Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Der Dichterheld von Przemysl [Beginn Spaltensatz]
Baume, sag' doch, war es Damals nicht wie heute? Fiel nicht auch ein Recht, ein klares, Irren Wahn zur Beute?! Damals, grimm und blutig Drohten Räuberscharen, Doch auch damals klang es mutig: Vorwärts! Auf! Madjaren! Baume, zum Kreuzhimmel . . . ! Damals ward gerungen! Schmach traf jeden feigen Lümmel, Der kein Schwert geschwungen. Krakau sah uns reiten, Warschau sah uns rasten, Die wir wie der Blitz im Gleiten Die Verräter faßten. [Spaltenumbruch] Baume, o du Greiner, Hat's dich sonst verdrossen, Weil das Glück des Großwardeiner Bischofs dir verschlossen? Nahm' er dich zum Erben -- Buchöl du fern dem Heere, Das mit siegen oder sterben Kämpfe um Ungarns Ehre? Baume, nur nicht grämlich! Und mit Gott nicht rechten I Selber, wenn es not tat nämlich, Ging' er mit uns fechten. Gott verleiht uns Stärke, Daß uns Siege reifen. Engel Gabriel ist am Werke, Gottes Schwert zu schleifen. [Ende Spaltensatz] Baume, forsch I Kopf oben! Sieh mein Auge brennen -- Hundertjährigen Zornes Toben Kannst du drin erkennnen. Und ich will dich lehren Auf Kurutzen bauen: Trug als Schreiber einst in Ehren Rakoczis Vertrauen. Rakoczi, Franz Rakoczi der Zweite, war der Führer der Kurutzen, die Der eigenen, aus Freiheit- und Vaterlandsliebe erglommenen Kampf¬ Alexis an Alexandra Winternacht I Im Lager schnarcht die Mannschaft.Fern ein Sternlein flackert durch die Landschaft. Ist's ein Stern? Ist's Licht vom Stadtpalaste? Drüben geh'n sie nicht so früh zu Rastel Übern Kreuz am Hügel steigt das runde Mondgesicht glutrot aus nächtigem Grunde, Rot ^ wie die Gesichter glühn der frechen Herrschaften, die auf dem Schlosse zechen. Rotes Licht auch flutet auf die Gäste Wie beim Petersburger Königsfeste. . . . Nackte Weiber, Frankreichs Weiber, Geben Preis beim Kankan ihre Leiber. Glühend heiß im Saal ist'S---fort die Hüllen! Das nennt Frankreich: Bundespflicht erfüllen! Gräber schaufeln wir, der Frost ist bitter, -- Drüben glühn in Brunst die Knutenritter. Der Dichterheld von Przemysl [Beginn Spaltensatz]
Baume, sag' doch, war es Damals nicht wie heute? Fiel nicht auch ein Recht, ein klares, Irren Wahn zur Beute?! Damals, grimm und blutig Drohten Räuberscharen, Doch auch damals klang es mutig: Vorwärts! Auf! Madjaren! Baume, zum Kreuzhimmel . . . ! Damals ward gerungen! Schmach traf jeden feigen Lümmel, Der kein Schwert geschwungen. Krakau sah uns reiten, Warschau sah uns rasten, Die wir wie der Blitz im Gleiten Die Verräter faßten. [Spaltenumbruch] Baume, o du Greiner, Hat's dich sonst verdrossen, Weil das Glück des Großwardeiner Bischofs dir verschlossen? Nahm' er dich zum Erben — Buchöl du fern dem Heere, Das mit siegen oder sterben Kämpfe um Ungarns Ehre? Baume, nur nicht grämlich! Und mit Gott nicht rechten I Selber, wenn es not tat nämlich, Ging' er mit uns fechten. Gott verleiht uns Stärke, Daß uns Siege reifen. Engel Gabriel ist am Werke, Gottes Schwert zu schleifen. [Ende Spaltensatz] Baume, forsch I Kopf oben! Sieh mein Auge brennen — Hundertjährigen Zornes Toben Kannst du drin erkennnen. Und ich will dich lehren Auf Kurutzen bauen: Trug als Schreiber einst in Ehren Rakoczis Vertrauen. Rakoczi, Franz Rakoczi der Zweite, war der Führer der Kurutzen, die Der eigenen, aus Freiheit- und Vaterlandsliebe erglommenen Kampf¬ Alexis an Alexandra Winternacht I Im Lager schnarcht die Mannschaft.Fern ein Sternlein flackert durch die Landschaft. Ist's ein Stern? Ist's Licht vom Stadtpalaste? Drüben geh'n sie nicht so früh zu Rastel Übern Kreuz am Hügel steigt das runde Mondgesicht glutrot aus nächtigem Grunde, Rot ^ wie die Gesichter glühn der frechen Herrschaften, die auf dem Schlosse zechen. Rotes Licht auch flutet auf die Gäste Wie beim Petersburger Königsfeste. . . . Nackte Weiber, Frankreichs Weiber, Geben Preis beim Kankan ihre Leiber. Glühend heiß im Saal ist'S---fort die Hüllen! Das nennt Frankreich: Bundespflicht erfüllen! Gräber schaufeln wir, der Frost ist bitter, — Drüben glühn in Brunst die Knutenritter. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324266"/> <fw type="header" place="top"> Der Dichterheld von Przemysl</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_42" type="poem"> <l><cb type="start"/> Baume, sag' doch, war es<lb/> Damals nicht wie heute?<lb/> Fiel nicht auch ein Recht, ein klares,<lb/> Irren Wahn zur Beute?!<lb/> Damals, grimm und blutig<lb/> Drohten Räuberscharen,<lb/> Doch auch damals klang es mutig:<lb/> Vorwärts! Auf! Madjaren! Baume, zum Kreuzhimmel . . . !<lb/> Damals ward gerungen!<lb/> Schmach traf jeden feigen Lümmel,<lb/> Der kein Schwert geschwungen.<lb/> Krakau sah uns reiten,<lb/> Warschau sah uns rasten,<lb/> Die wir wie der Blitz im Gleiten<lb/> Die Verräter faßten. <cb/> Baume, o du Greiner,<lb/> Hat's dich sonst verdrossen,<lb/> Weil das Glück des Großwardeiner<lb/> Bischofs dir verschlossen?<lb/> Nahm' er dich zum Erben —<lb/> Buchöl du fern dem Heere,<lb/> Das mit siegen oder sterben<lb/> Kämpfe um Ungarns Ehre? Baume, nur nicht grämlich!<lb/> Und mit Gott nicht rechten I<lb/> Selber, wenn es not tat nämlich,<lb/> Ging' er mit uns fechten.<lb/> Gott verleiht uns Stärke,<lb/> Daß uns Siege reifen.<lb/> Engel Gabriel ist am Werke,<lb/> Gottes Schwert zu schleifen. <cb type="end"/> Baume, forsch I Kopf oben!<lb/> Sieh mein Auge brennen —<lb/> Hundertjährigen Zornes Toben<lb/> Kannst du drin erkennnen.<lb/> Und ich will dich lehren<lb/> Auf Kurutzen bauen:<lb/> Trug als Schreiber einst in Ehren<lb/> Rakoczis Vertrauen. </l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_901"> Rakoczi, Franz Rakoczi der Zweite, war der Führer der Kurutzen, die<lb/> im vorigen Jahrhundert als Freiheitskämpfer für die ungarische und protestantische<lb/> Sache wirkten.</p><lb/> <p xml:id="ID_902"> Der eigenen, aus Freiheit- und Vaterlandsliebe erglommenen Kampf¬<lb/> begeisterung stellt Gyoni die Verzweiflung des zum Sklaven herabgewürdigten<lb/> Feindes entgegen. So dichtet er den „Brief aus dem Russenlager":</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_43" type="poem"> <head> Alexis an Alexandra</head> <l> Winternacht I Im Lager schnarcht die Mannschaft.<lb/> Fern ein Sternlein flackert durch die Landschaft.<lb/> Ist's ein Stern? Ist's Licht vom Stadtpalaste?<lb/> Drüben geh'n sie nicht so früh zu Rastel<lb/> Übern Kreuz am Hügel steigt das runde<lb/> Mondgesicht glutrot aus nächtigem Grunde,<lb/> Rot ^ wie die Gesichter glühn der frechen<lb/> Herrschaften, die auf dem Schlosse zechen. Rotes Licht auch flutet auf die Gäste<lb/> Wie beim Petersburger Königsfeste.<lb/> . . . Nackte Weiber, Frankreichs Weiber,<lb/> Geben Preis beim Kankan ihre Leiber.<lb/> Glühend heiß im Saal ist'S---fort die Hüllen!<lb/> Das nennt Frankreich: Bundespflicht erfüllen!<lb/> Gräber schaufeln wir, der Frost ist bitter, —<lb/> Drüben glühn in Brunst die Knutenritter. </l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0293]
Der Dichterheld von Przemysl
Baume, sag' doch, war es
Damals nicht wie heute?
Fiel nicht auch ein Recht, ein klares,
Irren Wahn zur Beute?!
Damals, grimm und blutig
Drohten Räuberscharen,
Doch auch damals klang es mutig:
Vorwärts! Auf! Madjaren! Baume, zum Kreuzhimmel . . . !
Damals ward gerungen!
Schmach traf jeden feigen Lümmel,
Der kein Schwert geschwungen.
Krakau sah uns reiten,
Warschau sah uns rasten,
Die wir wie der Blitz im Gleiten
Die Verräter faßten.
Baume, o du Greiner,
Hat's dich sonst verdrossen,
Weil das Glück des Großwardeiner
Bischofs dir verschlossen?
Nahm' er dich zum Erben —
Buchöl du fern dem Heere,
Das mit siegen oder sterben
Kämpfe um Ungarns Ehre? Baume, nur nicht grämlich!
Und mit Gott nicht rechten I
Selber, wenn es not tat nämlich,
Ging' er mit uns fechten.
Gott verleiht uns Stärke,
Daß uns Siege reifen.
Engel Gabriel ist am Werke,
Gottes Schwert zu schleifen.
Baume, forsch I Kopf oben!
Sieh mein Auge brennen —
Hundertjährigen Zornes Toben
Kannst du drin erkennnen.
Und ich will dich lehren
Auf Kurutzen bauen:
Trug als Schreiber einst in Ehren
Rakoczis Vertrauen.
Rakoczi, Franz Rakoczi der Zweite, war der Führer der Kurutzen, die
im vorigen Jahrhundert als Freiheitskämpfer für die ungarische und protestantische
Sache wirkten.
Der eigenen, aus Freiheit- und Vaterlandsliebe erglommenen Kampf¬
begeisterung stellt Gyoni die Verzweiflung des zum Sklaven herabgewürdigten
Feindes entgegen. So dichtet er den „Brief aus dem Russenlager":
Alexis an Alexandra Winternacht I Im Lager schnarcht die Mannschaft.
Fern ein Sternlein flackert durch die Landschaft.
Ist's ein Stern? Ist's Licht vom Stadtpalaste?
Drüben geh'n sie nicht so früh zu Rastel
Übern Kreuz am Hügel steigt das runde
Mondgesicht glutrot aus nächtigem Grunde,
Rot ^ wie die Gesichter glühn der frechen
Herrschaften, die auf dem Schlosse zechen. Rotes Licht auch flutet auf die Gäste
Wie beim Petersburger Königsfeste.
. . . Nackte Weiber, Frankreichs Weiber,
Geben Preis beim Kankan ihre Leiber.
Glühend heiß im Saal ist'S---fort die Hüllen!
Das nennt Frankreich: Bundespflicht erfüllen!
Gräber schaufeln wir, der Frost ist bitter, —
Drüben glühn in Brunst die Knutenritter.
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