Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Jnnenkämpfe Großbritanniens alle Beteiligten an den unrechten Stellen zu stark belastet: Unternehmer, Arbeiter Traurige Mißverhältnisse herrschen auch bei den von Lloyd Georges vor Die englischen Kleinwirtschaften-Acts hatten von jeher -- auch unter den Die alte Arbeitsstruktur Großbritanniens war auch nicht gerecht gegen die Jnnenkämpfe Großbritanniens alle Beteiligten an den unrechten Stellen zu stark belastet: Unternehmer, Arbeiter Traurige Mißverhältnisse herrschen auch bei den von Lloyd Georges vor Die englischen Kleinwirtschaften-Acts hatten von jeher — auch unter den Die alte Arbeitsstruktur Großbritanniens war auch nicht gerecht gegen die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324257"/> <fw type="header" place="top"> Jnnenkämpfe Großbritanniens</fw><lb/> <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> alle Beteiligten an den unrechten Stellen zu stark belastet: Unternehmer, Arbeiter<lb/> und Staat. Infolge des Versagens der britischen Beamtenschaft sind Kosten,<lb/> Aufwendungen und Ertrag jener Versicherungen in stetem Mißverhältnis. In<lb/> Irland wirkt die Alterspenfion direkt als charitatives Zerrbild.</p><lb/> <p xml:id="ID_875"> Traurige Mißverhältnisse herrschen auch bei den von Lloyd Georges vor<lb/> allem beeinflußten agrarischen Reform-Acts sowie bei den eigentlichen Schutz-<lb/> gesctzen 'für die Arbeitsentlohnung gewisser Industriearbeiter. Die neueren<lb/> „^Ilotment /^et.3", der „Improvement ^et" usw., alle die modernsten agrarischen<lb/> Gesetze Englands haben kleine, arg kleine Erfolge mit starker, finanzieller<lb/> Staatsbelastung ergeben. Diese Acts klammern sich, ebenso wie die KousinZ ok<lb/> ins vorkam-^elf und andere hygienisch gerichtete Gesetze des Kabinetts Asquith-<lb/> Lloyd Georges — trotz aller Triebe nach Staatsübergewalt — zu sehr an den<lb/> guten Willen des einzelnen, an einen „guten Willen", der nicht da ist. So<lb/> werden die Kleinwirtschaften, die unter Staatszwang von eounties und anderen<lb/> Lokalverbänden wirklich abgesteckt werden, im besten Falle Sport-Kleinwirt¬<lb/> schaften ohne viel Ertragswert; oder sie dienen — „auch hinten herum" —<lb/> dem Vergnügungsbedürfnis kleinerer Sportsleute mit Raum-, Freilandsehnsucht<lb/> und ohne Wunsch nach irgendeinem pflanzlichen Bodenertrag.</p><lb/> <p xml:id="ID_876"> Die englischen Kleinwirtschaften-Acts hatten von jeher — auch unter den<lb/> Kabinetten Gladstone und Salisbury — etwas spielerisches. Die tote Land¬<lb/> wirtschaft Großbritanniens würde übrigens auch bei großzügiger Jnnenkoloni-<lb/> sation, die anders wie Mr. David Lloyd Georges die Ertragszwecke des<lb/> Bodens und nicht nur das Vorhandensein des Raumes für Freiland bewerten<lb/> würde, ohne weiteres nicht wieder lebendig werden. Die agrarische Jnnen-<lb/> kolonisation an sich würde relativ bald wieder einschlafen zu Zeiten, in denen<lb/> England an seine maritime Übermacht und an den gesegneten Boden seiner<lb/> großen Überseekolonien nach glauben könnte. Möglicherweise helfen unsere Untersee¬<lb/> boote dem Wiedererwecker der englischen Landwirtschaft besser als alle Lrrmll<lb/> riolämZ TVcts usw. Die eigentlichen, vor dem Kriege gegebenen Arbeits-Acts<lb/> des liberalen Kabinetts haben soziale Umorientierungen in „Nebenpunkten" mit<lb/> wahrer Überspanntheit versucht. Man denke zum Beispiel an die Einführung von<lb/> Mindestlöhnen für gewisse schlecht entlohnte Industriearbeiter. Leider hat es<lb/> sich bei derartigen mechanischen Änderungsversuchen auch wiederum ähnlich wie<lb/> in der „Tochter-Kolonie", dem Commonwealth von Australien, gezeigt, daß<lb/> einfache Zwangsmittel die Produktionsprozesse eines Landes kaum gerechter<lb/> machen. Wenn kein organischer Gerechtigkeitswille die Arbeitsprozesse einer<lb/> Nation belebt, so helfen formulierte Regeln, reglementierte Palliativ- und Heil¬<lb/> mittelchen herzlich wenig. Gesetzeskraft hängt von dem Gewissen ab, nicht das<lb/> Nationalgewissen von Formeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_877" next="#ID_878"> Die alte Arbeitsstruktur Großbritanniens war auch nicht gerecht gegen die<lb/> Schwachen: es genügt das Zurückrufen des Philantropennamen Owen, um<lb/> zu zeigen, als wie ungerecht sie wenigstens von einem englischen Outsider</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0284]
Jnnenkämpfe Großbritanniens
alle Beteiligten an den unrechten Stellen zu stark belastet: Unternehmer, Arbeiter
und Staat. Infolge des Versagens der britischen Beamtenschaft sind Kosten,
Aufwendungen und Ertrag jener Versicherungen in stetem Mißverhältnis. In
Irland wirkt die Alterspenfion direkt als charitatives Zerrbild.
