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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Künstlerische Probleme des Krieges

das Jubiläumsjahr 1913 gezeitigt hat, nicht viel Gutes zu erwarten steht.
Wohl aber könnte der Roman sehr wertvolle Bereicherung erfahren. Er bietet
Raum, sowohl für das bedeutende Einzelschicksal, wie für Episoden, für
Schilderung, sowohl wie für Stimmungen, und wenn man an Grimmelshausens
Simplicius denkt, so möchte man ähnliches auch für diesen Krieg herbeiwünschen.

Von Soldatenliedern sodann, volkstümlichen wie künstlerisch individuali¬
sierenden, haben wir bereits sehr beachtungswerte Proben erhalten und vieles
wird gerade im Entstehen begriffen sein, für die Ballade dürfen wir gutes
erhoffen und von den lyrischen Gedichten, als seelische Aussprache, findet man
in den bereits entstandenen, leider selten streng genug wählenden Anthologien
sehr wertvolle Stücke.

Einen deutlich hervortretenden Vorteil hat der Krieg der Kunst schon jetzt
gebracht, von dem aufs innigste zu wünschen ist, daß er ihr auch nach dem
Friedensschluß erhalten bleibe. Indem nämlich bei der anfänglichen Zurück¬
haltung des Publikums der Bücher- und Bilderkauf zurückging, der Konsumenten¬
kreis sich ständig verringerte, die Künstler aber leben mußten, sahen Verleger
wie Künstler sich gewungen, die Preise hinabzusetzen. Das hat für den Bücher¬
markt nur geringe Bedeutung, denn billige Bücher hatten wir bereits vor dem
Kriege. Was uns aber fehlte, war das Flugblatt, etwas, was dem volks¬
tümlichen Holzschnitt, dem bildlich geschmückten Einzelgedicht früherer Zeiten
gleichkam. Dazu sind nun endlich die Ansähe vorhanden. Allerdings handelt
es sich dabei um die nicht immer deutliche, nicht überall verwendbare Lithographie,
aber auch diese hat ja noch reiche Entwicklungsmöglichkeiten und wenn erst der
Wert dieser Kunstgattung für die Volksbildung in seiner ganzen Tragweite
erkannt werden wird, wird unserer künstlerischen Gesamtkultur aus diesen unschein¬
baren Blättern ein bedeutender Zuwachs entstehen können. Nur möge man
das Eisen schmieden, so lange die allgemeine Teilnahme noch rege ist, und sich
die Arbeit "für das Volk" -- im Grunde die edelste die es gibt -- nicht
verdrießen lassen.




Künstlerische Probleme des Krieges

das Jubiläumsjahr 1913 gezeitigt hat, nicht viel Gutes zu erwarten steht.
Wohl aber könnte der Roman sehr wertvolle Bereicherung erfahren. Er bietet
Raum, sowohl für das bedeutende Einzelschicksal, wie für Episoden, für
Schilderung, sowohl wie für Stimmungen, und wenn man an Grimmelshausens
Simplicius denkt, so möchte man ähnliches auch für diesen Krieg herbeiwünschen.

Von Soldatenliedern sodann, volkstümlichen wie künstlerisch individuali¬
sierenden, haben wir bereits sehr beachtungswerte Proben erhalten und vieles
wird gerade im Entstehen begriffen sein, für die Ballade dürfen wir gutes
erhoffen und von den lyrischen Gedichten, als seelische Aussprache, findet man
in den bereits entstandenen, leider selten streng genug wählenden Anthologien
sehr wertvolle Stücke.

Einen deutlich hervortretenden Vorteil hat der Krieg der Kunst schon jetzt
gebracht, von dem aufs innigste zu wünschen ist, daß er ihr auch nach dem
Friedensschluß erhalten bleibe. Indem nämlich bei der anfänglichen Zurück¬
haltung des Publikums der Bücher- und Bilderkauf zurückging, der Konsumenten¬
kreis sich ständig verringerte, die Künstler aber leben mußten, sahen Verleger
wie Künstler sich gewungen, die Preise hinabzusetzen. Das hat für den Bücher¬
markt nur geringe Bedeutung, denn billige Bücher hatten wir bereits vor dem
Kriege. Was uns aber fehlte, war das Flugblatt, etwas, was dem volks¬
tümlichen Holzschnitt, dem bildlich geschmückten Einzelgedicht früherer Zeiten
gleichkam. Dazu sind nun endlich die Ansähe vorhanden. Allerdings handelt
es sich dabei um die nicht immer deutliche, nicht überall verwendbare Lithographie,
aber auch diese hat ja noch reiche Entwicklungsmöglichkeiten und wenn erst der
Wert dieser Kunstgattung für die Volksbildung in seiner ganzen Tragweite
erkannt werden wird, wird unserer künstlerischen Gesamtkultur aus diesen unschein¬
baren Blättern ein bedeutender Zuwachs entstehen können. Nur möge man
das Eisen schmieden, so lange die allgemeine Teilnahme noch rege ist, und sich
die Arbeit „für das Volk" — im Grunde die edelste die es gibt — nicht
verdrießen lassen.




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[0327] Künstlerische Probleme des Krieges das Jubiläumsjahr 1913 gezeitigt hat, nicht viel Gutes zu erwarten steht. Wohl aber könnte der Roman sehr wertvolle Bereicherung erfahren. Er bietet Raum, sowohl für das bedeutende Einzelschicksal, wie für Episoden, für Schilderung, sowohl wie für Stimmungen, und wenn man an Grimmelshausens Simplicius denkt, so möchte man ähnliches auch für diesen Krieg herbeiwünschen. Von Soldatenliedern sodann, volkstümlichen wie künstlerisch individuali¬ sierenden, haben wir bereits sehr beachtungswerte Proben erhalten und vieles wird gerade im Entstehen begriffen sein, für die Ballade dürfen wir gutes erhoffen und von den lyrischen Gedichten, als seelische Aussprache, findet man in den bereits entstandenen, leider selten streng genug wählenden Anthologien sehr wertvolle Stücke. Einen deutlich hervortretenden Vorteil hat der Krieg der Kunst schon jetzt gebracht, von dem aufs innigste zu wünschen ist, daß er ihr auch nach dem Friedensschluß erhalten bleibe. Indem nämlich bei der anfänglichen Zurück¬ haltung des Publikums der Bücher- und Bilderkauf zurückging, der Konsumenten¬ kreis sich ständig verringerte, die Künstler aber leben mußten, sahen Verleger wie Künstler sich gewungen, die Preise hinabzusetzen. Das hat für den Bücher¬ markt nur geringe Bedeutung, denn billige Bücher hatten wir bereits vor dem Kriege. Was uns aber fehlte, war das Flugblatt, etwas, was dem volks¬ tümlichen Holzschnitt, dem bildlich geschmückten Einzelgedicht früherer Zeiten gleichkam. Dazu sind nun endlich die Ansähe vorhanden. Allerdings handelt es sich dabei um die nicht immer deutliche, nicht überall verwendbare Lithographie, aber auch diese hat ja noch reiche Entwicklungsmöglichkeiten und wenn erst der Wert dieser Kunstgattung für die Volksbildung in seiner ganzen Tragweite erkannt werden wird, wird unserer künstlerischen Gesamtkultur aus diesen unschein¬ baren Blättern ein bedeutender Zuwachs entstehen können. Nur möge man das Eisen schmieden, so lange die allgemeine Teilnahme noch rege ist, und sich die Arbeit „für das Volk" — im Grunde die edelste die es gibt — nicht verdrießen lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/327>, abgerufen am 23.07.2024.