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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die kommende Wohnungsnot

Die 'Vorschläge zur Hebung der augenblicklichen und noch bevor¬
stehenden Kleinwohnungsnot, sind mannigfach. Im allgemeinen kann mau
wohl die nachfolgenden angeregten Maßnahmen als zweckentsprechend an¬
sehen: Um dem Grundübel, dem überlasteten Bodenpreise abzuhelfen und die
Preissätze der Parasiten auf dem Jmmobilienmarkte auszuschließen, ist von feiten
des Reiches, des Staates und der Kommunen eine sofortige verkehrliche und
bauliche Erschließung öffentlicher Gelände zu billigen Baulandpreisen. Bau¬
bewilligung für dem Verkehr noch nicht übergebene Gelände, eine Unterstützung
der Bauverbände oder einzelner Bauherrn im Wege von Darlehen und Er¬
leichterung der Hvpothekenbeschaffmig, sowie Baugeldbeschaffung durch die
Gründung entsprechender Gesellschaften auf privatwirtschaftlicher Basis durch das
Reich, den Staat oder die Gemeinden anzubahnen. Dazu käme ein unterstützendes
Entgegenkommen der Kommunen allen gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und
Vereinen gegenüber. Ohne eine Unterstützung der gemeinnützigen privaten und
namentlich der genossenschaftlichen Bautätigkeit auf jedem möglichen Wege
wird die Bautätigkeit auch nach dem Kriege den so dringend notwendigen
Aufgaben nicht zuzuführen sein. Die Leistungen der gemeinnützigen Bautätig¬
keit treten in Frankfurt a. M. am klarsten zutage. 1870 waren in Frankfurt
a. M. 161 Wohnhäuser durch gemeinnützige Bautätigkeit hergestellt, 1915 waren
es 6809 Wohnhäuser. Wenn auch die Bodenmonopolstellung durch diese Ma߬
nahmen nicht überwunden werden können, so wird doch eine momentane Bau¬
tätigkeit erreicht werden, auf die es im Augenblick des Friedens ankommt.
Durch eine staatliche und städtische günstige Verkehrs- und Tartfpolitik könnte
erreicht werden, daß ein erweitertes "Außenwohnen" der Arbeiterfamilien zur
Entlastung der Großstädte ermöglicht wird. Nur ungenügende Verbindungen
und teure Verkehrsmöglichkeiten halten manch eine Unterbeamten- und An-
gestelltenfamile davon ab, in Vorstädten zu wohnen. Für Städte wie Ham¬
burg, Leipzig. Dresden, Halle, wäre hier eine starke Entlastung für Klein¬
wohnungen zu erreichen. Die Hergabe billigen Baulandes ermöglicht eine
Rentabilität auch für Kleinwohnungen. Vorgeschossene Baugelder auf kommu¬
nalen oder staatlichem Wege mit dem Zwange des Kleinwohnungsbaues unter¬
binden den spekulativen Willen zum Großbau, die pekuniäre Begünstigung der
Wohnungsgesellschaften mit ihren ausgeprägten Klembautendenzen bringt der
Bodenspekulation eine heilsame Konkurrenz. Auch auf den Erbbau sollte man
mehr Rücksicht nehmen, diese ^Bestrebungen vor allen Dingen weit mehr in die
öffentlichen Kreise hineintragen.

Unseren Frauen aber mag nunmehr zugerufen werden, nicht bis zum
Friedensabschlusse mit dem Mieter einer Wohnung zu warten, sofern es sich
um den Bezug einer Klein- und Mittelwohnung handelt. Unsere kriegsgetrauten
jungen Frauen wollen naturgemäß die erste Heimstätte nur unter Beratung
ihres Mannes und unter seiner Assistenz wählen. So begreiflich und
unter Umständen zweckentsprechend eine solche Handlungsweise auch ist.


Die kommende Wohnungsnot

Die 'Vorschläge zur Hebung der augenblicklichen und noch bevor¬
stehenden Kleinwohnungsnot, sind mannigfach. Im allgemeinen kann mau
wohl die nachfolgenden angeregten Maßnahmen als zweckentsprechend an¬
sehen: Um dem Grundübel, dem überlasteten Bodenpreise abzuhelfen und die
Preissätze der Parasiten auf dem Jmmobilienmarkte auszuschließen, ist von feiten
des Reiches, des Staates und der Kommunen eine sofortige verkehrliche und
bauliche Erschließung öffentlicher Gelände zu billigen Baulandpreisen. Bau¬
bewilligung für dem Verkehr noch nicht übergebene Gelände, eine Unterstützung
der Bauverbände oder einzelner Bauherrn im Wege von Darlehen und Er¬
leichterung der Hvpothekenbeschaffmig, sowie Baugeldbeschaffung durch die
Gründung entsprechender Gesellschaften auf privatwirtschaftlicher Basis durch das
Reich, den Staat oder die Gemeinden anzubahnen. Dazu käme ein unterstützendes
Entgegenkommen der Kommunen allen gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und
Vereinen gegenüber. Ohne eine Unterstützung der gemeinnützigen privaten und
namentlich der genossenschaftlichen Bautätigkeit auf jedem möglichen Wege
wird die Bautätigkeit auch nach dem Kriege den so dringend notwendigen
Aufgaben nicht zuzuführen sein. Die Leistungen der gemeinnützigen Bautätig¬
keit treten in Frankfurt a. M. am klarsten zutage. 1870 waren in Frankfurt
a. M. 161 Wohnhäuser durch gemeinnützige Bautätigkeit hergestellt, 1915 waren
es 6809 Wohnhäuser. Wenn auch die Bodenmonopolstellung durch diese Ma߬
nahmen nicht überwunden werden können, so wird doch eine momentane Bau¬
tätigkeit erreicht werden, auf die es im Augenblick des Friedens ankommt.
Durch eine staatliche und städtische günstige Verkehrs- und Tartfpolitik könnte
erreicht werden, daß ein erweitertes „Außenwohnen" der Arbeiterfamilien zur
Entlastung der Großstädte ermöglicht wird. Nur ungenügende Verbindungen
und teure Verkehrsmöglichkeiten halten manch eine Unterbeamten- und An-
gestelltenfamile davon ab, in Vorstädten zu wohnen. Für Städte wie Ham¬
burg, Leipzig. Dresden, Halle, wäre hier eine starke Entlastung für Klein¬
wohnungen zu erreichen. Die Hergabe billigen Baulandes ermöglicht eine
Rentabilität auch für Kleinwohnungen. Vorgeschossene Baugelder auf kommu¬
nalen oder staatlichem Wege mit dem Zwange des Kleinwohnungsbaues unter¬
binden den spekulativen Willen zum Großbau, die pekuniäre Begünstigung der
Wohnungsgesellschaften mit ihren ausgeprägten Klembautendenzen bringt der
Bodenspekulation eine heilsame Konkurrenz. Auch auf den Erbbau sollte man
mehr Rücksicht nehmen, diese ^Bestrebungen vor allen Dingen weit mehr in die
öffentlichen Kreise hineintragen.

