Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Judenfrage nach dem Kriege

jede Spur einer Organisation, während ihm die Juden nicht nur ihre
Organisationen, sondern auch das natürliche Solidaritätsgefühl der Minderheiten
entgegensetzen. Trotzdem wären ohne den zähen Widerstand dieses Antisemitismus
heute wohl alle höheren Berufe, der Osfiziersberuf nicht allsgenommen, in der¬
selben Weise mit Juden überfüllt, wie etwa der Anwaltsberuf oder der Beruf
des Journalisten. Allein das sind Standesfragen, die das allgemeine Wohl
nicht allzutief berühren, jedenfalls nicht tiefer als die alten Sorgen des Mittelstands¬
antisemitismus, über welche jene Schichten gespottet oder gescholten haben, die
heute die hauptsächlichsten Träger antisemitischer Bewegungen und Gefühle sind.

In einem Punkte aber wird die Judenfrage zu einer nationalen Angelegenheit
von höchster Bedeutung: das ist der Einfluß der Juden auf unser Geistesleben
und unsere öffentliche Meinung. Die Stärke dieses Einflußes beruht nicht auf
wirklich schöpferischen Leistungen -- es begegnet wohl keinen Widerspruch zu
behaupten, daß der Anteil der Juden an solchen Leistungen ihren Anteil an
der Bevölkerung keineswegs übersteigt -->, sondern auf Leistungen, zu denen ein
leidliches Talent sich erziehen kann. Die Nachdenker, die Ausbeuter der geistigen
Güter, die Kärrner im Sinne Schillers bestimmen ja das Geistesleben eines
Volkes weit mehr, als die originalen Denker. Wir dürfen deshalb auch diesen
Einfluß aus der eigenartigen Stellung der Juden im sozialen Organismus,
nicht aus irgend welchen eigenartigen angeborenen Eigenschaften verstehen. Wie
in den Urwalds- und Arztberuf dringen die Juden auch in die Literatur und
die Politik ein, als in Gebiete, in denen die Gunst des Publikums und
rücksichtslose Energie im Konkurrenzkampf für den Erfolg mehr bedeuten, als
die Mißgunst der Berufsgenossen, und von Überlieferungen unbeschwert, schließen
sie sich gerade jenen Richtungen, jenen Gedankenkreisen an, welche im Augen¬
blicke die größte werbende Kraft besitzen. So ist nicht nur ihr Anteil an der
geistigen Arbeit schlechthin größer als ihr Anteil an der Bevölkerung, sondern
auch ihr Einfluß auf die Öffentlichkeit größer als ihr Anteil an der geistigen
Arbeit. Es ist bekannt, daß die Zeitungen, welche die größte Auflage und den
größten Einfluß wenigstens auf die städtische Bevölkerung besitzen, in jüdischen
Händen sind, daß die Juden die literarische und künstlerische Kritik beherrschen
und daß sie in zwei großen politischen Parteien einen maßgebenden Einfluß
ausüben. Unser Volk lernt die öffentlichen Angelegenheiten mit den Augen des
jüdischen Volksteiles betrachten, unsere Geistesgüter mit jüdischem Geschmack
genießen, kein Schriftsteller und Künstler kann Erfolg ernten, der den jüdischen
Kritikern mißfällt, kaum kann ein Vorschlag ohne jüdische Billigung Gesetz
werden. Goldstein, einer der ihrigen, drückt diese Erkenntnis unter Beschränkung
auf die literarische Kritik mit den Worten aus: "Wir verwalten den geistigen
Besitz des deutschen Volkes" (Kunstwart 1912). Nun soll keineswegs behauptet
werden, daß jüdischer Geist und deutscher Geist so unvereinbare Dinge seien, oder daß
die Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse an sich schon eine Übereinstimmung des
Urteils ausschlösse. Aber jüdischer und deutscher Geist entspringen anderen Wurzeln.


