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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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forderungen wirkt ja im Raum, im Leben überhaupt überall bereits in einer
Weise umgestaltend, und zwar vorzugsweise negativ-verändernd, daß dieses Zer¬
stören schon an sich die noch mangelnde Reife, den groben Absolutismus jener
Ideenwelt offenbaren muß.

Das Programm von Lloyd Georges heißt kurz: erstes Einführen ge¬
wisser Ueberforderungen des internationalen Neformsozialismus in England
unter vorläufigen Schonen der altinsularen, kapitalistischen Aufbaues des britischen
Wirtschaftslebens!

Diesen historisch gegründeten Aufbau will Lloyd Georges in den tiefsten
Tiefen seiner insular"ehrgeizigen Seele noch nicht lockern -- trotz seiner Worte,
die vielfach nur eine brutale Abart vom alten, lieben "eaut" sind.

Daß er diesen Aufbau in Wahrheit jedoch lockert, liegt in der brutaleren
Einseitigkeit des Programms eines internationalen Reformsozialismus. Des
letzteren Programm bedeutet im Kern ja eigentlich nur die Anbahnung eines
mechanischen Prinzips: tunlichste Umsetzung der individuellen Arbeit und des
individuellen Arbeitserfolges in Kollektivarbeit und vor allem Kollektivarbeitserfolg.

Wer nun die Seitenzweige dieser Doktrin in sein Land führt, der nimmt,
ohne dieses vielleicht zu wollen, in Wahrheit die einfache, grobe Wurzel dieser
Lehre in seine Hände und pflanzt sie. gibt ihr, wenigstens potentiell, geheime
Kraft, während er nur das Zwetglein, höchstens einen Steckling, einzubringen
scheinen mag.

Das hat Lloyd Georges bislang schon getan. Der Beginn seiner großen,
"sozialen" Karriere war ein überspanntes Nachbilden unserer deutschen, sozialen
Finsorgetätigkeit. Die Alters- und Krankenversicherungen, die das liberale
Kabinett mit dem 8pintu3 reewr Lloyd Georges durch das Kouse trieb, waren
eine für uns seltsame Mischung von Verneigen vor dem echt britischen, dem
privaten Korporationsindividualismus der traäe unions und von Unterliegen
unter mechanische Lehren internationaler "Revisioussozialisten". Mit ihrer mangel¬
haften, finanziellen Grundlage wurden sie schlecht gebaute, soziale Kleinstützen.
Dabei sind Alters- und Krankenversicherungen an sich gewiß notwendige, soziale
Hilfen, beileibe keine revolutionierenden Mittel. Bei uns. in dem "Beamten-
"ut Junkerstaat", sind sie auf friedlichem Wege, im Sinn edlen, historisch
gegründeten Reformwillens eingeführt worden. Bei dem Stand der britischen
Nationalpsyche wirkten sie "als Revolutionsversuche": Englands kapitalistischer
Instinkt schlug wütend gegen einen nur mechanisch verstandenen Helfernnllen.
Englischer "Militarismus" fand auch bei dieser Gelegenheit nicht die LebensKme
Wischer Egoismus und altruistischer, staatlicher Harmonie. Baco, Hoboes.
Hume. Bentham. Smith. I. Se. Mill und H. Spencer - sie alle haben nut
Hrer utilitaristisch-ethischen Philosophie keine reine, organisch gewachsene, fozmle
Güte auf ihrer Insel hervorrufen können.

Die neuen englischen Alters- und Krankenversicherungen haben bislang
weder die Beschützten, noch die Reformer selbst befriedigt. Durch ste werden


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forderungen wirkt ja im Raum, im Leben überhaupt überall bereits in einer
Weise umgestaltend, und zwar vorzugsweise negativ-verändernd, daß dieses Zer¬
stören schon an sich die noch mangelnde Reife, den groben Absolutismus jener
Ideenwelt offenbaren muß.

Das Programm von Lloyd Georges heißt kurz: erstes Einführen ge¬
wisser Ueberforderungen des internationalen Neformsozialismus in England
unter vorläufigen Schonen der altinsularen, kapitalistischen Aufbaues des britischen
Wirtschaftslebens!

Diesen historisch gegründeten Aufbau will Lloyd Georges in den tiefsten
Tiefen seiner insular«ehrgeizigen Seele noch nicht lockern — trotz seiner Worte,
die vielfach nur eine brutale Abart vom alten, lieben „eaut" sind.

Daß er diesen Aufbau in Wahrheit jedoch lockert, liegt in der brutaleren
Einseitigkeit des Programms eines internationalen Reformsozialismus. Des
letzteren Programm bedeutet im Kern ja eigentlich nur die Anbahnung eines
mechanischen Prinzips: tunlichste Umsetzung der individuellen Arbeit und des
individuellen Arbeitserfolges in Kollektivarbeit und vor allem Kollektivarbeitserfolg.

Wer nun die Seitenzweige dieser Doktrin in sein Land führt, der nimmt,
ohne dieses vielleicht zu wollen, in Wahrheit die einfache, grobe Wurzel dieser
Lehre in seine Hände und pflanzt sie. gibt ihr, wenigstens potentiell, geheime
Kraft, während er nur das Zwetglein, höchstens einen Steckling, einzubringen
scheinen mag.

