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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Kampf der Deutschen gegen die Fremdwörter

abhängig gewesen ist. Kultur und Sprachentwicklung stehen in innerem Zu¬
sammenhang: das Neugefundene, Neuentdeckte, im Fortschritt der Kultur neu
in die Erscheinung tretende muß seinen sprachlichen Ausdruck finden. Die über¬
legene Kultur eines Volkes wird andere Völker kulturell und damit auch sprach¬
lich beeinflussen. So sind dann im Mittelalter in der Zeit der Staufen aus
dem Französischen, während der Renaissance aus dem Lateinischen eine über¬
große Anzahl fremdländischer Wörter in die deutsche Sprache eingedrungen,
und die zeitweise führende Stellung Frankreichs in der Literaten, in der Politik,
ja in der Kultur im allgemeinen hat dann noch einmal während und nach
der Regierung Ludwigs des Vierzehnten und im Verlauf der französischen
Revolution und Aufklärung kulturell und damit auch sprachlich stark auf uns
eingewirkt.

Gering ist im Vergleich mit dem Lateinischen und Französischen der
Einfluß der anderen Kultursprachen: des Italienischen für die Sprache der
Musik und des Handelslebens, des Englischen vornehmlich sür die Sprache des
Sports. Der russischen Sprache, anderen slawischen oder überseeischen Sprachen
haben wir nur sehr wenige Ausdrücke entnommen. So ist der Kampf gegen die
Fremdwörter im wesentlichen ein Kampf gegen französische oder aus dem
Lateinischen oft durch Vermittlung des Französischen zu uns kommende
romanische Ausdrücke.

Hierbei darf nun nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein unparteiisches
Zurückblicken auf die geschichtliche Entwicklung unseres Wortschatzes zeigt, daß
zwar durch Aufnehmen fremden Sprachgutes manches alte, echte Wort leider
verloren gegangen ist, daß jedoch im allgemeinen durch das neuaufgenommene
Fremdwort, das allmählich Bürgerrecht erlangt hat, eine wertvolle Bereicherung
des Sprachschatzes erfolgt ist. Somit müssen wir auch den Wörtern gegenüber,
die uns noch als durchaus fremdartig anmuten, prüfen, ob wir ihnen nicht
Aufnahme gewähren sollen, weil, wenn wir sie verdrängen, wir einen Sprach¬
verlust erleiden, den wir mit eigenen sprachlichen Mitteln nicht ersetzen können.
Alle Sprachen bereichern sich an fremdem Sprachgut. Nur muß eben der
Fremdling nicht nur als Fremder Ausnahme finden, sondern er muß mit der
Zeit Bürger und heimisch werden, das heißt das Fremdwort muß in seinem
Schrift- und Lautbild, sowie in allen seinen sprachlichen Abwandlungen wie
ein deutsches Wort derselben Klasse behandelt werden. Alle Kultursprachen
haben zum Beispiel das Wort "Hotel" neben Sonderbezeichnungen, die in
ihrer Bedeutung etwa unserem "Gasthof" entsprechen. Weshalb sollen wir das
Wort "Hotel" ausmerzen? Hier, wie so oft. füllt das Fremdwort eine be¬
stehende Lücke, es gibt eine gewisse Abtönung, eine Bedeutungsschattierung,
für die zunächst kein Wortbild vorhanden ist, und ohne weiteres nicht geschaffen
werden kann (oder etwa "Fremdenhof"??). Nur muß, wie bereits bemerkt,
das Fremdwort zum deutschen Wort gewandelt werden: wir müssen Hotel
schreiben, ohne Akzent, und es sprechen wie ein deutsches Wort, also mit lautem "h"


Der Kampf der Deutschen gegen die Fremdwörter

abhängig gewesen ist. Kultur und Sprachentwicklung stehen in innerem Zu¬
sammenhang: das Neugefundene, Neuentdeckte, im Fortschritt der Kultur neu
in die Erscheinung tretende muß seinen sprachlichen Ausdruck finden. Die über¬
legene Kultur eines Volkes wird andere Völker kulturell und damit auch sprach¬
lich beeinflussen. So sind dann im Mittelalter in der Zeit der Staufen aus
dem Französischen, während der Renaissance aus dem Lateinischen eine über¬
große Anzahl fremdländischer Wörter in die deutsche Sprache eingedrungen,
und die zeitweise führende Stellung Frankreichs in der Literaten, in der Politik,
ja in der Kultur im allgemeinen hat dann noch einmal während und nach
der Regierung Ludwigs des Vierzehnten und im Verlauf der französischen
Revolution und Aufklärung kulturell und damit auch sprachlich stark auf uns
eingewirkt.

Gering ist im Vergleich mit dem Lateinischen und Französischen der
Einfluß der anderen Kultursprachen: des Italienischen für die Sprache der
Musik und des Handelslebens, des Englischen vornehmlich sür die Sprache des
Sports. Der russischen Sprache, anderen slawischen oder überseeischen Sprachen
haben wir nur sehr wenige Ausdrücke entnommen. So ist der Kampf gegen die
Fremdwörter im wesentlichen ein Kampf gegen französische oder aus dem
Lateinischen oft durch Vermittlung des Französischen zu uns kommende
romanische Ausdrücke.

