Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Schwedische Gedanken über den Krieg Dies ist also die Grundbedingung einer neuen Realpolitik: die Erkenntnis Der Zweck der Entwicklung muß das Verschmelzen der Nationen zu einem In dem Weihnachtsbaume besitzen wir das Bild der idealen Menschheit. Daher hat die Menschheit ihre Idee als fester Organismus zu verwirklichen, Wenn wir uns nun von diesem ideellen Grunde, worin alles Dasein Das gemeinsame Ziel eines starken Mitteleuropas muß in der Richtung Schwedische Gedanken über den Krieg Dies ist also die Grundbedingung einer neuen Realpolitik: die Erkenntnis Der Zweck der Entwicklung muß das Verschmelzen der Nationen zu einem In dem Weihnachtsbaume besitzen wir das Bild der idealen Menschheit. Daher hat die Menschheit ihre Idee als fester Organismus zu verwirklichen, Wenn wir uns nun von diesem ideellen Grunde, worin alles Dasein Das gemeinsame Ziel eines starken Mitteleuropas muß in der Richtung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324377"/> <fw type="header" place="top"> Schwedische Gedanken über den Krieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1220"> Dies ist also die Grundbedingung einer neuen Realpolitik: die Erkenntnis<lb/> der Ewigkeit der Nation. Ich bin nicht deshalb Schwede, weil ich zufällig in<lb/> dem Teile der geographischen Karte, der Schweden heißt, geboren bin oder<lb/> schwedische Eltern gehabt habe, sondern deshalb, weil das Ewige in mir- ohne<lb/> Schwedens Ewigkeit nicht denkbar ist. Ein Deutscher, der seinen Fichte und<lb/> dessen „Reden an die deutsche Nation" gelesen hat, muß einen derartigen Ge¬<lb/> dankengang verstehen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1221"> Der Zweck der Entwicklung muß das Verschmelzen der Nationen zu einem<lb/> höheren Kulturstaate sein. Alle Reiche suchen im Innersten das Reich Gottes,<lb/> den höchsten Namen, der dem Zwecke der Arbeit auf Erden gegeben worden<lb/> ist. Dahin müssen alle Völker, gleichwie alle Menschen, streben, um das Recht<lb/> auf sich selbst zu finden. Doch diese Verschmelzung kann nicht antinational<lb/> sein, sodaß sie die Volksgrenzen verwischt, sondern sie muß immer nationaler<lb/> werden, sodaß jedes Volk beim Streben nach dem Reiche Gottes seine eigenen,<lb/> tiefsten Kraftquellen erschließt, worin liegt, daß das Volk seine nationale Eigen¬<lb/> art verstärkt, anstatt sie durch äußerlichen Internationalismus zu ersticken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1222"> In dem Weihnachtsbaume besitzen wir das Bild der idealen Menschheit.<lb/> Die Zweige sind die Nationen, die von einem gemeinsamen Stamme ausgehen<lb/> und nur durch diese Verbindung leben können. Auf jedem Zweige weht eine<lb/> Fahne und brennt ein Licht. Was wäre der Tannenbaum ohne diese vielen<lb/> Fahnen und Lichter? Und was wäre der Stamm ohne die Zweige und sie ohne<lb/> den Stamm? Die Gleichheit, welche die Nationen an denselben Stamm bindet,<lb/> hebt nicht die Ungleichheit auf, die sie verzweigt und jedem unter ihnen die<lb/> Richtung, in welcher er weiterwachsen soll, gegeben hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1223"> Daher hat die Menschheit ihre Idee als fester Organismus zu verwirklichen,<lb/> nicht aber als formlose Masse. Mit ihrer noch umhertastenden, von allerlei<lb/> Kinderkrankheiten zitternden Hand greift sie jedoch nach großen, unaussprechlichen<lb/> Aufgaben. Doch wenn sie nicht im Zeichen der Organisation fortschreitet, wird<lb/> sie heutzutage nicht weit kommen. Die Siegeskraft des Deutschen Reiches ist<lb/> nicht unter dem Jrrlichte des Kollektivismus, sondern unter dem Sterne der<lb/> Organisation geboren worden. Die 26 deutschen Staaten sind kraft der Soli¬<lb/> daritätspolitik, die zum eigenen Wesen des Lebens gehört, zu einem lebendigen<lb/> Ganzen verschmolzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1224"> Wenn wir uns nun von diesem ideellen Grunde, worin alles Dasein<lb/> wurzelt, zur Oberfläche der Ereignisse erheben, so ist es vor allem Rußlands<lb/> antinationale, ja völkervernichtende Eroberungspolitik, die den Weltkrieg hervor¬<lb/> gerufen hat. Daher gilt es, nach Osten hin eine Mauer zum Schutze des<lb/> Existenzrechtes der Nationen zu errichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1225" next="#ID_1226"> Das gemeinsame Ziel eines starken Mitteleuropas muß in der Richtung<lb/> einer alleuropäischen Sammlung liegen, aber gesunde Realpolitik streckt nicht die<lb/> Hände nach den Sternen aus, sondern begnügt sich damit, ihnen zu folgen.<lb/> Wenn sich die mitteleuropäischen Völker zunächst unter Beibehaltung ihrer nationalen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Schwedische Gedanken über den Krieg
Dies ist also die Grundbedingung einer neuen Realpolitik: die Erkenntnis
der Ewigkeit der Nation. Ich bin nicht deshalb Schwede, weil ich zufällig in
dem Teile der geographischen Karte, der Schweden heißt, geboren bin oder
schwedische Eltern gehabt habe, sondern deshalb, weil das Ewige in mir- ohne
Schwedens Ewigkeit nicht denkbar ist. Ein Deutscher, der seinen Fichte und
dessen „Reden an die deutsche Nation" gelesen hat, muß einen derartigen Ge¬
dankengang verstehen können.
Der Zweck der Entwicklung muß das Verschmelzen der Nationen zu einem
höheren Kulturstaate sein. Alle Reiche suchen im Innersten das Reich Gottes,
den höchsten Namen, der dem Zwecke der Arbeit auf Erden gegeben worden
ist. Dahin müssen alle Völker, gleichwie alle Menschen, streben, um das Recht
auf sich selbst zu finden. Doch diese Verschmelzung kann nicht antinational
sein, sodaß sie die Volksgrenzen verwischt, sondern sie muß immer nationaler
werden, sodaß jedes Volk beim Streben nach dem Reiche Gottes seine eigenen,
tiefsten Kraftquellen erschließt, worin liegt, daß das Volk seine nationale Eigen¬
art verstärkt, anstatt sie durch äußerlichen Internationalismus zu ersticken.
In dem Weihnachtsbaume besitzen wir das Bild der idealen Menschheit.
Die Zweige sind die Nationen, die von einem gemeinsamen Stamme ausgehen
und nur durch diese Verbindung leben können. Auf jedem Zweige weht eine
Fahne und brennt ein Licht. Was wäre der Tannenbaum ohne diese vielen
Fahnen und Lichter? Und was wäre der Stamm ohne die Zweige und sie ohne
den Stamm? Die Gleichheit, welche die Nationen an denselben Stamm bindet,
hebt nicht die Ungleichheit auf, die sie verzweigt und jedem unter ihnen die
Richtung, in welcher er weiterwachsen soll, gegeben hat.
Daher hat die Menschheit ihre Idee als fester Organismus zu verwirklichen,
nicht aber als formlose Masse. Mit ihrer noch umhertastenden, von allerlei
Kinderkrankheiten zitternden Hand greift sie jedoch nach großen, unaussprechlichen
Aufgaben. Doch wenn sie nicht im Zeichen der Organisation fortschreitet, wird
sie heutzutage nicht weit kommen. Die Siegeskraft des Deutschen Reiches ist
nicht unter dem Jrrlichte des Kollektivismus, sondern unter dem Sterne der
Organisation geboren worden. Die 26 deutschen Staaten sind kraft der Soli¬
daritätspolitik, die zum eigenen Wesen des Lebens gehört, zu einem lebendigen
Ganzen verschmolzen.
Wenn wir uns nun von diesem ideellen Grunde, worin alles Dasein
wurzelt, zur Oberfläche der Ereignisse erheben, so ist es vor allem Rußlands
antinationale, ja völkervernichtende Eroberungspolitik, die den Weltkrieg hervor¬
gerufen hat. Daher gilt es, nach Osten hin eine Mauer zum Schutze des
Existenzrechtes der Nationen zu errichten.
Das gemeinsame Ziel eines starken Mitteleuropas muß in der Richtung
einer alleuropäischen Sammlung liegen, aber gesunde Realpolitik streckt nicht die
Hände nach den Sternen aus, sondern begnügt sich damit, ihnen zu folgen.
Wenn sich die mitteleuropäischen Völker zunächst unter Beibehaltung ihrer nationalen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |