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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Englische wcltpolitik und Meltvcrkehrsfragen vor dem Kriege

wärtigt, die heute alle dem einen Ziel zu dienen vermögen, den östlichen
Weg zum Panamakanal politisch und strategisch zu sichern, wenn auch nicht
zu beherrschen, durch die Linie Kanada--Bermudas--Bahamainseln--Jamaika-
Britisch-Honduras--Kleine Antillen (Trinidad, Barbadas usw.)--Britisch-Guyana.
Wenn man die sich gegenseitig am nächsten liegenden Endpunkte dieser Gebiete
berücksichtigt, so ist der Unterschied der Entfernung nur gering -- eine
beherrschende Verteilung, wie sie nicht besser gewünscht werden kann. Zieht
man dazu die Entfernung des Nordeinganges des Panamakanals von Honduras
und dem Kernpunkt des britischen Weltreichs in Westindien, Jamaika, in
Betracht, so kann allerdings die Lage des britischen nordatlantischen und
mittelamerikanischen Besitzes als eine Bedrohung des Panamakanals oder
der Macht der Vereinigten Staaten gelten. Wie eine gleichmäßige Vor¬
postenkette sind die britischen Stützpunkte der nordamerikanischen Ostküste
vorgelagert.

Wie weit die Eröffnung des Panamakanals Englands Haltung in den
amerikanischen Gewässern weiterhin beeinflussen wird, ist noch keineswegs vor¬
auszusehen. Britische und nordamerikanische imperialistische Machtbestrebungen
müssen hier einmal früher oder später zusammenstoßen. Daß die englische
Politik ihr besonderes Augenmerk dem mittelamerikanisch, atlantischen Gebiet
zuwendet, beweist eine Reihe von Tatsachen, die den Weg Englands deutlich
kennzeichnen. Im Jahre 1913 zog England in Erwägung, auf den Bermudas
neben der bereits bestehenden Kohlenstation ersten Ranges eine große Flotten¬
basis zu errichten, wodurch deutlich die Absicht hervortritt, die Schiffahrtslinie
nach dem Panamakanal sicherzustellen; dann aber muß dieses Vorgehen auch
als eine frühzeitig angelegte Sicherung gegen etwaige nordamerikanische Über¬
griffe angesehen werden. Daß der Union dieser Wachtposten vor ihrem Haupt¬
tore nicht angenehm ist. beweist "das große Interesse", das man dem Plane
w offiziellen Kreisen Washingtons entgegenbrachte. Aus Jamaika ist der Bau
eines großen Flottenstützpunktes bereits in Angriff genommen. Und weiter:
wenn englische Zeitungen, allerdings in erster Linie solche, die sich in Hetz¬
artikeln gegen Deutschland nicht genug tun können, kurz vor dem Kriege
gelegentlich der mexikanischen Wirren glauben machen wollten, Deutschland
beabsichtige den Bau des früher geplanten Konkurrenzkanals durch Nicaragua
durchzuführen, so liegt dieser unsinnigen Meldung deutlich die Absicht zugrunde,
nicht nur in Amerika Stimmung gegen Deutschland zu machen, sondern sie soll
vielmehr das Augenmerk der Yankees in eine Richtung lenken, die das Vorgehen
Englands in Mittelamerika und Westindien verschleiern soll. Unsinnig ist der
Gedanke schon deshalb, weil Nicaragua finanziell und damit politisch völlig von
der Union abhängig ist. Anders liegen aber die Dinge weiter südüch. wo viel
eher eine Gefährdung des Panamakanals durch England eintreten könnte. Em
Kanalbau ist durch Mittelamerika außerhalb der unter dem Einfluß der Ver¬
einigten Staaten stehenden mittelamerikanischen Republiken nur noch an einer


Englische wcltpolitik und Meltvcrkehrsfragen vor dem Kriege

wärtigt, die heute alle dem einen Ziel zu dienen vermögen, den östlichen
Weg zum Panamakanal politisch und strategisch zu sichern, wenn auch nicht
zu beherrschen, durch die Linie Kanada—Bermudas—Bahamainseln—Jamaika-
Britisch-Honduras—Kleine Antillen (Trinidad, Barbadas usw.)—Britisch-Guyana.
Wenn man die sich gegenseitig am nächsten liegenden Endpunkte dieser Gebiete
berücksichtigt, so ist der Unterschied der Entfernung nur gering — eine
beherrschende Verteilung, wie sie nicht besser gewünscht werden kann. Zieht
man dazu die Entfernung des Nordeinganges des Panamakanals von Honduras
und dem Kernpunkt des britischen Weltreichs in Westindien, Jamaika, in
Betracht, so kann allerdings die Lage des britischen nordatlantischen und
mittelamerikanischen Besitzes als eine Bedrohung des Panamakanals oder
der Macht der Vereinigten Staaten gelten. Wie eine gleichmäßige Vor¬
postenkette sind die britischen Stützpunkte der nordamerikanischen Ostküste
vorgelagert.

Wie weit die Eröffnung des Panamakanals Englands Haltung in den
amerikanischen Gewässern weiterhin beeinflussen wird, ist noch keineswegs vor¬
auszusehen. Britische und nordamerikanische imperialistische Machtbestrebungen
müssen hier einmal früher oder später zusammenstoßen. Daß die englische
Politik ihr besonderes Augenmerk dem mittelamerikanisch, atlantischen Gebiet
zuwendet, beweist eine Reihe von Tatsachen, die den Weg Englands deutlich
kennzeichnen. Im Jahre 1913 zog England in Erwägung, auf den Bermudas
neben der bereits bestehenden Kohlenstation ersten Ranges eine große Flotten¬
basis zu errichten, wodurch deutlich die Absicht hervortritt, die Schiffahrtslinie
nach dem Panamakanal sicherzustellen; dann aber muß dieses Vorgehen auch
als eine frühzeitig angelegte Sicherung gegen etwaige nordamerikanische Über¬
griffe angesehen werden. Daß der Union dieser Wachtposten vor ihrem Haupt¬
tore nicht angenehm ist. beweist „das große Interesse", das man dem Plane
w offiziellen Kreisen Washingtons entgegenbrachte. Aus Jamaika ist der Bau
eines großen Flottenstützpunktes bereits in Angriff genommen. Und weiter:
wenn englische Zeitungen, allerdings in erster Linie solche, die sich in Hetz¬
artikeln gegen Deutschland nicht genug tun können, kurz vor dem Kriege
gelegentlich der mexikanischen Wirren glauben machen wollten, Deutschland
beabsichtige den Bau des früher geplanten Konkurrenzkanals durch Nicaragua
durchzuführen, so liegt dieser unsinnigen Meldung deutlich die Absicht zugrunde,
nicht nur in Amerika Stimmung gegen Deutschland zu machen, sondern sie soll
vielmehr das Augenmerk der Yankees in eine Richtung lenken, die das Vorgehen
Englands in Mittelamerika und Westindien verschleiern soll. Unsinnig ist der
Gedanke schon deshalb, weil Nicaragua finanziell und damit politisch völlig von
der Union abhängig ist. Anders liegen aber die Dinge weiter südüch. wo viel
eher eine Gefährdung des Panamakanals durch England eintreten könnte. Em
Kanalbau ist durch Mittelamerika außerhalb der unter dem Einfluß der Ver¬
einigten Staaten stehenden mittelamerikanischen Republiken nur noch an einer


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[0337] Englische wcltpolitik und Meltvcrkehrsfragen vor dem Kriege wärtigt, die heute alle dem einen Ziel zu dienen vermögen, den östlichen Weg zum Panamakanal politisch und strategisch zu sichern, wenn auch nicht zu beherrschen, durch die Linie Kanada—Bermudas—Bahamainseln—Jamaika- Britisch-Honduras—Kleine Antillen (Trinidad, Barbadas usw.)—Britisch-Guyana. Wenn man die sich gegenseitig am nächsten liegenden Endpunkte dieser Gebiete berücksichtigt, so ist der Unterschied der Entfernung nur gering — eine beherrschende Verteilung, wie sie nicht besser gewünscht werden kann. Zieht man dazu die Entfernung des Nordeinganges des Panamakanals von Honduras und dem Kernpunkt des britischen Weltreichs in Westindien, Jamaika, in Betracht, so kann allerdings die Lage des britischen nordatlantischen und mittelamerikanischen Besitzes als eine Bedrohung des Panamakanals oder der Macht der Vereinigten Staaten gelten. Wie eine gleichmäßige Vor¬ postenkette sind die britischen Stützpunkte der nordamerikanischen Ostküste vorgelagert. Wie weit die Eröffnung des Panamakanals Englands Haltung in den amerikanischen Gewässern weiterhin beeinflussen wird, ist noch keineswegs vor¬ auszusehen. Britische und nordamerikanische imperialistische Machtbestrebungen müssen hier einmal früher oder später zusammenstoßen. Daß die englische Politik ihr besonderes Augenmerk dem mittelamerikanisch, atlantischen Gebiet zuwendet, beweist eine Reihe von Tatsachen, die den Weg Englands deutlich kennzeichnen. Im Jahre 1913 zog England in Erwägung, auf den Bermudas neben der bereits bestehenden Kohlenstation ersten Ranges eine große Flotten¬ basis zu errichten, wodurch deutlich die Absicht hervortritt, die Schiffahrtslinie nach dem Panamakanal sicherzustellen; dann aber muß dieses Vorgehen auch als eine frühzeitig angelegte Sicherung gegen etwaige nordamerikanische Über¬ griffe angesehen werden. Daß der Union dieser Wachtposten vor ihrem Haupt¬ tore nicht angenehm ist. beweist „das große Interesse", das man dem Plane w offiziellen Kreisen Washingtons entgegenbrachte. Aus Jamaika ist der Bau eines großen Flottenstützpunktes bereits in Angriff genommen. Und weiter: wenn englische Zeitungen, allerdings in erster Linie solche, die sich in Hetz¬ artikeln gegen Deutschland nicht genug tun können, kurz vor dem Kriege gelegentlich der mexikanischen Wirren glauben machen wollten, Deutschland beabsichtige den Bau des früher geplanten Konkurrenzkanals durch Nicaragua durchzuführen, so liegt dieser unsinnigen Meldung deutlich die Absicht zugrunde, nicht nur in Amerika Stimmung gegen Deutschland zu machen, sondern sie soll vielmehr das Augenmerk der Yankees in eine Richtung lenken, die das Vorgehen Englands in Mittelamerika und Westindien verschleiern soll. Unsinnig ist der Gedanke schon deshalb, weil Nicaragua finanziell und damit politisch völlig von der Union abhängig ist. Anders liegen aber die Dinge weiter südüch. wo viel eher eine Gefährdung des Panamakanals durch England eintreten könnte. Em Kanalbau ist durch Mittelamerika außerhalb der unter dem Einfluß der Ver¬ einigten Staaten stehenden mittelamerikanischen Republiken nur noch an einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/337>, abgerufen am 25.08.2024.