächten verschiebt sich. Der Gegensatz zu Deutschland, immer noch latent, bleibt wie zuvor. Aber England wird aus dem Feind ein Freund, mehr oder minder offen. Und Frankreich, der bisherige Freund und Beschützer, wird sein Feind! Johann trägt die Waffen gegen das Land, von dem sein Bater ausgegangen ist. Eine merkwürdige Fügung der Dinge läßt alte Zeiten wieder aufleben, da der flandrische Löwe gegen die Lilien kämpfte, läßt den Grafen-Herzog das Gleiche erstreben wie seine Untertanen. Es beginnt der unvermeidliche Ablösungsprozeß. Das Herzogtum Burgund, das dem Geschlecht, das der Staatsbildung den Namen gibt, tritt immer mehr in den Hintergrund. Flandern wird das Kernland des burgundischen Staates und beginnt mit der französischen Krone den Kampf um seine Unabhängigkeit. Dahin hat vor allem der Parteihader geführt, der nach dem Tode Philipps des Kühnen in Frank¬ reich ausbrach. Indem der Herzog Ludwig von Orleans wie früher den Bater, so jetzt den Sohn von dem ersten Platz am Königshof zu verdrängen sachte, so mußte sich Johann häufig, um Geld zu erhalten, an seine flandrischen Untertanen wenden. „I^o p^s as LourMZns n'a point et'arZsnt; it 3eilt la Trance." sagte später einmal Karl der Kühne. Burgund lieferte die Soldaten zum größten Teil. Flandern aber das Geld. Bewilligten aber die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/179
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/179>, abgerufen am 22.07.2024.