Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr."wo kommt das Geld her?" erscheint es, als habe sich das deutsche Volksvermögen um die ganze Summe Nun, das Rätsel ist lösbar. Es liegt nicht an den Dingen, sondern an Das Reich brauchte und braucht für die Kriegsführung kein Geld als Selbst¬ Alle diese Güter -- von den Diensten wollen wir der Bequemlichkeit halber Wenn wir die Dinge von diesem Standpunkte aus betrachten, so erkennen Grenzboten III 1916 4
„wo kommt das Geld her?" erscheint es, als habe sich das deutsche Volksvermögen um die ganze Summe Nun, das Rätsel ist lösbar. Es liegt nicht an den Dingen, sondern an Das Reich brauchte und braucht für die Kriegsführung kein Geld als Selbst¬ Alle diese Güter — von den Diensten wollen wir der Bequemlichkeit halber Wenn wir die Dinge von diesem Standpunkte aus betrachten, so erkennen Grenzboten III 1916 4
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„wo kommt das Geld her?"
erscheint es, als habe sich das deutsche Volksvermögen um die ganze Summe
vermindert.
Nun, das Rätsel ist lösbar. Es liegt nicht an den Dingen, sondern an
ihrer Betrachtung. So lange wir „am Faden der Geldbetrachtung" bleiben,
sind volkswirtschaftliche Dinge fast niemals verständlich. Wir müssen uns der
„naturalwirtschaftlichen Anschauung" bedienen, die vom Geldausdruck des Tausch¬
verkehrs grundsätzlich abstrahiert und statt dessen die ausgetauschten Güter (und
„Dienste") unmittelbar ins Auge faßt. Dann ist leicht zu sehen, „woher das
Geld gekommen ist."
Das Reich brauchte und braucht für die Kriegsführung kein Geld als Selbst¬
zweck, sondern nur als das Mittel, um Güter und Dienste zu erwerben. Güter:
Waffen. Munition, Proviant, Automobile mit Zubehör, Werkzeuge, Verbandstoffe
und Arzneien usw.; und „Dienste", unmittelbar geleistete und besoldete Arbeit
der Offiziere. Ärzte, Mannschaften usw. im Kriegsdienste und der Arbeiter und
ihrer Leiter, die hinter der Front Kriegsbedarf herstellen und heranschaffen.
Alle diese Güter — von den Diensten wollen wir der Bequemlichkeit halber
absehen — können auf keine andere Weise zur Verfügung des Reiches gestellt
worden sein als durch „Ersparnis". Sie sind ja „Vorräte", und solche können
nur entstehen, wenn Güter dem augenblicklichen Verzehr entzogen und für andere
Zwecke aufgespart werden.
Wenn wir die Dinge von diesem Standpunkte aus betrachten, so erkennen
wir leicht, daß ein Teil der Güter des Kriegsbedarfs älteren Ersparnissen aus
der Zeit vor dem Kriege verdankt wird. Und zwar fließen hier zwei verschiedene
Quellen. Die eine führte dem Reiche solche Güter unmittelbar zu, die bei
Kriegsausbruch innerhalb Deutschlands in natura für Friedenszwecke als Vorräte
vorhanden waren: Korn, Mehl. Fleisch und Konserven, Wolle, Baumwolle,
Flachs, Leinen und Jute. Kohlen, Salpeter. Cisen, Stahl, Kupfer, Zinn, Zink.
Bronze, Kautschuk, Pferde und Schlachtvieh, Wagen, Geschirre. Automobile
und Pneumatiks usw. Alle diese Vorräte sind zum großen Teil verbraucht
und nur zum kleineren Teil ersetzt worden; der Krieg hat wie eine riesige
Luftpumpe all die ungeheueren Gütermasfen aufgesaugt, die in den Kapillaren
der Zirkulation steckten, in all den unzähligen Speichern, Scheunen, Vorrath--
lagern und Läden der Erzeuger und Wiederverkäufer, der Mehl- und Vorkost'
Händler, der Posamentiere und Schnittwarenhändler usw., ja sogar (Altmetall,
Wolle usw.) in den Vorratskammern der Privathaushaltungen. Würde ganz
Deutschland heute seine Bilanz aufmachen, so würde unter den Aktiven die
Inventur der sämtlichen Warenlager ein Minus von vielen hundert Millionen
gegen das Vorjahr ergeben. Dabei ist zu beachten, daß nicht nur diejenigen
Vorräte verschwunden, mindestens stark verringert sind, die für die unmittelbaren
Kriegszwecke der Militärverwaltung und Truppenernährung verbraucht worden
sind, sondern auch solche, die dem Konsum der Zivilbevölkerung dienten. Vieles
davon konnte aus technischen Gründen nicht ersetzt werden, weil die Handelswege
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