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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Skandinavien und der Arieg
Lrnst Liljedahl, ^auptmann und Mitglied des schwedischen Reichstages von

le politische Anschauung, welche die Großmachtpolitik trägt und
die zum Weltkriege geführt hat, ist der Imperialismus. Als man
zuerst anfing, sich dieses Wortes mit Hinweisung auf das alt¬
römische Kaiserreich (das Imperium Komanum) zu bedienen,
bedeutete es eine willkürliche "Soldatenkaiserherrschaft". Wenn
jetzt der Begriff auch in kulturellen merkantilem Sinne gefaßt wird, so ist sein
Träger doch derselbe Grundgedanke: der einer auf militärischer Kraft fußender Welt¬
macht. Der Staatstypus des heutigen Imperialismus ist ein Zentralland als
Mutterland und um dieses herum teils oft eine Gruppe unterjochter Grenzvölker,
teils in der Ferne liegende Kolonien, teils schließlich ein mehr oder weniger
mittelbarer Einfluß innerhalb der übrigen "Interessensphären" der Großmacht
in verschiedenen Weltteilen. Eine lebenskräftige Großmacht trachtet danach,
sich auf diese Weise in erwerbspolitischer Hinsicht von anderen Staaten unab¬
hängig zu machen und den Glanz ihrer Macht zu vergrößern. Rußlands jahr¬
hundertelange Wanderung durch Asien, Polen, die Ostseeprovinzen, Finnland
und nach dem Balkan hinunter, die Spanien entrissenen Eroberungen der Ver¬
einigten Staaten und ihre panamerikanischen Bestrebungen, Japans Vormarsch
auf dem Festlande Asiens, Englands ungeheueres Weltreich, Deutschlands Aus¬
treten als Konkurrent dieser Macht in verschiedenen Weltteilen, Italiens Tripolis¬
streich -- sind bekannte Äußerungen der imperialistischen Politik.

Es ist klar, daß der Imperialismus seine Bahn durchlaufen muß, bis er
seine Mission erfüllt hat, soweit diese ein Ausdruck des eigenen Bedürfnisses
des Lebens ist und also ihre Berechtigung hat. Diese Riesenpolitik bringt die
verschiedenen Teile der Erde in fruchttragende Verbindung miteinander, wie einst¬
mals die Heerzüge der alten Völkerwanderungen. Sie bereitet auf ihre Art
das Verschmelzen der Menschheit in eine künftige Einheit vor. Den ganzen
Imperialismus verabscheuen, weil er eine Menge Rechtsverletzungen erzeugt,
wäre ebenso unvernünftig, wie wenn man den Regen verabscheuen wollte, weil
er oft die Saaten des Bodens durch brutale Überschwemmungen verdirbt. Der
Imperialismus repräsentiert eine wirksame Arbeitsmethode, ein von gigantischen




Skandinavien und der Arieg
Lrnst Liljedahl, ^auptmann und Mitglied des schwedischen Reichstages von

le politische Anschauung, welche die Großmachtpolitik trägt und
die zum Weltkriege geführt hat, ist der Imperialismus. Als man
zuerst anfing, sich dieses Wortes mit Hinweisung auf das alt¬
römische Kaiserreich (das Imperium Komanum) zu bedienen,
bedeutete es eine willkürliche „Soldatenkaiserherrschaft". Wenn
jetzt der Begriff auch in kulturellen merkantilem Sinne gefaßt wird, so ist sein
Träger doch derselbe Grundgedanke: der einer auf militärischer Kraft fußender Welt¬
macht. Der Staatstypus des heutigen Imperialismus ist ein Zentralland als
Mutterland und um dieses herum teils oft eine Gruppe unterjochter Grenzvölker,
teils in der Ferne liegende Kolonien, teils schließlich ein mehr oder weniger
mittelbarer Einfluß innerhalb der übrigen „Interessensphären" der Großmacht
in verschiedenen Weltteilen. Eine lebenskräftige Großmacht trachtet danach,
sich auf diese Weise in erwerbspolitischer Hinsicht von anderen Staaten unab¬
hängig zu machen und den Glanz ihrer Macht zu vergrößern. Rußlands jahr¬
hundertelange Wanderung durch Asien, Polen, die Ostseeprovinzen, Finnland
und nach dem Balkan hinunter, die Spanien entrissenen Eroberungen der Ver¬
einigten Staaten und ihre panamerikanischen Bestrebungen, Japans Vormarsch
auf dem Festlande Asiens, Englands ungeheueres Weltreich, Deutschlands Aus¬
treten als Konkurrent dieser Macht in verschiedenen Weltteilen, Italiens Tripolis¬
streich — sind bekannte Äußerungen der imperialistischen Politik.

Es ist klar, daß der Imperialismus seine Bahn durchlaufen muß, bis er
seine Mission erfüllt hat, soweit diese ein Ausdruck des eigenen Bedürfnisses
des Lebens ist und also ihre Berechtigung hat. Diese Riesenpolitik bringt die
verschiedenen Teile der Erde in fruchttragende Verbindung miteinander, wie einst¬
mals die Heerzüge der alten Völkerwanderungen. Sie bereitet auf ihre Art
das Verschmelzen der Menschheit in eine künftige Einheit vor. Den ganzen
Imperialismus verabscheuen, weil er eine Menge Rechtsverletzungen erzeugt,
wäre ebenso unvernünftig, wie wenn man den Regen verabscheuen wollte, weil
er oft die Saaten des Bodens durch brutale Überschwemmungen verdirbt. Der
Imperialismus repräsentiert eine wirksame Arbeitsmethode, ein von gigantischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/302>, abgerufen am 22.07.2024.