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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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(vstpreußenhilfe

Handen sind, desto mehr Geschäfte können in den Städten bestehen, dann find
auch zahlungsfähige Steuerzahler vorhanden, es kann für die Stadt etwas ge¬
schehen, auch an ihre Verschönerung kann vielleicht gedacht werden, so daß sie
auch Leuten, die sich zur Ruhe setzen, noch als ein wünschenswerter Wohnort
erscheint, während jetzt jeder, der genng verdient hat, die Kleinstadt schleunigst
verläßt und nach Königsberg oder noch weiter verzieht. Alle diese Bedingungen
für eine Lebensfähigkeit der kleinen Städte können aber nur geschaffen werden
durch eine energische innere Kolonisation, und diese muß hauptsächlich da ein¬
setzen, wo sie am nötigsten ist, in den deutschen, vorwiegend dem Großgrund¬
besitz ungehörigen Teilen des Regierungsbezirks Königsberg. In Litauen ist
schon ein Bauernstand vorhanden, im Ermland erst recht, aber da wo er fehlt,
muß er geschaffen werden, sonst wird aus den kleinen Städten in diesen Teilen
nie etwas Rechtes werden. Man möchte fast sagen, es sind im Verhältnis zu
anderen Teilen des deutschen Ostens in Ostpreußen viel zu viel kleine Städte
vorhanden, was sich daraus erklärt, daß der Deutsche Orden eine große Anzahl
befestigter Plätze aus militärischen Gründen anlegte, die dann zu Städten
wurden. Sie sind aber nun einmal vorhanden und es ist auch gut. daß sie
da sind, denn sie können und müssen eben zu Kristallisationspunkten für eine
zahlreichere Bevölkerung werden, ohne die Ostpreußen nicht bestehen kann. In
ihnen müssen auch die Bestrebungen, die die geistige Hebung der Bevölkerung
bezwecken, wie Büchereien, Wandertheater ihre Stützpunkte finden. Solche
Bestrebungen haben an sich gute Aussichten, denn die ostpreußtsche Bevölkerung,
wenigstens in dem deutschen Teil, ist durchaus nicht stumpfsinnig, sondern recht
geweckt und intelligent, aber wie gesagt, es müssen Kleingrundbesitzer in der
Umgegend sein, Leute, die in der Kleinstadt auch ihren geistigen Mittelpunkt
finden, nicht in Königsberg oder Berlin. Also man mag die Sache betrachten,
von welcher Seite man will, man kommt immer wieder darauf zurück: eine
kräftige innere Kolonisation ist das A und O, die unerläßliche Grundbedingung
aller Ostpreußenhilfe. Was die ostpreußische Läutgesellschaft in den letzten
Jahren in dieser Beziehung geleistet hat, ist aller Ehren wert, besonders wenn
man weiß, mit welchen Schwierigkeiten sie vielfach zu kämpfen gehabt hat,
aber bei aller Anerkennung ihrer Leistungen muß man sagen, sie genügen noch
nicht, es muß weit kräftiger vorgegangen werden, wenn die Ergebnisse erreicht
werden sollen, die erreicht werden müssen, wenn man der Provinz wirklich
helfen will. Selbstverständlich ist auf der anderen Seite das Auslaufen von
Bauernstellen durch den Großgrundbesitz zu verhindern, wenn nicht anders,
durch gesetzliches Verbot. Wenn aber ein leistungsfähiger Kleingrundbesitz ge¬
schaffen ist, wozu auch das in Ostpreußen schon recht entwickelte Genossenschafts¬
wesen beitragen wird, dann erst werden alle die anderen Bestrebungen den
gesunden Untergrund finden, auf dem sie zum Heile der jetzt so schwer heim¬
gesuchten Provinz kräftig emporwachsen können. Es gehört aber ein sehr
kräftiger Wille zur Erreichung des Zieles.




(vstpreußenhilfe

Handen sind, desto mehr Geschäfte können in den Städten bestehen, dann find
auch zahlungsfähige Steuerzahler vorhanden, es kann für die Stadt etwas ge¬
schehen, auch an ihre Verschönerung kann vielleicht gedacht werden, so daß sie
auch Leuten, die sich zur Ruhe setzen, noch als ein wünschenswerter Wohnort
erscheint, während jetzt jeder, der genng verdient hat, die Kleinstadt schleunigst
verläßt und nach Königsberg oder noch weiter verzieht. Alle diese Bedingungen
für eine Lebensfähigkeit der kleinen Städte können aber nur geschaffen werden
durch eine energische innere Kolonisation, und diese muß hauptsächlich da ein¬
setzen, wo sie am nötigsten ist, in den deutschen, vorwiegend dem Großgrund¬
besitz ungehörigen Teilen des Regierungsbezirks Königsberg. In Litauen ist
schon ein Bauernstand vorhanden, im Ermland erst recht, aber da wo er fehlt,
muß er geschaffen werden, sonst wird aus den kleinen Städten in diesen Teilen
nie etwas Rechtes werden. Man möchte fast sagen, es sind im Verhältnis zu
anderen Teilen des deutschen Ostens in Ostpreußen viel zu viel kleine Städte
vorhanden, was sich daraus erklärt, daß der Deutsche Orden eine große Anzahl
befestigter Plätze aus militärischen Gründen anlegte, die dann zu Städten
wurden. Sie sind aber nun einmal vorhanden und es ist auch gut. daß sie
da sind, denn sie können und müssen eben zu Kristallisationspunkten für eine
zahlreichere Bevölkerung werden, ohne die Ostpreußen nicht bestehen kann. In
ihnen müssen auch die Bestrebungen, die die geistige Hebung der Bevölkerung
bezwecken, wie Büchereien, Wandertheater ihre Stützpunkte finden. Solche
Bestrebungen haben an sich gute Aussichten, denn die ostpreußtsche Bevölkerung,
wenigstens in dem deutschen Teil, ist durchaus nicht stumpfsinnig, sondern recht
geweckt und intelligent, aber wie gesagt, es müssen Kleingrundbesitzer in der
Umgegend sein, Leute, die in der Kleinstadt auch ihren geistigen Mittelpunkt
finden, nicht in Königsberg oder Berlin. Also man mag die Sache betrachten,
von welcher Seite man will, man kommt immer wieder darauf zurück: eine
kräftige innere Kolonisation ist das A und O, die unerläßliche Grundbedingung
aller Ostpreußenhilfe. Was die ostpreußische Läutgesellschaft in den letzten
Jahren in dieser Beziehung geleistet hat, ist aller Ehren wert, besonders wenn
man weiß, mit welchen Schwierigkeiten sie vielfach zu kämpfen gehabt hat,
aber bei aller Anerkennung ihrer Leistungen muß man sagen, sie genügen noch
nicht, es muß weit kräftiger vorgegangen werden, wenn die Ergebnisse erreicht
werden sollen, die erreicht werden müssen, wenn man der Provinz wirklich
helfen will. Selbstverständlich ist auf der anderen Seite das Auslaufen von
Bauernstellen durch den Großgrundbesitz zu verhindern, wenn nicht anders,
durch gesetzliches Verbot. Wenn aber ein leistungsfähiger Kleingrundbesitz ge¬
schaffen ist, wozu auch das in Ostpreußen schon recht entwickelte Genossenschafts¬
wesen beitragen wird, dann erst werden alle die anderen Bestrebungen den
gesunden Untergrund finden, auf dem sie zum Heile der jetzt so schwer heim¬
gesuchten Provinz kräftig emporwachsen können. Es gehört aber ein sehr
kräftiger Wille zur Erreichung des Zieles.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/194>, abgerufen am 25.08.2024.