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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Schwedische Gedanken über den Krieg

England durchaus konkurrenzfähig wird, riskiert sie, von dieser britischen Politik
eingekreist zu werden. Dies Schicksal hat ja Deutschland getroffen. Ebenso¬
wenig, wie ein Kind etwas dafür kann, daß es wächst, tut ein Volk dies, und
daher ist die "Gleichgewichtspolitik" im Grunde eine unmoralische Abgunstpolitik,
deren Träger ein lebensfeindliches, egoistisches Motiv ist. Europas Schicksal
muß in Zukunft durch eine ganz andere Idee gestaltet werden. Der Weltkrieg
wurde der Bankerott der Gleichgewichtspolitik. Sie hat sich nicht als Friedens¬
garantie erwiesen.

Anstatt der neidischen Politik, die keinen starken Nachbarn neben sich dulden
kann, müssen die Völker Mitteleuropas eine Solidaritätspolitik ausbilden, die sich
in den Dienst des wachsenden Lebens stellt. Innerhalb der Sphäre dieses
Gedankens liegt die Zukunft Europas eingebettet, wie der reife Kern in seiner
Schale. Es bedürfte aller Sprengstoffe eines Massenkrieges, um die harte
Schale dazu zu bringen, daß sie sich öffnete. Nun aber öffnet sie sich tatsächlich
und keine Macht wird dem Kerne dadurch befehlen können, in seiner Ent¬
wicklung rückwärtszuschreiten, daß man ihm gebietet, wieder in die Schale
hineinzuschlüpfen.

Eine mitteleuropäische Solidaritätspolitik muß durch zwei Faktoren bestimmt
werden: durch das gemeinsame Ziel und durch die nationale Eigenart. Beide
müssen klar und deutlich aufrechterhalten werden. Sicherlich ist die germanische
Rasse am reifsten zu einer solchen neuen Politik, die geschichtlich aus der großen
Zeit, in der wir jetzt leben, hervorwächst. Die germanischen Völker haben,
Dank dem Werke Luthers und Gustav Adolfs, große Fortschritte in der Ent¬
wicklung gemacht und können gewiß eine Realpolitik, die in dem Grunde aller
Realität -- der Idealität -- wurzelt, durchführen. Es gehört zu germanischer
Bildung, zu wissen und zu fühlen, wie die Menschheit im Grunde beschaffen
ist und worauf sie ideell in all ihrem harten Kämpfen und Streben abzielt.

Verweilen wir noch einen Augenblick bei der Idealität. Sie wird nicht
von den Kanonen übertönt, sondern ist aus dem eigenen Siegesliede der
deutschen Kanonen an der Ostfront herauszuhören. Dort wird ein Befreiungs¬
krieg ausgekämpft, ein Krieg zur Befreiung des germanischen Geistes sowohl
wie der unterdrückten Völker, jener wohl fünfzig Millionen Menschen, die Ru߬
lands westliche Grenzgebiete bewohnen. Weshalb sollten wir nicht glauben
dürfen, daß die Fesseln, worin die leidenden Völker Polens, Finnlands und der
Ukraine schmachten, jetzt leichter zerspringen können? Die Menschheit ist ebenso
wie ein Baum, mit verschiedenen Völkerzweigen an einem gemeinsamen Stamme.
Ist dies den Völkern Mitteleuropas nicht klar, so wird das Flammenmeer,
welches der Weltkrieg der Gleichgewichtspolitik angezündet hat, nicht mit dem
Friedensschlüsse erlöschen. Begreifen wir Germanen aber, daß nicht nur wir,
sondern auch alle anderen Kulturvölker dem nationalen Wesen nach unsterblich
sind wie das Leben selbst, dann wird zunächst ein mitteleuropäischer Staatenbund
von starken Händen geknüpft werden können.


Schwedische Gedanken über den Krieg

England durchaus konkurrenzfähig wird, riskiert sie, von dieser britischen Politik
eingekreist zu werden. Dies Schicksal hat ja Deutschland getroffen. Ebenso¬
wenig, wie ein Kind etwas dafür kann, daß es wächst, tut ein Volk dies, und
daher ist die „Gleichgewichtspolitik" im Grunde eine unmoralische Abgunstpolitik,
deren Träger ein lebensfeindliches, egoistisches Motiv ist. Europas Schicksal
muß in Zukunft durch eine ganz andere Idee gestaltet werden. Der Weltkrieg
wurde der Bankerott der Gleichgewichtspolitik. Sie hat sich nicht als Friedens¬
garantie erwiesen.

Anstatt der neidischen Politik, die keinen starken Nachbarn neben sich dulden
kann, müssen die Völker Mitteleuropas eine Solidaritätspolitik ausbilden, die sich
in den Dienst des wachsenden Lebens stellt. Innerhalb der Sphäre dieses
Gedankens liegt die Zukunft Europas eingebettet, wie der reife Kern in seiner
Schale. Es bedürfte aller Sprengstoffe eines Massenkrieges, um die harte
Schale dazu zu bringen, daß sie sich öffnete. Nun aber öffnet sie sich tatsächlich
und keine Macht wird dem Kerne dadurch befehlen können, in seiner Ent¬
wicklung rückwärtszuschreiten, daß man ihm gebietet, wieder in die Schale
hineinzuschlüpfen.

Eine mitteleuropäische Solidaritätspolitik muß durch zwei Faktoren bestimmt
werden: durch das gemeinsame Ziel und durch die nationale Eigenart. Beide
müssen klar und deutlich aufrechterhalten werden. Sicherlich ist die germanische
Rasse am reifsten zu einer solchen neuen Politik, die geschichtlich aus der großen
Zeit, in der wir jetzt leben, hervorwächst. Die germanischen Völker haben,
Dank dem Werke Luthers und Gustav Adolfs, große Fortschritte in der Ent¬
wicklung gemacht und können gewiß eine Realpolitik, die in dem Grunde aller
Realität — der Idealität — wurzelt, durchführen. Es gehört zu germanischer
Bildung, zu wissen und zu fühlen, wie die Menschheit im Grunde beschaffen
ist und worauf sie ideell in all ihrem harten Kämpfen und Streben abzielt.

Verweilen wir noch einen Augenblick bei der Idealität. Sie wird nicht
von den Kanonen übertönt, sondern ist aus dem eigenen Siegesliede der
deutschen Kanonen an der Ostfront herauszuhören. Dort wird ein Befreiungs¬
krieg ausgekämpft, ein Krieg zur Befreiung des germanischen Geistes sowohl
wie der unterdrückten Völker, jener wohl fünfzig Millionen Menschen, die Ru߬
lands westliche Grenzgebiete bewohnen. Weshalb sollten wir nicht glauben
dürfen, daß die Fesseln, worin die leidenden Völker Polens, Finnlands und der
Ukraine schmachten, jetzt leichter zerspringen können? Die Menschheit ist ebenso
wie ein Baum, mit verschiedenen Völkerzweigen an einem gemeinsamen Stamme.
Ist dies den Völkern Mitteleuropas nicht klar, so wird das Flammenmeer,
welches der Weltkrieg der Gleichgewichtspolitik angezündet hat, nicht mit dem
Friedensschlüsse erlöschen. Begreifen wir Germanen aber, daß nicht nur wir,
sondern auch alle anderen Kulturvölker dem nationalen Wesen nach unsterblich
sind wie das Leben selbst, dann wird zunächst ein mitteleuropäischer Staatenbund
von starken Händen geknüpft werden können.


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[0403] Schwedische Gedanken über den Krieg England durchaus konkurrenzfähig wird, riskiert sie, von dieser britischen Politik eingekreist zu werden. Dies Schicksal hat ja Deutschland getroffen. Ebenso¬ wenig, wie ein Kind etwas dafür kann, daß es wächst, tut ein Volk dies, und daher ist die „Gleichgewichtspolitik" im Grunde eine unmoralische Abgunstpolitik, deren Träger ein lebensfeindliches, egoistisches Motiv ist. Europas Schicksal muß in Zukunft durch eine ganz andere Idee gestaltet werden. Der Weltkrieg wurde der Bankerott der Gleichgewichtspolitik. Sie hat sich nicht als Friedens¬ garantie erwiesen. Anstatt der neidischen Politik, die keinen starken Nachbarn neben sich dulden kann, müssen die Völker Mitteleuropas eine Solidaritätspolitik ausbilden, die sich in den Dienst des wachsenden Lebens stellt. Innerhalb der Sphäre dieses Gedankens liegt die Zukunft Europas eingebettet, wie der reife Kern in seiner Schale. Es bedürfte aller Sprengstoffe eines Massenkrieges, um die harte Schale dazu zu bringen, daß sie sich öffnete. Nun aber öffnet sie sich tatsächlich und keine Macht wird dem Kerne dadurch befehlen können, in seiner Ent¬ wicklung rückwärtszuschreiten, daß man ihm gebietet, wieder in die Schale hineinzuschlüpfen. Eine mitteleuropäische Solidaritätspolitik muß durch zwei Faktoren bestimmt werden: durch das gemeinsame Ziel und durch die nationale Eigenart. Beide müssen klar und deutlich aufrechterhalten werden. Sicherlich ist die germanische Rasse am reifsten zu einer solchen neuen Politik, die geschichtlich aus der großen Zeit, in der wir jetzt leben, hervorwächst. Die germanischen Völker haben, Dank dem Werke Luthers und Gustav Adolfs, große Fortschritte in der Ent¬ wicklung gemacht und können gewiß eine Realpolitik, die in dem Grunde aller Realität — der Idealität — wurzelt, durchführen. Es gehört zu germanischer Bildung, zu wissen und zu fühlen, wie die Menschheit im Grunde beschaffen ist und worauf sie ideell in all ihrem harten Kämpfen und Streben abzielt. Verweilen wir noch einen Augenblick bei der Idealität. Sie wird nicht von den Kanonen übertönt, sondern ist aus dem eigenen Siegesliede der deutschen Kanonen an der Ostfront herauszuhören. Dort wird ein Befreiungs¬ krieg ausgekämpft, ein Krieg zur Befreiung des germanischen Geistes sowohl wie der unterdrückten Völker, jener wohl fünfzig Millionen Menschen, die Ru߬ lands westliche Grenzgebiete bewohnen. Weshalb sollten wir nicht glauben dürfen, daß die Fesseln, worin die leidenden Völker Polens, Finnlands und der Ukraine schmachten, jetzt leichter zerspringen können? Die Menschheit ist ebenso wie ein Baum, mit verschiedenen Völkerzweigen an einem gemeinsamen Stamme. Ist dies den Völkern Mitteleuropas nicht klar, so wird das Flammenmeer, welches der Weltkrieg der Gleichgewichtspolitik angezündet hat, nicht mit dem Friedensschlüsse erlöschen. Begreifen wir Germanen aber, daß nicht nur wir, sondern auch alle anderen Kulturvölker dem nationalen Wesen nach unsterblich sind wie das Leben selbst, dann wird zunächst ein mitteleuropäischer Staatenbund von starken Händen geknüpft werden können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/403>, abgerufen am 23.07.2024.