Die Judenfrage nach dem Kriege

jede Spur einer Organisation, während ihm die Juden nicht nur ihre
Organisationen, sondern auch das natürliche Solidaritätsgefühl der Minderheiten
entgegensetzen. Trotzdem wären ohne den zähen Widerstand dieses Antisemitismus
heute wohl alle höheren Berufe, der Osfiziersberuf nicht allsgenommen, in der¬
selben Weise mit Juden überfüllt, wie etwa der Anwaltsberuf oder der Beruf
des Journalisten. Allein das sind Standesfragen, die das allgemeine Wohl
nicht allzutief berühren, jedenfalls nicht tiefer als die alten Sorgen des Mittelstands¬
antisemitismus, über welche jene Schichten gespottet oder gescholten haben, die
heute die hauptsächlichsten Träger antisemitischer Bewegungen und Gefühle sind.

In einem Punkte aber wird die Judenfrage zu einer nationalen Angelegenheit
von höchster Bedeutung: das ist der Einfluß der Juden auf unser Geistesleben
und unsere öffentliche Meinung. Die Stärke dieses Einflußes beruht nicht auf
wirklich schöpferischen Leistungen — es begegnet wohl keinen Widerspruch zu
behaupten, daß der Anteil der Juden an solchen Leistungen ihren Anteil an
der Bevölkerung keineswegs übersteigt —>, sondern auf Leistungen, zu denen ein
leidliches Talent sich erziehen kann. Die Nachdenker, die Ausbeuter der geistigen
Güter, die Kärrner im Sinne Schillers bestimmen ja das Geistesleben eines
Volkes weit mehr, als die originalen Denker. Wir dürfen deshalb auch diesen
Einfluß aus der eigenartigen Stellung der Juden im sozialen Organismus,
nicht aus irgend welchen eigenartigen angeborenen Eigenschaften verstehen. Wie
in den Urwalds- und Arztberuf dringen die Juden auch in die Literatur und
die Politik ein, als in Gebiete, in denen die Gunst des Publikums und
rücksichtslose Energie im Konkurrenzkampf für den Erfolg mehr bedeuten, als
die Mißgunst der Berufsgenossen, und von Überlieferungen unbeschwert, schließen
sie sich gerade jenen Richtungen, jenen Gedankenkreisen an, welche im Augen¬
blicke die größte werbende Kraft besitzen. So ist nicht nur ihr Anteil an der
geistigen Arbeit schlechthin größer als ihr Anteil an der Bevölkerung, sondern
auch ihr Einfluß auf die Öffentlichkeit größer als ihr Anteil an der geistigen
Arbeit. Es ist bekannt, daß die Zeitungen, welche die größte Auflage und den
größten Einfluß wenigstens auf die städtische Bevölkerung besitzen, in jüdischen
Händen sind, daß die Juden die literarische und künstlerische Kritik beherrschen
und daß sie in zwei großen politischen Parteien einen maßgebenden Einfluß
ausüben. Unser Volk lernt die öffentlichen Angelegenheiten mit den Augen des
jüdischen Volksteiles betrachten, unsere Geistesgüter mit jüdischem Geschmack
genießen, kein Schriftsteller und Künstler kann Erfolg ernten, der den jüdischen
Kritikern mißfällt, kaum kann ein Vorschlag ohne jüdische Billigung Gesetz
werden. Goldstein, einer der ihrigen, drückt diese Erkenntnis unter Beschränkung
auf die literarische Kritik mit den Worten aus: „Wir verwalten den geistigen
Besitz des deutschen Volkes" (Kunstwart 1912). Nun soll keineswegs behauptet
werden, daß jüdischer Geist und deutscher Geist so unvereinbare Dinge seien, oder daß
die Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse an sich schon eine Übereinstimmung des
Urteils ausschlösse. Aber jüdischer und deutscher Geist entspringen anderen Wurzeln.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324383"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Judenfrage nach dem Kriege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1237" prev="#ID_1236"> jede Spur einer Organisation, während ihm die Juden nicht nur ihre<lb/>
Organisationen, sondern auch das natürliche Solidaritätsgefühl der Minderheiten<lb/>
entgegensetzen. Trotzdem wären ohne den zähen Widerstand dieses Antisemitismus<lb/>
heute wohl alle höheren Berufe, der Osfiziersberuf nicht allsgenommen, in der¬<lb/>
selben Weise mit Juden überfüllt, wie etwa der Anwaltsberuf oder der Beruf<lb/>
des Journalisten. Allein das sind Standesfragen, die das allgemeine Wohl<lb/>
nicht allzutief berühren, jedenfalls nicht tiefer als die alten Sorgen des Mittelstands¬<lb/>
antisemitismus, über welche jene Schichten gespottet oder gescholten haben, die<lb/>
heute die hauptsächlichsten Träger antisemitischer Bewegungen und Gefühle sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1238"> In einem Punkte aber wird die Judenfrage zu einer nationalen Angelegenheit<lb/>
von höchster Bedeutung: das ist der Einfluß der Juden auf unser Geistesleben<lb/>
und unsere öffentliche Meinung. Die Stärke dieses Einflußes beruht nicht auf<lb/>
wirklich schöpferischen Leistungen &#x2014; es begegnet wohl keinen Widerspruch zu<lb/>
behaupten, daß der Anteil der Juden an solchen Leistungen ihren Anteil an<lb/>
der Bevölkerung keineswegs übersteigt &#x2014;&gt;, sondern auf Leistungen, zu denen ein<lb/>
leidliches Talent sich erziehen kann. Die Nachdenker, die Ausbeuter der geistigen<lb/>
Güter, die Kärrner im Sinne Schillers bestimmen ja das Geistesleben eines<lb/>
Volkes weit mehr, als die originalen Denker. Wir dürfen deshalb auch diesen<lb/>
Einfluß aus der eigenartigen Stellung der Juden im sozialen Organismus,<lb/>
nicht aus irgend welchen eigenartigen angeborenen Eigenschaften verstehen. Wie<lb/>
in den Urwalds- und Arztberuf dringen die Juden auch in die Literatur und<lb/>
die Politik ein, als in Gebiete, in denen die Gunst des Publikums und<lb/>
rücksichtslose Energie im Konkurrenzkampf für den Erfolg mehr bedeuten, als<lb/>
die Mißgunst der Berufsgenossen, und von Überlieferungen unbeschwert, schließen<lb/>
sie sich gerade jenen Richtungen, jenen Gedankenkreisen an, welche im Augen¬<lb/>
blicke die größte werbende Kraft besitzen. So ist nicht nur ihr Anteil an der<lb/>
geistigen Arbeit schlechthin größer als ihr Anteil an der Bevölkerung, sondern<lb/>
auch ihr Einfluß auf die Öffentlichkeit größer als ihr Anteil an der geistigen<lb/>
Arbeit. Es ist bekannt, daß die Zeitungen, welche die größte Auflage und den<lb/>
größten Einfluß wenigstens auf die städtische Bevölkerung besitzen, in jüdischen<lb/>
Händen sind, daß die Juden die literarische und künstlerische Kritik beherrschen<lb/>
und daß sie in zwei großen politischen Parteien einen maßgebenden Einfluß<lb/>
ausüben. Unser Volk lernt die öffentlichen Angelegenheiten mit den Augen des<lb/>
jüdischen Volksteiles betrachten, unsere Geistesgüter mit jüdischem Geschmack<lb/>
genießen, kein Schriftsteller und Künstler kann Erfolg ernten, der den jüdischen<lb/>
Kritikern mißfällt, kaum kann ein Vorschlag ohne jüdische Billigung Gesetz<lb/>
werden. Goldstein, einer der ihrigen, drückt diese Erkenntnis unter Beschränkung<lb/>
auf die literarische Kritik mit den Worten aus: &#x201E;Wir verwalten den geistigen<lb/>
Besitz des deutschen Volkes" (Kunstwart 1912). Nun soll keineswegs behauptet<lb/>
werden, daß jüdischer Geist und deutscher Geist so unvereinbare Dinge seien, oder daß<lb/>
die Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse an sich schon eine Übereinstimmung des<lb/>
