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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche Soldatenbriefe

scheinenden Ausharrens. "Wenn das Weihnachtsfest auch dieses Jahr nicht so
fröhlich gefeiert wird, wie es in den 44 Jahren war," schreibt ein Landwehrmann,
"darum wollen wir doch in Gottvertrauen hier in Feindesland und in der lieben
Heimat im Herzen derer gedenken, die uns bis zum heiligen Weihnachtsfest
geführt haben und noch länger führen werden; und auf der anderen Seite
wollen wir fröhlich sein, weil unsere tapferen Deutschen in Ost und West ihren
Mann stehen bis auf den letzten Tropfen Blut, und sollte es uns nicht vergönnt
sein, ein Weihnachtsbäumchen zu schmücken im Schützengraben, dann werden
wir den Franzmännern zeigen, daß wir zu Weihnachten auch auf dem Posten
sein und nicht mit uns spielen lassen." "Gottvertrauen und froher Mut, denn
der Krieg geht doch einmal um." "Mit Gott für König und Vaterland."
"Der Deutschen Wahlspruch heißt immer vorwärts und nicht rückwärts I" wie
oft konnten wir jetzt solche Worte in dieser schweren Zeit des nicht durch große,
wiederhallende Siege gekennzeichneten Ringens lesen. Denn unsere zielbewußter
Soldaten wissen, wofür sie kämpfen: "Das kostet noch viel Opfer, aber das
schadet nicht; die Hauptsache ist. daß dieses Blut nicht umsonst alles geflossen
ist. daß wir einen glorreichen und dauerhaften Frieden erringen." Dem Wohl
und Wehe des Vaterlandes müssen eben alle persönlichen Sorgen untergeordnet
werden: "Wir erhielten erst am ... . Nachricht vom Tode unseres geliebten
Vaters. Aber wir wollen nicht traurig sein und uns nicht entmutigen; wir
wollen unser alles einsetzen sür unser heißgeliebtes Vaterland, da wir wissen,
was wir sonst zu erwarten haben." Auch der Schmerz um gefallene Kameraden
wird verdrängt durch den Gedanken an die sittliche Größe dieses Todes:
"Sie haben übermenschliches geleistet, . . . doch über ihnen allen strahlt die
Krone des Ruhmes."

Aber noch eins steigert den Mut und die Freudigkeit unserer Soldaten:
"Wir wissen, daß uns treue Herzen entgegenschlagen." Sie wollen nie ver¬
zagen, weil wir sie nicht vergessen. Und wenn der deutsche Soldat an die
Heimat denkt, überkommt ihn ein weiches, sehnsüchtiges Gefühl. Er liebkost
alles mit ungelenken Fingern: "Ferne Heimat, liebe Heimat." "So manche
Träne ist bei uns über die Wange gerollt, wenn man zurückdenkt an seine
liebe Frau und Kinder." Gefühlsschwere Worte lösen sich, wenn sie sich mitten
in der todschwangeren Luft des Krieges den heimatlichen Frieden ausmalen:
sie stehen im "fremden Lande" auf "einsamer" Wacht. Und wehmütig nehmen
sie in manchem Augenblick der überwältigenden Rührung Abschied auf immer:
"Und sollten wir uns nicht wiedersehen, dann denke öfters an deinen lieben
Freund, der für Deutschlands Ehre mit Freuden in das Massengrab ge¬
gangen ist."

Alle hat das Leben da draußen mächtig gepackt; aus den Jünglingen hat
es Männer, aus gleichmäßig Dahinlebenden Charaktere und aus den weichen
Seelen Tiefernste gemacht, denen das blutige Bild den Atem benahm. Und
diese ernsten Augen blicken uns aus vielen Soldatenbriefen an: "Bei solcher


Deutsche Soldatenbriefe

scheinenden Ausharrens. „Wenn das Weihnachtsfest auch dieses Jahr nicht so
fröhlich gefeiert wird, wie es in den 44 Jahren war," schreibt ein Landwehrmann,
„darum wollen wir doch in Gottvertrauen hier in Feindesland und in der lieben
Heimat im Herzen derer gedenken, die uns bis zum heiligen Weihnachtsfest
geführt haben und noch länger führen werden; und auf der anderen Seite
wollen wir fröhlich sein, weil unsere tapferen Deutschen in Ost und West ihren
Mann stehen bis auf den letzten Tropfen Blut, und sollte es uns nicht vergönnt
sein, ein Weihnachtsbäumchen zu schmücken im Schützengraben, dann werden
wir den Franzmännern zeigen, daß wir zu Weihnachten auch auf dem Posten
sein und nicht mit uns spielen lassen." „Gottvertrauen und froher Mut, denn
der Krieg geht doch einmal um." „Mit Gott für König und Vaterland."
„Der Deutschen Wahlspruch heißt immer vorwärts und nicht rückwärts I" wie
oft konnten wir jetzt solche Worte in dieser schweren Zeit des nicht durch große,
wiederhallende Siege gekennzeichneten Ringens lesen. Denn unsere zielbewußter
Soldaten wissen, wofür sie kämpfen: „Das kostet noch viel Opfer, aber das
schadet nicht; die Hauptsache ist. daß dieses Blut nicht umsonst alles geflossen
ist. daß wir einen glorreichen und dauerhaften Frieden erringen." Dem Wohl
und Wehe des Vaterlandes müssen eben alle persönlichen Sorgen untergeordnet
werden: „Wir erhielten erst am ... . Nachricht vom Tode unseres geliebten
Vaters. Aber wir wollen nicht traurig sein und uns nicht entmutigen; wir
wollen unser alles einsetzen sür unser heißgeliebtes Vaterland, da wir wissen,
was wir sonst zu erwarten haben." Auch der Schmerz um gefallene Kameraden
wird verdrängt durch den Gedanken an die sittliche Größe dieses Todes:
„Sie haben übermenschliches geleistet, . . . doch über ihnen allen strahlt die
Krone des Ruhmes."