Traurige Mißverhältnisse herrschen auch bei den von Lloyd Georges vor
allem beeinflußten agrarischen Reform-Acts sowie bei den eigentlichen Schutz-
gesctzen 'für die Arbeitsentlohnung gewisser Industriearbeiter. Die neueren
„^Ilotment /^et.3", der „Improvement ^et" usw., alle die modernsten agrarischen
Gesetze Englands haben kleine, arg kleine Erfolge mit starker, finanzieller
Staatsbelastung ergeben. Diese Acts klammern sich, ebenso wie die KousinZ ok
ins vorkam-^elf und andere hygienisch gerichtete Gesetze des Kabinetts Asquith-
Lloyd Georges — trotz aller Triebe nach Staatsübergewalt — zu sehr an den
guten Willen des einzelnen, an einen „guten Willen", der nicht da ist. So
werden die Kleinwirtschaften, die unter Staatszwang von eounties und anderen
Lokalverbänden wirklich abgesteckt werden, im besten Falle Sport-Kleinwirt¬
schaften ohne viel Ertragswert; oder sie dienen — „auch hinten herum" —
dem Vergnügungsbedürfnis kleinerer Sportsleute mit Raum-, Freilandsehnsucht
und ohne Wunsch nach irgendeinem pflanzlichen Bodenertrag.
Die englischen Kleinwirtschaften-Acts hatten von jeher — auch unter den
Kabinetten Gladstone und Salisbury — etwas spielerisches. Die tote Land¬
wirtschaft Großbritanniens würde übrigens auch bei großzügiger Jnnenkoloni-
sation, die anders wie Mr. David Lloyd Georges die Ertragszwecke des
Bodens und nicht nur das Vorhandensein des Raumes für Freiland bewerten
würde, ohne weiteres nicht wieder lebendig werden. Die agrarische Jnnen-
kolonisation an sich würde relativ bald wieder einschlafen zu Zeiten, in denen
England an seine maritime Übermacht und an den gesegneten Boden seiner
großen Überseekolonien nach glauben könnte. Möglicherweise helfen unsere Untersee¬
boote dem Wiedererwecker der englischen Landwirtschaft besser als alle Lrrmll
riolämZ TVcts usw. Die eigentlichen, vor dem Kriege gegebenen Arbeits-Acts
des liberalen Kabinetts haben soziale Umorientierungen in „Nebenpunkten" mit
wahrer Überspanntheit versucht. Man denke zum Beispiel an die Einführung von
Mindestlöhnen für gewisse schlecht entlohnte Industriearbeiter. Leider hat es
sich bei derartigen mechanischen Änderungsversuchen auch wiederum ähnlich wie
in der „Tochter-Kolonie", dem Commonwealth von Australien, gezeigt, daß
einfache Zwangsmittel die Produktionsprozesse eines Landes kaum gerechter
machen. Wenn kein organischer Gerechtigkeitswille die Arbeitsprozesse einer
Nation belebt, so helfen formulierte Regeln, reglementierte Palliativ- und Heil¬
mittelchen herzlich wenig. Gesetzeskraft hängt von dem Gewissen ab, nicht das
Nationalgewissen von Formeln.
Die alte Arbeitsstruktur Großbritanniens war auch nicht gerecht gegen die
Schwachen: es genügt das Zurückrufen des Philantropennamen Owen, um
zu zeigen, als wie ungerecht sie wenigstens von einem englischen Outsider
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |