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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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T>le kommende Wohnungsnot
Dr. Bnetz von

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ZMme der vielfachen wirtschaftlichen Folgen des Krieges ist der fast
völlige Stillstand des Baumarktes; überall sind starke Einschrän¬
kungen der Bautätigkeit, insbesondere der privaten Bautätigkeit
zu hundelt. An der Hand der Baustatistiken ist dieser Vorgang ein¬
wandfrei nachzuprüfen. Der Zugang an neuerbauten Wohnungen
im Großherzogtum Baden betrug nach der Erhebung bei Gemeinden über Tausend
Einwohnern für das Jahr 1914 nur 1859 Wohngebäude. Von diesen 1859
Neubauten entstanden vom Januar bis zum August 76.9 Prozent, in den
folgenden Kriegsmonateu nur 20 Prozent des Reinzuwachses an Wohnungen.
Für Bayern liegen Zahlen von Nürnberg vor. Hier sind bei dem Banane in
den Kriegsmonaten nach Meldung der Kommunalen Praxis, vom August 1914
bis zum Februar 1915 nur 818 Baugesuche gegen 1744 zur gleichen Zeit im
Jahre 1913 eingegangen. Nach der Sonderbeilage des Reichsarbeitsblattes den
Wohnungsmarkt betreffend, war der Gesamtzugang an neuen Wohnungen im
Jahre 1914 in 72 bei der Erhebung erfaßten Städten um 1963 Gebäude
geringer, als im Zeitraum 1915. Die Darstellung zeigt, daß infolge des
Krieges das Jahr 1914 mit einer weiteren Verschlechterung der Verhältnisse aus
dem Wohnungsmarkt abgeschlossen hat.

Die durch den Krieg naturgemäß hervorgerufene Einschränkung an Wohnungs¬
neubauten würde nicht so erschwerend wirken, wenn die Wohnungsverhältnisse
vor dem Kriege nicht schon recht mißliche gewesen wären. Man erinnert sich wohl
der viel erörterten Kleiuwohnungsfrage vor dem Ausbruche des Weltbrandes
anläßlich des am 8. Januar 1914 dem Abgeordnetenhause zugegangenen
Wohnungsgesetzes. Die Frage der Vermehrung an Kleinwohnungen trat hierbei
stark in den Vordergrund und eine lange und anhaltende Zeitungspolemik
beleuchtete die Mängel auf dem Kleinwohnungsmarkt in aller Ausführlichkeit
und Deutlichkeit. Der Anteil an Kleinwohnungen ist seit Jahren zu gering, denn
die Bodenpreise machen die Forderung von Kleinwohnungen zur kapitalistischen
Utopie, da der Ausgangspunkt der baulichen Unternehmerspekulation die wahr¬
scheinlich erreichbare Höhe der Miete ist; künstlich wird der überlastete Bodenpreis
in der Miete gehalten und zur Umsetzung dieses Prinzipes benötigt die Spekulation
ein Zusammenwirken von Platzausnutzung und Luxusmieten, beides aber ist nur




T>le kommende Wohnungsnot
Dr. Bnetz von

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ZMme der vielfachen wirtschaftlichen Folgen des Krieges ist der fast
völlige Stillstand des Baumarktes; überall sind starke Einschrän¬
kungen der Bautätigkeit, insbesondere der privaten Bautätigkeit
zu hundelt. An der Hand der Baustatistiken ist dieser Vorgang ein¬
wandfrei nachzuprüfen. Der Zugang an neuerbauten Wohnungen
im Großherzogtum Baden betrug nach der Erhebung bei Gemeinden über Tausend
Einwohnern für das Jahr 1914 nur 1859 Wohngebäude. Von diesen 1859
Neubauten entstanden vom Januar bis zum August 76.9 Prozent, in den
folgenden Kriegsmonateu nur 20 Prozent des Reinzuwachses an Wohnungen.
Für Bayern liegen Zahlen von Nürnberg vor. Hier sind bei dem Banane in
den Kriegsmonaten nach Meldung der Kommunalen Praxis, vom August 1914
bis zum Februar 1915 nur 818 Baugesuche gegen 1744 zur gleichen Zeit im
Jahre 1913 eingegangen. Nach der Sonderbeilage des Reichsarbeitsblattes den
Wohnungsmarkt betreffend, war der Gesamtzugang an neuen Wohnungen im
Jahre 1914 in 72 bei der Erhebung erfaßten Städten um 1963 Gebäude
geringer, als im Zeitraum 1915. Die Darstellung zeigt, daß infolge des
Krieges das Jahr 1914 mit einer weiteren Verschlechterung der Verhältnisse aus
dem Wohnungsmarkt abgeschlossen hat.

