Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Der Arieg und der Neubau der höheren Schule Professor or. Wilhelm Martin Becker von I. Denkt Ihr jetzt lieber gar nicht an mich, sondern er Weltkrieg, in dem wir mitten innestehen, ist für uns alle ein Ob auch schon für die Gegenwart? Der Deutsche ahnt, daß ihm mit Beim Blick auf die Schule setzt sich die Frage in eine Forderung um: Der Arieg und der Neubau der höheren Schule Professor or. Wilhelm Martin Becker von I. Denkt Ihr jetzt lieber gar nicht an mich, sondern er Weltkrieg, in dem wir mitten innestehen, ist für uns alle ein Ob auch schon für die Gegenwart? Der Deutsche ahnt, daß ihm mit Beim Blick auf die Schule setzt sich die Frage in eine Forderung um: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324122"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_323972/figures/grenzboten_341901_323972_324122_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Arieg und der Neubau der höheren Schule<lb/><note type="byline"> Professor or. Wilhelm Martin Becker</note> von </head><lb/> <div n="2"> <head> I.</head><lb/> <quote type="epigraph"> Denkt Ihr jetzt lieber gar nicht an mich, sondern<lb/> an nichts als an Eure Aufgaben, Packt Ihr Eure<lb/> Vokabeln an, ich will die Russen packen I<lb/><bibl> Hindenburg an eine Gymnasialklasse</bibl></quote><lb/> <p xml:id="ID_446"> er Weltkrieg, in dem wir mitten innestehen, ist für uns alle ein<lb/> Erlebnis von einziger Bedeutung. Indem es die gewohnten<lb/> Voraussetzungen des inneren wie des äußeren Daseins für un¬<lb/> gültig erklärt, erzeugt es in uns ein Gefühl der Ratlosigkeit;<lb/> dessen suchen wir Herr zu werden, indem wir das Vorhandene<lb/> kritisch daraufhin betrachten, inwieweit es den Ereignissen gegenüber sein Be¬<lb/> stehen rechtfertigen kann. So wird diese Zeit, wenn sie der Mensch durch<lb/> geistige Arbeit überwindet, fruchtbar für die Zukunft.</p><lb/> <p xml:id="ID_447"> Ob auch schon für die Gegenwart? Der Deutsche ahnt, daß ihm mit<lb/> diesem Erlebnis ein Lebensinhalt von überwältigender Kraft gegeben ist, und<lb/> er müßte kein Deutscher sein, wenn er sich nicht darüber Sorgen machte, ob er,<lb/> ob die anderen all das Große wirklich recht innerlich miterleben. Sofern der<lb/> Mensch diese Frage an sich selbst richtet, zeugt sie von tiefer Erfassung dessen,<lb/> was heute not tut; aber in der Frage an andere regt sich der deutsche Schul¬<lb/> meister — und welcher Deutsche wäre das nicht?</p><lb/> <p xml:id="ID_448" next="#ID_449"> Beim Blick auf die Schule setzt sich die Frage in eine Forderung um:<lb/> wir sollen unsere Jugend dahin bringen, daß sie den Krieg recht miterlebt —<lb/> wie wäre es, wenn wir ihn als Unterrichtsfach einsetzten? Etwa eine Kriegs-<lb/> stunde oder zwei in der Woche? Die Zeitbemessung eines Nebenfaches werdet<lb/> ihr dem Krieg doch zugestehen! Man hat in den Wissenschaften vom Leben<lb/> immer bedauert, daß man bei ihnen nicht wie in den exakten Naturwissen-<lb/> schaften Experimente vorführen kann; nun, hier spielt sich ein historisch-politisches<lb/> Experiment großen Stiles ab, man muß die Gelegenheit beim Schöpfe fassen<lb/> wie bei einer Sonnenfinsternis. Der Lehrer brennt darauf, das Ereignis zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0149]
[Abbildung]
Der Arieg und der Neubau der höheren Schule
Professor or. Wilhelm Martin Becker von
I.
Denkt Ihr jetzt lieber gar nicht an mich, sondern
an nichts als an Eure Aufgaben, Packt Ihr Eure
Vokabeln an, ich will die Russen packen I
Hindenburg an eine Gymnasialklasse
er Weltkrieg, in dem wir mitten innestehen, ist für uns alle ein
Erlebnis von einziger Bedeutung. Indem es die gewohnten
Voraussetzungen des inneren wie des äußeren Daseins für un¬
gültig erklärt, erzeugt es in uns ein Gefühl der Ratlosigkeit;
dessen suchen wir Herr zu werden, indem wir das Vorhandene
kritisch daraufhin betrachten, inwieweit es den Ereignissen gegenüber sein Be¬
stehen rechtfertigen kann. So wird diese Zeit, wenn sie der Mensch durch
geistige Arbeit überwindet, fruchtbar für die Zukunft.
Ob auch schon für die Gegenwart? Der Deutsche ahnt, daß ihm mit
diesem Erlebnis ein Lebensinhalt von überwältigender Kraft gegeben ist, und
er müßte kein Deutscher sein, wenn er sich nicht darüber Sorgen machte, ob er,
ob die anderen all das Große wirklich recht innerlich miterleben. Sofern der
Mensch diese Frage an sich selbst richtet, zeugt sie von tiefer Erfassung dessen,
was heute not tut; aber in der Frage an andere regt sich der deutsche Schul¬
meister — und welcher Deutsche wäre das nicht?
Beim Blick auf die Schule setzt sich die Frage in eine Forderung um:
wir sollen unsere Jugend dahin bringen, daß sie den Krieg recht miterlebt —
wie wäre es, wenn wir ihn als Unterrichtsfach einsetzten? Etwa eine Kriegs-
stunde oder zwei in der Woche? Die Zeitbemessung eines Nebenfaches werdet
ihr dem Krieg doch zugestehen! Man hat in den Wissenschaften vom Leben
immer bedauert, daß man bei ihnen nicht wie in den exakten Naturwissen-
schaften Experimente vorführen kann; nun, hier spielt sich ein historisch-politisches
Experiment großen Stiles ab, man muß die Gelegenheit beim Schöpfe fassen
wie bei einer Sonnenfinsternis. Der Lehrer brennt darauf, das Ereignis zu
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