Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor Eins chaiserS bez hab wir tzü abkam, klagt ein Dichter jener Tage, Peter Sucherwirt. Und an einer anderen Stelle In Pehem") mawst der adalar, Und mit Recht. Wer merkte damals noch etwas von dem kaiser¬ , Mit Ingrimm beobachtete man in Deutschland diese traurigen Verhältnisse, Mit Groll verfolgte man das dreiste Vorgehen der Franzosen, die sich Ein seltsames Bild: ein Trunkenbold und ein Geisteskranker begegneten sich. Wie deutlich wurde damals in Neinis der Unterschied der staatlichen Ver¬ Böhmen. Wohl gleich verreckt.
Wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor Eins chaiserS bez hab wir tzü abkam, klagt ein Dichter jener Tage, Peter Sucherwirt. Und an einer anderen Stelle In Pehem") mawst der adalar, Und mit Recht. Wer merkte damals noch etwas von dem kaiser¬ , Mit Ingrimm beobachtete man in Deutschland diese traurigen Verhältnisse, Mit Groll verfolgte man das dreiste Vorgehen der Franzosen, die sich Ein seltsames Bild: ein Trunkenbold und ein Geisteskranker begegneten sich. Wie deutlich wurde damals in Neinis der Unterschied der staatlichen Ver¬ Böhmen. Wohl gleich verreckt.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324562"/> <fw type="header" place="top"> Wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor</fw><lb/> <quote> Eins chaiserS bez hab wir tzü abkam,<lb/> Eins Pabst tzü viel auf erden.</quote><lb/> <p xml:id="ID_510"> klagt ein Dichter jener Tage, Peter Sucherwirt. Und an einer anderen Stelle<lb/> heißt es:</p><lb/> <quote> In Pehem") mawst der adalar,<lb/> Hat er icht schier gerekchet.*^)</quote><lb/> <p xml:id="ID_511"> Und mit Recht. Wer merkte damals noch etwas von dem kaiser¬<lb/> lichen Aar?</p><lb/> <p xml:id="ID_512"> , Mit Ingrimm beobachtete man in Deutschland diese traurigen Verhältnisse,<lb/> sah man, wie sich Frankreich in den Vordergrund drängte und nicht nur in<lb/> Sachen des Schisma, sondern auch in weltlichen Dingen die Leitung für sich<lb/> beanspruchte. Eine Denkschrift, die damals am Heidelberger Hofe entstand,<lb/> gibt die Mißstimmung weiter Kreise gut wieder. Der Verfasser versteigt sich<lb/> sogar zu der Behauptung, daß bei dem Ausbruch der Kirchenspaltung der<lb/> französische König mit dem Gedanken gespielt habe, sich selbst die Tiara, dem<lb/> Sohne die Kaiserkrone zu verschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_513"> Mit Groll verfolgte man das dreiste Vorgehen der Franzosen, die sich<lb/> cillerwärts auf Deutschlands Kosten bereicherten, im Norden und im Süden.<lb/> Mit welchem Rechte wurde in Verdun das Lilienbanner gehißt, mit welchem<lb/> Recht an der ligurischen Küste in Genua? Sollten jetzt auch noch Brabant<lb/> und Limburg den Deutschen verloren gehen? Voller Mißtrauen hörte man,<lb/> daß König Wenzel in jener Zeit mit Frankreichs König in Reims zusammen¬<lb/> traf (1398).</p><lb/> <p xml:id="ID_514"> Ein seltsames Bild: ein Trunkenbold und ein Geisteskranker begegneten sich.<lb/> Die Franzosen wahrten die Form. Vorsichtig waren Tage ausgesucht, an denen<lb/> König Karl der Sechste keine Anfälle zu befürchten hatte. Aber die Deutschen?<lb/> König Wenzel hatte auf den Zechgelagen den köstlichen französischen Weinen<lb/> so kräftig zugesprochen, daß er „vollen Bauches" schlief und zum Entsetzen der<lb/> Franzosen nicht geweckt werden konnte, als die Besprechung der Könige statt¬<lb/> finden sollte. Sie wurde an einem anderen Tage, nach einem Festmahl von<lb/> vierzig Gängen nachgeholt.</p><lb/> <p xml:id="ID_515" next="#ID_516"> Wie deutlich wurde damals in Neinis der Unterschied der staatlichen Ver¬<lb/> hältnisse in Deutschland und Frankreich! In Deutschland der immer zunehmende<lb/> Verfall des Königtums, das vor der rücksichtslos sich ausbildenden Territorial¬<lb/> herrschaft stets weiter zurückgedrängt wird. In Frankreich trotz des Krieges<lb/> mit England auf Leben oder Tod. trotz der nie ganz aufhörenden inneren Un¬<lb/> ruhen die immer steigende Kraft der Monarchie. Führt auch der König nicht<lb/> selbst das Steuer, so fährt doch die Regierungsmaschine unverwandt auf das<lb/> Ziel los, das seit den Tagen Sugers von Saint-Denis den französischen<lb/> Staatsmännern vor Augen schwebt. In jenen Tagen, da ein Wahnsinniger</p><lb/> <note xml:id="FID_53" place="foot"> Böhmen.</note><lb/> <note xml:id="FID_54" place="foot"> Wohl gleich verreckt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0153]
Wie das Deutsche Reich die Niederlande verlor
Eins chaiserS bez hab wir tzü abkam,
Eins Pabst tzü viel auf erden.