Die durch den Krieg naturgemäß hervorgerufene Einschränkung an Wohnungs¬
neubauten würde nicht so erschwerend wirken, wenn die Wohnungsverhältnisse
vor dem Kriege nicht schon recht mißliche gewesen wären. Man erinnert sich wohl
der viel erörterten Kleiuwohnungsfrage vor dem Ausbruche des Weltbrandes
anläßlich des am 8. Januar 1914 dem Abgeordnetenhause zugegangenen
Wohnungsgesetzes. Die Frage der Vermehrung an Kleinwohnungen trat hierbei
stark in den Vordergrund und eine lange und anhaltende Zeitungspolemik
beleuchtete die Mängel auf dem Kleinwohnungsmarkt in aller Ausführlichkeit
und Deutlichkeit. Der Anteil an Kleinwohnungen ist seit Jahren zu gering, denn
die Bodenpreise machen die Forderung von Kleinwohnungen zur kapitalistischen
Utopie, da der Ausgangspunkt der baulichen Unternehmerspekulation die wahr¬
scheinlich erreichbare Höhe der Miete ist; künstlich wird der überlastete Bodenpreis
in der Miete gehalten und zur Umsetzung dieses Prinzipes benötigt die Spekulation
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[0124] [Abbildung] T>le kommende Wohnungsnot Dr. Bnetz von le ZMme der vielfachen wirtschaftlichen Folgen des Krieges ist der fast völlige Stillstand des Baumarktes; überall sind starke Einschrän¬ kungen der Bautätigkeit, insbesondere der privaten Bautätigkeit zu hundelt. An der Hand der Baustatistiken ist dieser Vorgang ein¬ wandfrei nachzuprüfen. Der Zugang an neuerbauten Wohnungen im Großherzogtum Baden betrug nach der Erhebung bei Gemeinden über Tausend Einwohnern für das Jahr 1914 nur 1859 Wohngebäude. Von diesen 1859 Neubauten entstanden vom Januar bis zum August 76.9 Prozent, in den folgenden Kriegsmonateu nur 20 Prozent des Reinzuwachses an Wohnungen. Für Bayern liegen Zahlen von Nürnberg vor. Hier sind bei dem Banane in den Kriegsmonaten nach Meldung der Kommunalen Praxis, vom August 1914 bis zum Februar 1915 nur 818 Baugesuche gegen 1744 zur gleichen Zeit im Jahre 1913 eingegangen. Nach der Sonderbeilage des Reichsarbeitsblattes den Wohnungsmarkt betreffend, war der Gesamtzugang an neuen Wohnungen im Jahre 1914 in 72 bei der Erhebung erfaßten Städten um 1963 Gebäude geringer, als im Zeitraum 1915. Die Darstellung zeigt, daß infolge des Krieges das Jahr 1914 mit einer weiteren Verschlechterung der Verhältnisse aus dem Wohnungsmarkt abgeschlossen hat. Die durch den Krieg naturgemäß hervorgerufene Einschränkung an Wohnungs¬ neubauten würde nicht so erschwerend wirken, wenn die Wohnungsverhältnisse vor dem Kriege nicht schon recht mißliche gewesen wären. Man erinnert sich wohl der viel erörterten Kleiuwohnungsfrage vor dem Ausbruche des Weltbrandes anläßlich des am 8. Januar 1914 dem Abgeordnetenhause zugegangenen Wohnungsgesetzes. Die Frage der Vermehrung an Kleinwohnungen trat hierbei stark in den Vordergrund und eine lange und anhaltende Zeitungspolemik beleuchtete die Mängel auf dem Kleinwohnungsmarkt in aller Ausführlichkeit und Deutlichkeit. Der Anteil an Kleinwohnungen ist seit Jahren zu gering, denn die Bodenpreise machen die Forderung von Kleinwohnungen zur kapitalistischen Utopie, da der Ausgangspunkt der baulichen Unternehmerspekulation die wahr¬ scheinlich erreichbare Höhe der Miete ist; künstlich wird der überlastete Bodenpreis in der Miete gehalten und zur Umsetzung dieses Prinzipes benötigt die Spekulation ein Zusammenwirken von Platzausnutzung und Luxusmieten, beides aber ist nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/124>, abgerufen am 22.07.2024.