Urteils ausschlösse. Aber jüdischer und deutscher Geist entspringen anderen Wurzeln.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0410] Die Judenfrage nach dem Kriege jede Spur einer Organisation, während ihm die Juden nicht nur ihre Organisationen, sondern auch das natürliche Solidaritätsgefühl der Minderheiten entgegensetzen. Trotzdem wären ohne den zähen Widerstand dieses Antisemitismus heute wohl alle höheren Berufe, der Osfiziersberuf nicht allsgenommen, in der¬ selben Weise mit Juden überfüllt, wie etwa der Anwaltsberuf oder der Beruf des Journalisten. Allein das sind Standesfragen, die das allgemeine Wohl nicht allzutief berühren, jedenfalls nicht tiefer als die alten Sorgen des Mittelstands¬ antisemitismus, über welche jene Schichten gespottet oder gescholten haben, die heute die hauptsächlichsten Träger antisemitischer Bewegungen und Gefühle sind. In einem Punkte aber wird die Judenfrage zu einer nationalen Angelegenheit von höchster Bedeutung: das ist der Einfluß der Juden auf unser Geistesleben und unsere öffentliche Meinung. Die Stärke dieses Einflußes beruht nicht auf wirklich schöpferischen Leistungen — es begegnet wohl keinen Widerspruch zu behaupten, daß der Anteil der Juden an solchen Leistungen ihren Anteil an der Bevölkerung keineswegs übersteigt —>, sondern auf Leistungen, zu denen ein leidliches Talent sich erziehen kann. Die Nachdenker, die Ausbeuter der geistigen Güter, die Kärrner im Sinne Schillers bestimmen ja das Geistesleben eines Volkes weit mehr, als die originalen Denker. Wir dürfen deshalb auch diesen Einfluß aus der eigenartigen Stellung der Juden im sozialen Organismus, nicht aus irgend welchen eigenartigen angeborenen Eigenschaften verstehen. Wie in den Urwalds- und Arztberuf dringen die Juden auch in die Literatur und die Politik ein, als in Gebiete, in denen die Gunst des Publikums und rücksichtslose Energie im Konkurrenzkampf für den Erfolg mehr bedeuten, als die Mißgunst der Berufsgenossen, und von Überlieferungen unbeschwert, schließen sie sich gerade jenen Richtungen, jenen Gedankenkreisen an, welche im Augen¬ blicke die größte werbende Kraft besitzen. So ist nicht nur ihr Anteil an der geistigen Arbeit schlechthin größer als ihr Anteil an der Bevölkerung, sondern auch ihr Einfluß auf die Öffentlichkeit größer als ihr Anteil an der geistigen Arbeit. Es ist bekannt, daß die Zeitungen, welche die größte Auflage und den größten Einfluß wenigstens auf die städtische Bevölkerung besitzen, in jüdischen Händen sind, daß die Juden die literarische und künstlerische Kritik beherrschen und daß sie in zwei großen politischen Parteien einen maßgebenden Einfluß ausüben. Unser Volk lernt die öffentlichen Angelegenheiten mit den Augen des jüdischen Volksteiles betrachten, unsere Geistesgüter mit jüdischem Geschmack genießen, kein Schriftsteller und Künstler kann Erfolg ernten, der den jüdischen Kritikern mißfällt, kaum kann ein Vorschlag ohne jüdische Billigung Gesetz werden. Goldstein, einer der ihrigen, drückt diese Erkenntnis unter Beschränkung auf die literarische Kritik mit den Worten aus: „Wir verwalten den geistigen Besitz des deutschen Volkes" (Kunstwart 1912). Nun soll keineswegs behauptet werden, daß jüdischer Geist und deutscher Geist so unvereinbare Dinge seien, oder daß die Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse an sich schon eine Übereinstimmung des Urteils ausschlösse. Aber jüdischer und deutscher Geist entspringen anderen Wurzeln.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/410
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/410>, abgerufen am 23.07.2024.