Das hat Lloyd Georges bislang schon getan. Der Beginn seiner großen,
»sozialen" Karriere war ein überspanntes Nachbilden unserer deutschen, sozialen
Finsorgetätigkeit. Die Alters- und Krankenversicherungen, die das liberale
Kabinett mit dem 8pintu3 reewr Lloyd Georges durch das Kouse trieb, waren
eine für uns seltsame Mischung von Verneigen vor dem echt britischen, dem
privaten Korporationsindividualismus der traäe unions und von Unterliegen
unter mechanische Lehren internationaler „Revisioussozialisten". Mit ihrer mangel¬
haften, finanziellen Grundlage wurden sie schlecht gebaute, soziale Kleinstützen.
Dabei sind Alters- und Krankenversicherungen an sich gewiß notwendige, soziale
Hilfen, beileibe keine revolutionierenden Mittel. Bei uns. in dem „Beamten-
"ut Junkerstaat", sind sie auf friedlichem Wege, im Sinn edlen, historisch
gegründeten Reformwillens eingeführt worden. Bei dem Stand der britischen
Nationalpsyche wirkten sie „als Revolutionsversuche": Englands kapitalistischer
Instinkt schlug wütend gegen einen nur mechanisch verstandenen Helfernnllen.
Englischer „Militarismus" fand auch bei dieser Gelegenheit nicht die LebensKme
Wischer Egoismus und altruistischer, staatlicher Harmonie. Baco, Hoboes.
Hume. Bentham. Smith. I. Se. Mill und H. Spencer - sie alle haben nut
Hrer utilitaristisch-ethischen Philosophie keine reine, organisch gewachsene, fozmle
Güte auf ihrer Insel hervorrufen können.

Die neuen englischen Alters- und Krankenversicherungen haben bislang
weder die Beschützten, noch die Reformer selbst befriedigt. Durch ste werden


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[0283] Innenkcimpfe Großbritanniens forderungen wirkt ja im Raum, im Leben überhaupt überall bereits in einer Weise umgestaltend, und zwar vorzugsweise negativ-verändernd, daß dieses Zer¬ stören schon an sich die noch mangelnde Reife, den groben Absolutismus jener Ideenwelt offenbaren muß. Das Programm von Lloyd Georges heißt kurz: erstes Einführen ge¬ wisser Ueberforderungen des internationalen Neformsozialismus in England unter vorläufigen Schonen der altinsularen, kapitalistischen Aufbaues des britischen Wirtschaftslebens! Diesen historisch gegründeten Aufbau will Lloyd Georges in den tiefsten Tiefen seiner insular«ehrgeizigen Seele noch nicht lockern — trotz seiner Worte, die vielfach nur eine brutale Abart vom alten, lieben „eaut" sind. Daß er diesen Aufbau in Wahrheit jedoch lockert, liegt in der brutaleren Einseitigkeit des Programms eines internationalen Reformsozialismus. Des letzteren Programm bedeutet im Kern ja eigentlich nur die Anbahnung eines mechanischen Prinzips: tunlichste Umsetzung der individuellen Arbeit und des individuellen Arbeitserfolges in Kollektivarbeit und vor allem Kollektivarbeitserfolg. Wer nun die Seitenzweige dieser Doktrin in sein Land führt, der nimmt, ohne dieses vielleicht zu wollen, in Wahrheit die einfache, grobe Wurzel dieser Lehre in seine Hände und pflanzt sie. gibt ihr, wenigstens potentiell, geheime Kraft, während er nur das Zwetglein, höchstens einen Steckling, einzubringen scheinen mag. Das hat Lloyd Georges bislang schon getan. Der Beginn seiner großen, »sozialen" Karriere war ein überspanntes Nachbilden unserer deutschen, sozialen Finsorgetätigkeit. Die Alters- und Krankenversicherungen, die das liberale Kabinett mit dem 8pintu3 reewr Lloyd Georges durch das Kouse trieb, waren eine für uns seltsame Mischung von Verneigen vor dem echt britischen, dem privaten Korporationsindividualismus der traäe unions und von Unterliegen unter mechanische Lehren internationaler „Revisioussozialisten". Mit ihrer mangel¬ haften, finanziellen Grundlage wurden sie schlecht gebaute, soziale Kleinstützen. Dabei sind Alters- und Krankenversicherungen an sich gewiß notwendige, soziale Hilfen, beileibe keine revolutionierenden Mittel. Bei uns. in dem „Beamten- "ut Junkerstaat", sind sie auf friedlichem Wege, im Sinn edlen, historisch gegründeten Reformwillens eingeführt worden. Bei dem Stand der britischen Nationalpsyche wirkten sie „als Revolutionsversuche": Englands kapitalistischer Instinkt schlug wütend gegen einen nur mechanisch verstandenen Helfernnllen. Englischer „Militarismus" fand auch bei dieser Gelegenheit nicht die LebensKme Wischer Egoismus und altruistischer, staatlicher Harmonie. Baco, Hoboes. Hume. Bentham. Smith. I. Se. Mill und H. Spencer - sie alle haben nut Hrer utilitaristisch-ethischen Philosophie keine reine, organisch gewachsene, fozmle Güte auf ihrer Insel hervorrufen können. Die neuen englischen Alters- und Krankenversicherungen haben bislang weder die Beschützten, noch die Reformer selbst befriedigt. Durch ste werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/283>, abgerufen am 23.07.2024.