klagt ein Dichter jener Tage, Peter Sucherwirt. Und an einer anderen Stelle
heißt es:
In Pehem") mawst der adalar,
Hat er icht schier gerekchet.*^)
Und mit Recht. Wer merkte damals noch etwas von dem kaiser¬
lichen Aar?
, Mit Ingrimm beobachtete man in Deutschland diese traurigen Verhältnisse,
sah man, wie sich Frankreich in den Vordergrund drängte und nicht nur in
Sachen des Schisma, sondern auch in weltlichen Dingen die Leitung für sich
beanspruchte. Eine Denkschrift, die damals am Heidelberger Hofe entstand,
gibt die Mißstimmung weiter Kreise gut wieder. Der Verfasser versteigt sich
sogar zu der Behauptung, daß bei dem Ausbruch der Kirchenspaltung der
französische König mit dem Gedanken gespielt habe, sich selbst die Tiara, dem
Sohne die Kaiserkrone zu verschaffen.
Mit Groll verfolgte man das dreiste Vorgehen der Franzosen, die sich
cillerwärts auf Deutschlands Kosten bereicherten, im Norden und im Süden.
Mit welchem Rechte wurde in Verdun das Lilienbanner gehißt, mit welchem
Recht an der ligurischen Küste in Genua? Sollten jetzt auch noch Brabant
und Limburg den Deutschen verloren gehen? Voller Mißtrauen hörte man,
daß König Wenzel in jener Zeit mit Frankreichs König in Reims zusammen¬
traf (1398).
Ein seltsames Bild: ein Trunkenbold und ein Geisteskranker begegneten sich.
Die Franzosen wahrten die Form. Vorsichtig waren Tage ausgesucht, an denen
König Karl der Sechste keine Anfälle zu befürchten hatte. Aber die Deutschen?
König Wenzel hatte auf den Zechgelagen den köstlichen französischen Weinen
so kräftig zugesprochen, daß er „vollen Bauches" schlief und zum Entsetzen der
Franzosen nicht geweckt werden konnte, als die Besprechung der Könige statt¬
finden sollte. Sie wurde an einem anderen Tage, nach einem Festmahl von
vierzig Gängen nachgeholt.
Wie deutlich wurde damals in Neinis der Unterschied der staatlichen Ver¬
hältnisse in Deutschland und Frankreich! In Deutschland der immer zunehmende
Verfall des Königtums, das vor der rücksichtslos sich ausbildenden Territorial¬
herrschaft stets weiter zurückgedrängt wird. In Frankreich trotz des Krieges
mit England auf Leben oder Tod. trotz der nie ganz aufhörenden inneren Un¬
ruhen die immer steigende Kraft der Monarchie. Führt auch der König nicht
selbst das Steuer, so fährt doch die Regierungsmaschine unverwandt auf das
Ziel los, das seit den Tagen Sugers von Saint-Denis den französischen
Staatsmännern vor Augen schwebt. In jenen Tagen, da ein Wahnsinniger
Böhmen.
Wohl gleich verreckt.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |