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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Friedensziele von <3<s

Weiter noch geht Hardenberg. Am 4. August überreichte er den Ver¬
bündeten im Namen Preußens eine Erklärung, in der er die Forderungen
aufgestellt hatte, die die Großmächte dem besiegten Frankreich vorlegen sollten.
Kurz und bündig verlangt er darin Geld und Landt Denn wenn man nur
Geld verlange, so sei keine Summe eine hinreichende Entschädigung, da es
auch einem Volke, das mehr Selbstsucht als Vaterlandsliebe habe, weniger
schwer falle, Provinzen abzutreten als Geld zu geben. Denn die Last einer
Steuer falle auf jeden, die Abtretung einiger Departements dagegen nur auf
das Ganze und die Regierung. An Festungen fordert er Dünkirchen, Lille,
Valenciennes, Avesnes, Glock, Meziöres, Thionville, Metz. Saarlouis,
Saargemünd, Bieses, Landau, Belfort, das Fort Lacluse, Brian?on und
das Elsaß.

In richtiger Einschätzung der französischen Volksseele erklärte ähnlich wie
Hardenberg auch der General vom Knesebeck: "Es sei ein gefährlicher Irrtum,
zu glauben, man werde sich die Franzosen durch Großmut und Schonung
geneigt machen, nie würden die Franzosen vergessen, daß sie unterjocht wurden.
Man nehme daher, wozu man das Recht und die Pflicht hat. Preußen ins¬
besondere, seine Minister und der König selbst müßten sich die schwersten Vor¬
würfe machen, versäumten sie die schwer erkaufte Gelegenheit, das Volk, welches
so viel durch die Franzosen gelitten hat, auf deren Kosten zu erleichtern, eine
Entschädigung für die Kriegszwecke zu erhalten, einen Ersatz für die unzähligen
Auflagen und Erpressungen, womit die Franzosen das Volk ausgesogen hatten
und die sich nach einer beigefügten Übersicht auf 1181 Millionen nach¬
weisen ließen."

Ähnliche Forderungen wie Preußen erhoben auch Bayern und Württemberg,
der Kronprinz von Württemberg freilich mehr in dem Wunsch, das Elsaß für
sich selber zu besitzen. Doch betonte er in einer Denkschrift an seinen Schwager
Alexander von Rußland allgemein deutsche Interessen. Das linke Rheinufer
sei es, so erklärte er darin, das, den Franzosen überlassen, früher oder später
die Sicherheit Süddeutschlands, Badens, Württembergs, und der Niederlande
und dadurch die Ruhe von Europa bedrohe.

Einen eifrigen Bundesgenossen fanden die Deutschen für ihre Pläne und
Wünsche auch in dem neuen König der Niederlande und dessen Minister Hans
von Gagern. "Soll man," so schrieb dieser, "um die Liebe, die Dankbarkeit
der Franzosen zu gewinnen, was nie geschehen wird, ganz Deutschland unzu¬
frieden machen, empören? Von einem Ende zum anderen wird ein Schrei der
Entrüstung erschallen. Die deutschen Herrscher Franz und Friedrich Wilhelm
werden nicht mit ganzer Ehre, Zuruf und Ruhm in ihre Hauptstädte einziehen,
sie werden vielleicht ihre Zukunft getrübt haben. Ihre Minister, und wären
sie noch so tugendhaft und weise, werden sofort der Unfähigkeit und Bestechung
angeklagt werden, und nichts sie von diesen Vorwürfen reinwaschen. Sagt
man: Es gibt kein Deutschland? Es scheint mir, wir haben es schon bewiesen,


Die Friedensziele von <3<s

Weiter noch geht Hardenberg. Am 4. August überreichte er den Ver¬
bündeten im Namen Preußens eine Erklärung, in der er die Forderungen
aufgestellt hatte, die die Großmächte dem besiegten Frankreich vorlegen sollten.
Kurz und bündig verlangt er darin Geld und Landt Denn wenn man nur
Geld verlange, so sei keine Summe eine hinreichende Entschädigung, da es
auch einem Volke, das mehr Selbstsucht als Vaterlandsliebe habe, weniger
schwer falle, Provinzen abzutreten als Geld zu geben. Denn die Last einer
Steuer falle auf jeden, die Abtretung einiger Departements dagegen nur auf
das Ganze und die Regierung. An Festungen fordert er Dünkirchen, Lille,
Valenciennes, Avesnes, Glock, Meziöres, Thionville, Metz. Saarlouis,
Saargemünd, Bieses, Landau, Belfort, das Fort Lacluse, Brian?on und
das Elsaß.

In richtiger Einschätzung der französischen Volksseele erklärte ähnlich wie
Hardenberg auch der General vom Knesebeck: „Es sei ein gefährlicher Irrtum,
zu glauben, man werde sich die Franzosen durch Großmut und Schonung
geneigt machen, nie würden die Franzosen vergessen, daß sie unterjocht wurden.
Man nehme daher, wozu man das Recht und die Pflicht hat. Preußen ins¬
besondere, seine Minister und der König selbst müßten sich die schwersten Vor¬
würfe machen, versäumten sie die schwer erkaufte Gelegenheit, das Volk, welches
so viel durch die Franzosen gelitten hat, auf deren Kosten zu erleichtern, eine
Entschädigung für die Kriegszwecke zu erhalten, einen Ersatz für die unzähligen
Auflagen und Erpressungen, womit die Franzosen das Volk ausgesogen hatten
und die sich nach einer beigefügten Übersicht auf 1181 Millionen nach¬
weisen ließen."

Ähnliche Forderungen wie Preußen erhoben auch Bayern und Württemberg,
der Kronprinz von Württemberg freilich mehr in dem Wunsch, das Elsaß für
sich selber zu besitzen. Doch betonte er in einer Denkschrift an seinen Schwager
Alexander von Rußland allgemein deutsche Interessen. Das linke Rheinufer
sei es, so erklärte er darin, das, den Franzosen überlassen, früher oder später
die Sicherheit Süddeutschlands, Badens, Württembergs, und der Niederlande
und dadurch die Ruhe von Europa bedrohe.

Einen eifrigen Bundesgenossen fanden die Deutschen für ihre Pläne und
Wünsche auch in dem neuen König der Niederlande und dessen Minister Hans
von Gagern. „Soll man," so schrieb dieser, „um die Liebe, die Dankbarkeit
der Franzosen zu gewinnen, was nie geschehen wird, ganz Deutschland unzu¬
frieden machen, empören? Von einem Ende zum anderen wird ein Schrei der
Entrüstung erschallen. Die deutschen Herrscher Franz und Friedrich Wilhelm
werden nicht mit ganzer Ehre, Zuruf und Ruhm in ihre Hauptstädte einziehen,
sie werden vielleicht ihre Zukunft getrübt haben. Ihre Minister, und wären
sie noch so tugendhaft und weise, werden sofort der Unfähigkeit und Bestechung
angeklagt werden, und nichts sie von diesen Vorwürfen reinwaschen. Sagt
man: Es gibt kein Deutschland? Es scheint mir, wir haben es schon bewiesen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/122>, abgerufen am 23.07.2024.