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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Ariegslitoratur

über die Entwicklung des deutsch-englischen Gegensatzes und seine Verschärfung
infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs Deutschlands und des hierdurch be¬
dingten Flottenbaues gibt uns der Verfasser ein anschauliches Bild von den
schweren wirtschaftlichen Folgen, die der Krieg trotz aller Phrasen der englischen
Minister und Zeitungsschreiber für den englischen Handel und die englische
Industrie mit sich bringt. England leidet finanziell und wirtschaftlich weit
mehr durch den Krieg als Deutschland, dessen wirtschaftliche und vor allem
finanzielle Rüstung sich seiner militärischen ebenbürtig an die Seite stellt. Der
beste Beweis hierfür find die beiden Kriegsanleihsn und die Speisekarten in den
Restaurants, die jeden davon überzeugen werden, daß man in Deutschland weit davon
entfernt ist, am Hungertnche zu nagen, daß man vielmehr noch recht gut hier bei
uns leben kann, trotz der englischen Blockade und trotz "K,-Brots" und Brotmarken.

Während so im Verlauf des Krieges eine größere Anzahl von Schriften
entstanden find, die vom geschichtlichen und nationalökonomischen Standpunkte
aus das Problem der englischen Weltherrschaft behandeln, hat es bisher an
einer geographischen Behandlung gefehlt. Dieser Mangel wird durch das vor
wenigen Wochen erschienene Buch des Heidelberger Universitätsprofessors Dr. Alfred
Hettner: "Englands Weltherrschaft und der Krieg" (Verlag von B. G. Teubner
in Leipzig) vollkommen gehoben. Hettner geht davon aus, daß sowohl die
Tatsache der Weltherrschaft Englands, wie auch ihre Gestaltung im einzelnen
in hohem Maße in geographischen Bedingungen begründet ist; denn "sowohl
die Tendenzen wie die Kraftverhältnisse der Staaten sind in der Natur der
Länder begründet und können nur geographisch ganz verstanden werden". Das
allgemeinverständlich geschriebene, aber trotzdem wissenschaftlich äußerst wertvolle
Buch wird hoffentlich eine recht weite Verbreitung finden; denn es lehrt uns
die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Hilfsmittel unseres Hauptgegners
objektiv beurteilen, was eine Vorbedingung ist für einen dauernden und vor¬
teilhaften Frieden und eine gedeihliche Weiterentwicklung unseres Volkes.

Die englische Blockade der deutschen Küste, die auf die Aushungerung
eines Volkes von nahezu 70 Millionen abzielt, ist ein Verbrechen, wie man
es vergeblich in der Geschichte zivilisierter Völker sucht. Diese von England
in die Kriegsführung zur See eingeführte Härte und Grausamkeit hat selbst¬
verständlich auch uns Deutsche gezwungen, uns mit allen Mitteln gegen die
versuchte Erdrosselung durch England zu wehren, und wenn die Seekriegführmig
immer mehr den Charakter äußerster Erbarmungslosigkeit annimmt, so ist
das -- wie jeder vernünftige Mensch einsehen muß und wirv -- nicht unsere Schuld.

Wie England stets derjenige Staat gewesen ist, der sich allen Fortschritten
auf dem Gebiete des Seerechts gegenüber ablehnend verhalten, und wie es
bis in die neueste Zeit hinein jede Entwicklung zu milderen und menschlicherer
Gebräuchen und Bestimmungen im Seekriege zu hindern gesucht hat, wird von
Ernst Schultze in seinem fesselnd geschriebenen Buche: "England als Seeräuber¬
staat" (Verlag Ferd. Ente, Stuttgart) geschildert. Der Verfasser kommt zu


Ariegslitoratur

über die Entwicklung des deutsch-englischen Gegensatzes und seine Verschärfung
infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs Deutschlands und des hierdurch be¬
dingten Flottenbaues gibt uns der Verfasser ein anschauliches Bild von den
schweren wirtschaftlichen Folgen, die der Krieg trotz aller Phrasen der englischen
Minister und Zeitungsschreiber für den englischen Handel und die englische
Industrie mit sich bringt. England leidet finanziell und wirtschaftlich weit
mehr durch den Krieg als Deutschland, dessen wirtschaftliche und vor allem
finanzielle Rüstung sich seiner militärischen ebenbürtig an die Seite stellt. Der
beste Beweis hierfür find die beiden Kriegsanleihsn und die Speisekarten in den
Restaurants, die jeden davon überzeugen werden, daß man in Deutschland weit davon
entfernt ist, am Hungertnche zu nagen, daß man vielmehr noch recht gut hier bei
uns leben kann, trotz der englischen Blockade und trotz „K,-Brots" und Brotmarken.

Während so im Verlauf des Krieges eine größere Anzahl von Schriften
entstanden find, die vom geschichtlichen und nationalökonomischen Standpunkte
aus das Problem der englischen Weltherrschaft behandeln, hat es bisher an
einer geographischen Behandlung gefehlt. Dieser Mangel wird durch das vor
wenigen Wochen erschienene Buch des Heidelberger Universitätsprofessors Dr. Alfred
Hettner: „Englands Weltherrschaft und der Krieg" (Verlag von B. G. Teubner
in Leipzig) vollkommen gehoben. Hettner geht davon aus, daß sowohl die
Tatsache der Weltherrschaft Englands, wie auch ihre Gestaltung im einzelnen
in hohem Maße in geographischen Bedingungen begründet ist; denn „sowohl
die Tendenzen wie die Kraftverhältnisse der Staaten sind in der Natur der
Länder begründet und können nur geographisch ganz verstanden werden". Das
allgemeinverständlich geschriebene, aber trotzdem wissenschaftlich äußerst wertvolle
Buch wird hoffentlich eine recht weite Verbreitung finden; denn es lehrt uns
die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Hilfsmittel unseres Hauptgegners
objektiv beurteilen, was eine Vorbedingung ist für einen dauernden und vor¬
teilhaften Frieden und eine gedeihliche Weiterentwicklung unseres Volkes.

Die englische Blockade der deutschen Küste, die auf die Aushungerung
eines Volkes von nahezu 70 Millionen abzielt, ist ein Verbrechen, wie man
es vergeblich in der Geschichte zivilisierter Völker sucht. Diese von England
in die Kriegsführung zur See eingeführte Härte und Grausamkeit hat selbst¬
verständlich auch uns Deutsche gezwungen, uns mit allen Mitteln gegen die
versuchte Erdrosselung durch England zu wehren, und wenn die Seekriegführmig
immer mehr den Charakter äußerster Erbarmungslosigkeit annimmt, so ist
das — wie jeder vernünftige Mensch einsehen muß und wirv — nicht unsere Schuld.

Wie England stets derjenige Staat gewesen ist, der sich allen Fortschritten
auf dem Gebiete des Seerechts gegenüber ablehnend verhalten, und wie es
bis in die neueste Zeit hinein jede Entwicklung zu milderen und menschlicherer
Gebräuchen und Bestimmungen im Seekriege zu hindern gesucht hat, wird von
Ernst Schultze in seinem fesselnd geschriebenen Buche: „England als Seeräuber¬
staat" (Verlag Ferd. Ente, Stuttgart) geschildert. Der Verfasser kommt zu


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[0102] Ariegslitoratur über die Entwicklung des deutsch-englischen Gegensatzes und seine Verschärfung infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs Deutschlands und des hierdurch be¬ dingten Flottenbaues gibt uns der Verfasser ein anschauliches Bild von den schweren wirtschaftlichen Folgen, die der Krieg trotz aller Phrasen der englischen Minister und Zeitungsschreiber für den englischen Handel und die englische Industrie mit sich bringt. England leidet finanziell und wirtschaftlich weit mehr durch den Krieg als Deutschland, dessen wirtschaftliche und vor allem finanzielle Rüstung sich seiner militärischen ebenbürtig an die Seite stellt. Der beste Beweis hierfür find die beiden Kriegsanleihsn und die Speisekarten in den Restaurants, die jeden davon überzeugen werden, daß man in Deutschland weit davon entfernt ist, am Hungertnche zu nagen, daß man vielmehr noch recht gut hier bei uns leben kann, trotz der englischen Blockade und trotz „K,-Brots" und Brotmarken. Während so im Verlauf des Krieges eine größere Anzahl von Schriften entstanden find, die vom geschichtlichen und nationalökonomischen Standpunkte aus das Problem der englischen Weltherrschaft behandeln, hat es bisher an einer geographischen Behandlung gefehlt. Dieser Mangel wird durch das vor wenigen Wochen erschienene Buch des Heidelberger Universitätsprofessors Dr. Alfred Hettner: „Englands Weltherrschaft und der Krieg" (Verlag von B. G. Teubner in Leipzig) vollkommen gehoben. Hettner geht davon aus, daß sowohl die Tatsache der Weltherrschaft Englands, wie auch ihre Gestaltung im einzelnen in hohem Maße in geographischen Bedingungen begründet ist; denn „sowohl die Tendenzen wie die Kraftverhältnisse der Staaten sind in der Natur der Länder begründet und können nur geographisch ganz verstanden werden". Das allgemeinverständlich geschriebene, aber trotzdem wissenschaftlich äußerst wertvolle Buch wird hoffentlich eine recht weite Verbreitung finden; denn es lehrt uns die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Hilfsmittel unseres Hauptgegners objektiv beurteilen, was eine Vorbedingung ist für einen dauernden und vor¬ teilhaften Frieden und eine gedeihliche Weiterentwicklung unseres Volkes. Die englische Blockade der deutschen Küste, die auf die Aushungerung eines Volkes von nahezu 70 Millionen abzielt, ist ein Verbrechen, wie man es vergeblich in der Geschichte zivilisierter Völker sucht. Diese von England in die Kriegsführung zur See eingeführte Härte und Grausamkeit hat selbst¬ verständlich auch uns Deutsche gezwungen, uns mit allen Mitteln gegen die versuchte Erdrosselung durch England zu wehren, und wenn die Seekriegführmig immer mehr den Charakter äußerster Erbarmungslosigkeit annimmt, so ist das — wie jeder vernünftige Mensch einsehen muß und wirv — nicht unsere Schuld. Wie England stets derjenige Staat gewesen ist, der sich allen Fortschritten auf dem Gebiete des Seerechts gegenüber ablehnend verhalten, und wie es bis in die neueste Zeit hinein jede Entwicklung zu milderen und menschlicherer Gebräuchen und Bestimmungen im Seekriege zu hindern gesucht hat, wird von Ernst Schultze in seinem fesselnd geschriebenen Buche: „England als Seeräuber¬ staat" (Verlag Ferd. Ente, Stuttgart) geschildert. Der Verfasser kommt zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/102>, abgerufen am 23.07.2024.