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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Judenfrage nach dem Kriege

Unser Denken geht nur selten und nur bei wenigen auf die letzten logischen
Gesetze zurück, die Antriebe unseres Handelns entspringen nicht immer einer
Erkenntnis der letzten Notwendigkeiten. Wir werden durch Anschauungen,
Gewohnheiten und Ziele geleitet, die wir nicht selbst gebildet haben, feste, start
gefühlsbetonte Begriffe von Recht und Unrecht, von Pflicht und Freiheit, von
Religion, Familie, Vaterland, Gesellschaft usw. bis in die Kleinlichkeiten des
Lebens hinein. Diese Generalbegriffe halten das Denken von Millionen von
Volksgenossen in den gleichen Bahnen, sie bewirken, daß Millionen auf gleiche
Anstöße in der gleichen Weise reagieren, und sie ermöglichen dadurch erst
gemeinsame Handlungen und nationales Leben. Ohne dieses Band würde alles
menschliche Tun in Einzelstrebungen und Eigenbrödelei zerflattern. Oft sind
diese Allgemeinbegriffe überlebt, unsinnig oder schädlich; oft müssen sie über¬
wunden oder ersetzt werden. Aber man kann sie selten ohne Schaden aus¬
merzen, wenn man nicht ihrer Wurzel nachfühlt, ihren berechtigten Teil heraus¬
hebt. Besseres an ihre Stelle setzt, und zu ihrer Kritik gehört eine tiefere Weisen
als die Erkenntnis der allen augenfälligen Zusammenhänge. Und wo sie zu
nichts besserem mehr dienen, sind sie oft noch ein heilsamer Hemmschuh, der
die Entwicklung vor überflüssigen Schwankungen, vor dem Streben in das
Extrem bewahrt. Diese Begriffskomplexe, die man den Geist des Volkes nennen
kann, wurzeln in der ganzen Vergangenheit des Volkes; alles Geschehen politischer,
religiöser, wirtschaftlicher Art hat an ihnen ungeschaffen. Die Juden haben
seit Jahrtausenden ihr eigenes Leben neben dem anderen Volksteil geführt, mit
eigener Religion, eigenen Sitten, eigenem Ethos, eigenen Leiden und eigenen
Idealen, ohne innere Anteilnahme an den Vorgängen unseres nationalen Lebens.
So steht der Jude unseren Allgemeinbegriffen ohne Überlieferung, ohne Ehrfurcht,
ohne tieferes Verständis gegenüber, aber nicht ohne Vorurteil, denn er
bringt seine eigenen unter anderen Bedingungen entstandenen Maßstäbe mit;,
und während er in seiner eigenen Welt durch Jahrtausende die irrationalsten
und hemmendsten Überlieferungen ertragen hat, wird er einer anderen Welt
gegenüber zum einseitigen und oberflächlich rationalen Kritiker. Wenn der Jude
aber, wie das bei denen, die an unseren Kulturfragen mitarbeiten, meist der
Fall ist, mit den eigenen Überlieferungen gebrochen hat, so wird er eist recht
zuni haltlosen Verneiner oder zum hemmungslosen Neuerer. So wird der
jüdische Geist, wenn er in unserem Geistesleben einen matzgebenden Einfluß
gewinnt, zu einem ständigen Antrieb der Zersetzung, nicht weil er minderwertig
ist, sondern weil er anders ist, aber ohne daß er uns aus seiner absterbenden
Ideenwelt neue Werte als Ersatz zuführen könnte. Dieser zersetzende Einfluß,
wirkt umso stärker, als die meisten jüdischen Schriftsteller ihre Stammes¬
zugehörigkeit geflissentlich verbergen -- es gilt ja schon als Antisemitismus
jemand als Juden zu bezeichnen -- während sie sich untereinander sehr wohl
als Juden erkennen. Dabei soll keineswegs geleugnet werden, daß sich viele
Juden ehrlich bemüht haben und bemühen. Anschluß an unser Geistesleben zu


Die Judenfrage nach dem Kriege

Unser Denken geht nur selten und nur bei wenigen auf die letzten logischen
Gesetze zurück, die Antriebe unseres Handelns entspringen nicht immer einer
Erkenntnis der letzten Notwendigkeiten. Wir werden durch Anschauungen,
Gewohnheiten und Ziele geleitet, die wir nicht selbst gebildet haben, feste, start
gefühlsbetonte Begriffe von Recht und Unrecht, von Pflicht und Freiheit, von
Religion, Familie, Vaterland, Gesellschaft usw. bis in die Kleinlichkeiten des
Lebens hinein. Diese Generalbegriffe halten das Denken von Millionen von
Volksgenossen in den gleichen Bahnen, sie bewirken, daß Millionen auf gleiche
Anstöße in der gleichen Weise reagieren, und sie ermöglichen dadurch erst
gemeinsame Handlungen und nationales Leben. Ohne dieses Band würde alles
menschliche Tun in Einzelstrebungen und Eigenbrödelei zerflattern. Oft sind
diese Allgemeinbegriffe überlebt, unsinnig oder schädlich; oft müssen sie über¬
wunden oder ersetzt werden. Aber man kann sie selten ohne Schaden aus¬
merzen, wenn man nicht ihrer Wurzel nachfühlt, ihren berechtigten Teil heraus¬
hebt. Besseres an ihre Stelle setzt, und zu ihrer Kritik gehört eine tiefere Weisen
als die Erkenntnis der allen augenfälligen Zusammenhänge. Und wo sie zu
nichts besserem mehr dienen, sind sie oft noch ein heilsamer Hemmschuh, der
die Entwicklung vor überflüssigen Schwankungen, vor dem Streben in das
Extrem bewahrt. Diese Begriffskomplexe, die man den Geist des Volkes nennen
kann, wurzeln in der ganzen Vergangenheit des Volkes; alles Geschehen politischer,
religiöser, wirtschaftlicher Art hat an ihnen ungeschaffen. Die Juden haben
seit Jahrtausenden ihr eigenes Leben neben dem anderen Volksteil geführt, mit
eigener Religion, eigenen Sitten, eigenem Ethos, eigenen Leiden und eigenen
Idealen, ohne innere Anteilnahme an den Vorgängen unseres nationalen Lebens.
So steht der Jude unseren Allgemeinbegriffen ohne Überlieferung, ohne Ehrfurcht,
ohne tieferes Verständis gegenüber, aber nicht ohne Vorurteil, denn er
bringt seine eigenen unter anderen Bedingungen entstandenen Maßstäbe mit;,
und während er in seiner eigenen Welt durch Jahrtausende die irrationalsten
und hemmendsten Überlieferungen ertragen hat, wird er einer anderen Welt
gegenüber zum einseitigen und oberflächlich rationalen Kritiker. Wenn der Jude
aber, wie das bei denen, die an unseren Kulturfragen mitarbeiten, meist der
Fall ist, mit den eigenen Überlieferungen gebrochen hat, so wird er eist recht
zuni haltlosen Verneiner oder zum hemmungslosen Neuerer. So wird der
jüdische Geist, wenn er in unserem Geistesleben einen matzgebenden Einfluß
gewinnt, zu einem ständigen Antrieb der Zersetzung, nicht weil er minderwertig
ist, sondern weil er anders ist, aber ohne daß er uns aus seiner absterbenden
Ideenwelt neue Werte als Ersatz zuführen könnte. Dieser zersetzende Einfluß,
wirkt umso stärker, als die meisten jüdischen Schriftsteller ihre Stammes¬
zugehörigkeit geflissentlich verbergen — es gilt ja schon als Antisemitismus
jemand als Juden zu bezeichnen — während sie sich untereinander sehr wohl
als Juden erkennen. Dabei soll keineswegs geleugnet werden, daß sich viele
Juden ehrlich bemüht haben und bemühen. Anschluß an unser Geistesleben zu