Aber noch eins steigert den Mut und die Freudigkeit unserer Soldaten:
„Wir wissen, daß uns treue Herzen entgegenschlagen." Sie wollen nie ver¬
zagen, weil wir sie nicht vergessen. Und wenn der deutsche Soldat an die
Heimat denkt, überkommt ihn ein weiches, sehnsüchtiges Gefühl. Er liebkost
alles mit ungelenken Fingern: „Ferne Heimat, liebe Heimat." „So manche
Träne ist bei uns über die Wange gerollt, wenn man zurückdenkt an seine
liebe Frau und Kinder." Gefühlsschwere Worte lösen sich, wenn sie sich mitten
in der todschwangeren Luft des Krieges den heimatlichen Frieden ausmalen:
sie stehen im „fremden Lande" auf „einsamer" Wacht. Und wehmütig nehmen
sie in manchem Augenblick der überwältigenden Rührung Abschied auf immer:
„Und sollten wir uns nicht wiedersehen, dann denke öfters an deinen lieben
Freund, der für Deutschlands Ehre mit Freuden in das Massengrab ge¬
gangen ist."

Alle hat das Leben da draußen mächtig gepackt; aus den Jünglingen hat
es Männer, aus gleichmäßig Dahinlebenden Charaktere und aus den weichen
Seelen Tiefernste gemacht, denen das blutige Bild den Atem benahm. Und
diese ernsten Augen blicken uns aus vielen Soldatenbriefen an: „Bei solcher


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[0042] Deutsche Soldatenbriefe scheinenden Ausharrens. „Wenn das Weihnachtsfest auch dieses Jahr nicht so fröhlich gefeiert wird, wie es in den 44 Jahren war," schreibt ein Landwehrmann, „darum wollen wir doch in Gottvertrauen hier in Feindesland und in der lieben Heimat im Herzen derer gedenken, die uns bis zum heiligen Weihnachtsfest geführt haben und noch länger führen werden; und auf der anderen Seite wollen wir fröhlich sein, weil unsere tapferen Deutschen in Ost und West ihren Mann stehen bis auf den letzten Tropfen Blut, und sollte es uns nicht vergönnt sein, ein Weihnachtsbäumchen zu schmücken im Schützengraben, dann werden wir den Franzmännern zeigen, daß wir zu Weihnachten auch auf dem Posten sein und nicht mit uns spielen lassen." „Gottvertrauen und froher Mut, denn der Krieg geht doch einmal um." „Mit Gott für König und Vaterland." „Der Deutschen Wahlspruch heißt immer vorwärts und nicht rückwärts I" wie oft konnten wir jetzt solche Worte in dieser schweren Zeit des nicht durch große, wiederhallende Siege gekennzeichneten Ringens lesen. Denn unsere zielbewußter Soldaten wissen, wofür sie kämpfen: „Das kostet noch viel Opfer, aber das schadet nicht; die Hauptsache ist. daß dieses Blut nicht umsonst alles geflossen ist. daß wir einen glorreichen und dauerhaften Frieden erringen." Dem Wohl und Wehe des Vaterlandes müssen eben alle persönlichen Sorgen untergeordnet werden: „Wir erhielten erst am ... . Nachricht vom Tode unseres geliebten Vaters. Aber wir wollen nicht traurig sein und uns nicht entmutigen; wir wollen unser alles einsetzen sür unser heißgeliebtes Vaterland, da wir wissen, was wir sonst zu erwarten haben." Auch der Schmerz um gefallene Kameraden wird verdrängt durch den Gedanken an die sittliche Größe dieses Todes: „Sie haben übermenschliches geleistet, . . . doch über ihnen allen strahlt die Krone des Ruhmes." Aber noch eins steigert den Mut und die Freudigkeit unserer Soldaten: „Wir wissen, daß uns treue Herzen entgegenschlagen." Sie wollen nie ver¬ zagen, weil wir sie nicht vergessen. Und wenn der deutsche Soldat an die Heimat denkt, überkommt ihn ein weiches, sehnsüchtiges Gefühl. Er liebkost alles mit ungelenken Fingern: „Ferne Heimat, liebe Heimat." „So manche Träne ist bei uns über die Wange gerollt, wenn man zurückdenkt an seine liebe Frau und Kinder." Gefühlsschwere Worte lösen sich, wenn sie sich mitten in der todschwangeren Luft des Krieges den heimatlichen Frieden ausmalen: sie stehen im „fremden Lande" auf „einsamer" Wacht. Und wehmütig nehmen sie in manchem Augenblick der überwältigenden Rührung Abschied auf immer: „Und sollten wir uns nicht wiedersehen, dann denke öfters an deinen lieben Freund, der für Deutschlands Ehre mit Freuden in das Massengrab ge¬ gangen ist." Alle hat das Leben da draußen mächtig gepackt; aus den Jünglingen hat es Männer, aus gleichmäßig Dahinlebenden Charaktere und aus den weichen Seelen Tiefernste gemacht, denen das blutige Bild den Atem benahm. Und diese ernsten Augen blicken uns aus vielen Soldatenbriefen an: „Bei solcher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/42>, abgerufen am 22.07.2024.