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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Freimaurer und der Weltkrieg

Das einzige Mittel, sich eine gesellschaftliche Stellung zu sichern, war der Erwerb
eines Adelstitels. Um diese Unterschiede in der Loge auszugleichen, nahmen sich
aber die Franzosen nicht die Engländer zum Vorbilde, die hier ihre Titel und
Vorrechte ablegten, sondern sie erteilten dem bürgerlichen Bruder den Titel
"Chevalier" und gaben ihm einen besonderen "nom c?e Auerrs". Nun wurde aber
im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts der Kampf des Bürgertums gegen den
Adel immer heftiger und leidenschaftlicher. Voltaire goß die Schale seines
ätzenden Witzes über den französischen Adel aus. und noch rücksichtsloser ging
Rousseau vor. Die Klassenkämpfe wurden auch in den Logen ausgetragen und
die adeligen Freimaurer wurden immer gehässiger gegen das "erbärmliche
Gemisch der Stände". Besonders der Hofadel war durch seinen brutal zur
Schau getragenen Hochmut verhaßt und es kam schließlich zu einer förmlichen
Trennung in zwei Freimaurerkorporationen. Im supreme Conseil und im
Groß-Orient standen sich nun der alte Adel und die Bürgerlichen mit dem
Militäradel scharf gegenüber. Daß sich unter diesen Umständen die französische
Freimaurerei von Anfang an zu revolutionären Klubs auswachsen mußte, kaun
nicht wundernehmen, und der Vorwurf, daß sie die Revolution systematisch
vorbereitet hätte, läßt sich nicht ohne weiteres aus der Welt schaffen. Tatsächlich
sind die Logen Frankreichs und Italiens, zufolge des nationalen Charakters
und der politischen Entwicklung dieser Völker, zu Herden politischer Treibereien
und oppositioneller Stellungnahme gegen die staatliche Ordnung und die katholische
Kirche geworden. Auch die Unzuverlässigkeit und Charakterlosigkeit der lateinischen
Rasse fand in der französischen Freimaurerei ihr getreues Abbild. So ließ sich
der Groß-Orient von Frankreich die Verherrlichung Napoleons des Ersten durch
prunkvolle Feste viel Geld kosten, und entzog sofort nach dessen Sturz dem
Prinzen Josef Napoleon die Großmeisterwürde, um in das Lager der Bourbonen
überzugehen. Bei Napoleons Rückkehr aus Elba jubelte er diesem wieder zu,
um nach den hundert Tagen mit derselben Begeisterung Ludwig dem Achtzehnter
zu huldigen. Ein gleiches Spiel wiederholte sich in den Jahren 1830 und 1848,
wo die Logen des Groß Orients die Sammelpunkte der Revolutionäre waren.
Die weitere Geschichte des Groß-Orientes ist ein klassisches Kompendium revolutio¬
nären Getriebes, das diesen mehr als einmal hart vor die polizeiliche Auf¬
lösung brachte, bis Napoleon der Dritte durch ein Dekret vom 11. Januar 1862
kurzerhand den Marschall Magnam zum Großmeister ernannte. Unter dessen
Nachfolger machte der Groß-Orient die ersten Versuche, sogar auf die nicht
romanische Freimaurerei des Auslandes Einfluß zu gewinnen. Deshalb brachen
die amerikanischen Großlogen, die davon zunächst betroffen wurden, den Verkehr
mit ihm ab. Seitdem sind die politischen und konfessionellen Konflikte, in die
sich der Groß-Orient von Frankreich programmäßig stürzte, immer ärger
geworden.

Die Enzyklika Pius des Neunten vom 25. September 1865 hatte zunächst
den Erfolg, daß die Mitgliederzahl der französischen Logen ins ungemessene


Die Freimaurer und der Weltkrieg

Das einzige Mittel, sich eine gesellschaftliche Stellung zu sichern, war der Erwerb
eines Adelstitels. Um diese Unterschiede in der Loge auszugleichen, nahmen sich
aber die Franzosen nicht die Engländer zum Vorbilde, die hier ihre Titel und
Vorrechte ablegten, sondern sie erteilten dem bürgerlichen Bruder den Titel
„Chevalier" und gaben ihm einen besonderen „nom c?e Auerrs". Nun wurde aber
im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts der Kampf des Bürgertums gegen den
Adel immer heftiger und leidenschaftlicher. Voltaire goß die Schale seines
ätzenden Witzes über den französischen Adel aus. und noch rücksichtsloser ging
Rousseau vor. Die Klassenkämpfe wurden auch in den Logen ausgetragen und
die adeligen Freimaurer wurden immer gehässiger gegen das „erbärmliche
Gemisch der Stände". Besonders der Hofadel war durch seinen brutal zur
Schau getragenen Hochmut verhaßt und es kam schließlich zu einer förmlichen
Trennung in zwei Freimaurerkorporationen. Im supreme Conseil und im
Groß-Orient standen sich nun der alte Adel und die Bürgerlichen mit dem
Militäradel scharf gegenüber. Daß sich unter diesen Umständen die französische
Freimaurerei von Anfang an zu revolutionären Klubs auswachsen mußte, kaun
nicht wundernehmen, und der Vorwurf, daß sie die Revolution systematisch
vorbereitet hätte, läßt sich nicht ohne weiteres aus der Welt schaffen. Tatsächlich
sind die Logen Frankreichs und Italiens, zufolge des nationalen Charakters
und der politischen Entwicklung dieser Völker, zu Herden politischer Treibereien
und oppositioneller Stellungnahme gegen die staatliche Ordnung und die katholische
Kirche geworden. Auch die Unzuverlässigkeit und Charakterlosigkeit der lateinischen
Rasse fand in der französischen Freimaurerei ihr getreues Abbild. So ließ sich
der Groß-Orient von Frankreich die Verherrlichung Napoleons des Ersten durch
prunkvolle Feste viel Geld kosten, und entzog sofort nach dessen Sturz dem
Prinzen Josef Napoleon die Großmeisterwürde, um in das Lager der Bourbonen
überzugehen. Bei Napoleons Rückkehr aus Elba jubelte er diesem wieder zu,
um nach den hundert Tagen mit derselben Begeisterung Ludwig dem Achtzehnter
zu huldigen. Ein gleiches Spiel wiederholte sich in den Jahren 1830 und 1848,
wo die Logen des Groß Orients die Sammelpunkte der Revolutionäre waren.
Die weitere Geschichte des Groß-Orientes ist ein klassisches Kompendium revolutio¬
nären Getriebes, das diesen mehr als einmal hart vor die polizeiliche Auf¬
lösung brachte, bis Napoleon der Dritte durch ein Dekret vom 11. Januar 1862
kurzerhand den Marschall Magnam zum Großmeister ernannte. Unter dessen
Nachfolger machte der Groß-Orient die ersten Versuche, sogar auf die nicht
romanische Freimaurerei des Auslandes Einfluß zu gewinnen. Deshalb brachen
die amerikanischen Großlogen, die davon zunächst betroffen wurden, den Verkehr
mit ihm ab. Seitdem sind die politischen und konfessionellen Konflikte, in die
sich der Groß-Orient von Frankreich programmäßig stürzte, immer ärger
geworden.

Die Enzyklika Pius des Neunten vom 25. September 1865 hatte zunächst
den Erfolg, daß die Mitgliederzahl der französischen Logen ins ungemessene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/350>, abgerufen am 23.07.2024.