Unseren Frauen aber mag nunmehr zugerufen werden, nicht bis zum
Friedensabschlusse mit dem Mieter einer Wohnung zu warten, sofern es sich
um den Bezug einer Klein- und Mittelwohnung handelt. Unsere kriegsgetrauten
jungen Frauen wollen naturgemäß die erste Heimstätte nur unter Beratung
ihres Mannes und unter seiner Assistenz wählen. So begreiflich und
unter Umständen zweckentsprechend eine solche Handlungsweise auch ist.


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[0130] Die kommende Wohnungsnot Die 'Vorschläge zur Hebung der augenblicklichen und noch bevor¬ stehenden Kleinwohnungsnot, sind mannigfach. Im allgemeinen kann mau wohl die nachfolgenden angeregten Maßnahmen als zweckentsprechend an¬ sehen: Um dem Grundübel, dem überlasteten Bodenpreise abzuhelfen und die Preissätze der Parasiten auf dem Jmmobilienmarkte auszuschließen, ist von feiten des Reiches, des Staates und der Kommunen eine sofortige verkehrliche und bauliche Erschließung öffentlicher Gelände zu billigen Baulandpreisen. Bau¬ bewilligung für dem Verkehr noch nicht übergebene Gelände, eine Unterstützung der Bauverbände oder einzelner Bauherrn im Wege von Darlehen und Er¬ leichterung der Hvpothekenbeschaffmig, sowie Baugeldbeschaffung durch die Gründung entsprechender Gesellschaften auf privatwirtschaftlicher Basis durch das Reich, den Staat oder die Gemeinden anzubahnen. Dazu käme ein unterstützendes Entgegenkommen der Kommunen allen gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und Vereinen gegenüber. Ohne eine Unterstützung der gemeinnützigen privaten und namentlich der genossenschaftlichen Bautätigkeit auf jedem möglichen Wege wird die Bautätigkeit auch nach dem Kriege den so dringend notwendigen Aufgaben nicht zuzuführen sein. Die Leistungen der gemeinnützigen Bautätig¬ keit treten in Frankfurt a. M. am klarsten zutage. 1870 waren in Frankfurt a. M. 161 Wohnhäuser durch gemeinnützige Bautätigkeit hergestellt, 1915 waren es 6809 Wohnhäuser. Wenn auch die Bodenmonopolstellung durch diese Ma߬ nahmen nicht überwunden werden können, so wird doch eine momentane Bau¬ tätigkeit erreicht werden, auf die es im Augenblick des Friedens ankommt. Durch eine staatliche und städtische günstige Verkehrs- und Tartfpolitik könnte erreicht werden, daß ein erweitertes „Außenwohnen" der Arbeiterfamilien zur Entlastung der Großstädte ermöglicht wird. Nur ungenügende Verbindungen und teure Verkehrsmöglichkeiten halten manch eine Unterbeamten- und An- gestelltenfamile davon ab, in Vorstädten zu wohnen. Für Städte wie Ham¬ burg, Leipzig. Dresden, Halle, wäre hier eine starke Entlastung für Klein¬ wohnungen zu erreichen. Die Hergabe billigen Baulandes ermöglicht eine Rentabilität auch für Kleinwohnungen. Vorgeschossene Baugelder auf kommu¬ nalen oder staatlichem Wege mit dem Zwange des Kleinwohnungsbaues unter¬ binden den spekulativen Willen zum Großbau, die pekuniäre Begünstigung der Wohnungsgesellschaften mit ihren ausgeprägten Klembautendenzen bringt der Bodenspekulation eine heilsame Konkurrenz. Auch auf den Erbbau sollte man mehr Rücksicht nehmen, diese ^Bestrebungen vor allen Dingen weit mehr in die öffentlichen Kreise hineintragen. Unseren Frauen aber mag nunmehr zugerufen werden, nicht bis zum Friedensabschlusse mit dem Mieter einer Wohnung zu warten, sofern es sich um den Bezug einer Klein- und Mittelwohnung handelt. Unsere kriegsgetrauten jungen Frauen wollen naturgemäß die erste Heimstätte nur unter Beratung ihres Mannes und unter seiner Assistenz wählen. So begreiflich und unter Umständen zweckentsprechend eine solche Handlungsweise auch ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/130>, abgerufen am 22.07.2024.