Hierbei darf nun nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein unparteiisches
Zurückblicken auf die geschichtliche Entwicklung unseres Wortschatzes zeigt, daß
zwar durch Aufnehmen fremden Sprachgutes manches alte, echte Wort leider
verloren gegangen ist, daß jedoch im allgemeinen durch das neuaufgenommene
Fremdwort, das allmählich Bürgerrecht erlangt hat, eine wertvolle Bereicherung
des Sprachschatzes erfolgt ist. Somit müssen wir auch den Wörtern gegenüber,
die uns noch als durchaus fremdartig anmuten, prüfen, ob wir ihnen nicht
Aufnahme gewähren sollen, weil, wenn wir sie verdrängen, wir einen Sprach¬
verlust erleiden, den wir mit eigenen sprachlichen Mitteln nicht ersetzen können.
Alle Sprachen bereichern sich an fremdem Sprachgut. Nur muß eben der
Fremdling nicht nur als Fremder Ausnahme finden, sondern er muß mit der
Zeit Bürger und heimisch werden, das heißt das Fremdwort muß in seinem
Schrift- und Lautbild, sowie in allen seinen sprachlichen Abwandlungen wie
ein deutsches Wort derselben Klasse behandelt werden. Alle Kultursprachen
haben zum Beispiel das Wort „Hotel" neben Sonderbezeichnungen, die in
ihrer Bedeutung etwa unserem „Gasthof" entsprechen. Weshalb sollen wir das
Wort „Hotel" ausmerzen? Hier, wie so oft. füllt das Fremdwort eine be¬
stehende Lücke, es gibt eine gewisse Abtönung, eine Bedeutungsschattierung,
für die zunächst kein Wortbild vorhanden ist, und ohne weiteres nicht geschaffen
werden kann (oder etwa „Fremdenhof"??). Nur muß, wie bereits bemerkt,
das Fremdwort zum deutschen Wort gewandelt werden: wir müssen Hotel
schreiben, ohne Akzent, und es sprechen wie ein deutsches Wort, also mit lautem „h"


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[0134] Der Kampf der Deutschen gegen die Fremdwörter abhängig gewesen ist. Kultur und Sprachentwicklung stehen in innerem Zu¬ sammenhang: das Neugefundene, Neuentdeckte, im Fortschritt der Kultur neu in die Erscheinung tretende muß seinen sprachlichen Ausdruck finden. Die über¬ legene Kultur eines Volkes wird andere Völker kulturell und damit auch sprach¬ lich beeinflussen. So sind dann im Mittelalter in der Zeit der Staufen aus dem Französischen, während der Renaissance aus dem Lateinischen eine über¬ große Anzahl fremdländischer Wörter in die deutsche Sprache eingedrungen, und die zeitweise führende Stellung Frankreichs in der Literaten, in der Politik, ja in der Kultur im allgemeinen hat dann noch einmal während und nach der Regierung Ludwigs des Vierzehnten und im Verlauf der französischen Revolution und Aufklärung kulturell und damit auch sprachlich stark auf uns eingewirkt. Gering ist im Vergleich mit dem Lateinischen und Französischen der Einfluß der anderen Kultursprachen: des Italienischen für die Sprache der Musik und des Handelslebens, des Englischen vornehmlich sür die Sprache des Sports. Der russischen Sprache, anderen slawischen oder überseeischen Sprachen haben wir nur sehr wenige Ausdrücke entnommen. So ist der Kampf gegen die Fremdwörter im wesentlichen ein Kampf gegen französische oder aus dem Lateinischen oft durch Vermittlung des Französischen zu uns kommende romanische Ausdrücke. Hierbei darf nun nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein unparteiisches Zurückblicken auf die geschichtliche Entwicklung unseres Wortschatzes zeigt, daß zwar durch Aufnehmen fremden Sprachgutes manches alte, echte Wort leider verloren gegangen ist, daß jedoch im allgemeinen durch das neuaufgenommene Fremdwort, das allmählich Bürgerrecht erlangt hat, eine wertvolle Bereicherung des Sprachschatzes erfolgt ist. Somit müssen wir auch den Wörtern gegenüber, die uns noch als durchaus fremdartig anmuten, prüfen, ob wir ihnen nicht Aufnahme gewähren sollen, weil, wenn wir sie verdrängen, wir einen Sprach¬ verlust erleiden, den wir mit eigenen sprachlichen Mitteln nicht ersetzen können. Alle Sprachen bereichern sich an fremdem Sprachgut. Nur muß eben der Fremdling nicht nur als Fremder Ausnahme finden, sondern er muß mit der Zeit Bürger und heimisch werden, das heißt das Fremdwort muß in seinem Schrift- und Lautbild, sowie in allen seinen sprachlichen Abwandlungen wie ein deutsches Wort derselben Klasse behandelt werden. Alle Kultursprachen haben zum Beispiel das Wort „Hotel" neben Sonderbezeichnungen, die in ihrer Bedeutung etwa unserem „Gasthof" entsprechen. Weshalb sollen wir das Wort „Hotel" ausmerzen? Hier, wie so oft. füllt das Fremdwort eine be¬ stehende Lücke, es gibt eine gewisse Abtönung, eine Bedeutungsschattierung, für die zunächst kein Wortbild vorhanden ist, und ohne weiteres nicht geschaffen werden kann (oder etwa „Fremdenhof"??). Nur muß, wie bereits bemerkt, das Fremdwort zum deutschen Wort gewandelt werden: wir müssen Hotel schreiben, ohne Akzent, und es sprechen wie ein deutsches Wort, also mit lautem „h"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/134>, abgerufen am 22.07.2024.