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[0411] Die Judenfrage nach dem Kriege Unser Denken geht nur selten und nur bei wenigen auf die letzten logischen Gesetze zurück, die Antriebe unseres Handelns entspringen nicht immer einer Erkenntnis der letzten Notwendigkeiten. Wir werden durch Anschauungen, Gewohnheiten und Ziele geleitet, die wir nicht selbst gebildet haben, feste, start gefühlsbetonte Begriffe von Recht und Unrecht, von Pflicht und Freiheit, von Religion, Familie, Vaterland, Gesellschaft usw. bis in die Kleinlichkeiten des Lebens hinein. Diese Generalbegriffe halten das Denken von Millionen von Volksgenossen in den gleichen Bahnen, sie bewirken, daß Millionen auf gleiche Anstöße in der gleichen Weise reagieren, und sie ermöglichen dadurch erst gemeinsame Handlungen und nationales Leben. Ohne dieses Band würde alles menschliche Tun in Einzelstrebungen und Eigenbrödelei zerflattern. Oft sind diese Allgemeinbegriffe überlebt, unsinnig oder schädlich; oft müssen sie über¬ wunden oder ersetzt werden. Aber man kann sie selten ohne Schaden aus¬ merzen, wenn man nicht ihrer Wurzel nachfühlt, ihren berechtigten Teil heraus¬ hebt. Besseres an ihre Stelle setzt, und zu ihrer Kritik gehört eine tiefere Weisen als die Erkenntnis der allen augenfälligen Zusammenhänge. Und wo sie zu nichts besserem mehr dienen, sind sie oft noch ein heilsamer Hemmschuh, der die Entwicklung vor überflüssigen Schwankungen, vor dem Streben in das Extrem bewahrt. Diese Begriffskomplexe, die man den Geist des Volkes nennen kann, wurzeln in der ganzen Vergangenheit des Volkes; alles Geschehen politischer, religiöser, wirtschaftlicher Art hat an ihnen ungeschaffen. Die Juden haben seit Jahrtausenden ihr eigenes Leben neben dem anderen Volksteil geführt, mit eigener Religion, eigenen Sitten, eigenem Ethos, eigenen Leiden und eigenen Idealen, ohne innere Anteilnahme an den Vorgängen unseres nationalen Lebens. So steht der Jude unseren Allgemeinbegriffen ohne Überlieferung, ohne Ehrfurcht, ohne tieferes Verständis gegenüber, aber nicht ohne Vorurteil, denn er bringt seine eigenen unter anderen Bedingungen entstandenen Maßstäbe mit;, und während er in seiner eigenen Welt durch Jahrtausende die irrationalsten und hemmendsten Überlieferungen ertragen hat, wird er einer anderen Welt gegenüber zum einseitigen und oberflächlich rationalen Kritiker. Wenn der Jude aber, wie das bei denen, die an unseren Kulturfragen mitarbeiten, meist der Fall ist, mit den eigenen Überlieferungen gebrochen hat, so wird er eist recht zuni haltlosen Verneiner oder zum hemmungslosen Neuerer. So wird der jüdische Geist, wenn er in unserem Geistesleben einen matzgebenden Einfluß gewinnt, zu einem ständigen Antrieb der Zersetzung, nicht weil er minderwertig ist, sondern weil er anders ist, aber ohne daß er uns aus seiner absterbenden Ideenwelt neue Werte als Ersatz zuführen könnte. Dieser zersetzende Einfluß, wirkt umso stärker, als die meisten jüdischen Schriftsteller ihre Stammes¬ zugehörigkeit geflissentlich verbergen — es gilt ja schon als Antisemitismus jemand als Juden zu bezeichnen — während sie sich untereinander sehr wohl als Juden erkennen. Dabei soll keineswegs geleugnet werden, daß sich viele Juden ehrlich bemüht haben und bemühen. Anschluß an unser Geistesleben zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/411>, abgerufen am 23.07.2024.