Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutschlands Anteil am Suezkanal
1. Österreichischer Lloyd in Trieft
2. Handelskammer in Trieft
3. Stadtrat in Trieft
4. Österreichischer Gewerbe-Verein in Wien
5. Handelskammer in Venedig
6. Reg. Rat Thiriot in Dresden
7. R. Georgi in Mylau
3. Gustav Harkort in Leipzig
9. L. Sellier in Leipzig
10. A. Dufour-Feronce in Leipzig --

war am tätigsten, wobei ihren Mitgliedern die Fähigkeit zu Hilfe kam, sich "mit
vollkommener Entäußerung einer nationalen Parteifärbung aus den Standpunkt
des Kosmopolitismus zu erheben" (U. G. S. Ur. 49); sie entsandte bereits im
März 1847 eine Jngenieurbrigade für die technischen Vorarbeiten nach Ägypten
und leistete die notwendigen Zahlungen pünktlich.

In Ägypten galt es zunächst das Mißtrauen des Vizekönigs zu überwinden,
der denKanal selber bauen wollte, schließlich aber doch die Genehmigung für die Vor¬
studien erteilte. Diese Erlaubnis erreichten die deutschen Ingenieure um so eher, als
dem Vizelönig bekannt sein mußte, "daß außereuropäische Gebietserweiterungen nie
in den Absichten deutscher Staaten lagen, und je mehr der Pascha in einer Annäherung
an die deutschen Großmächte eine moralische Verstärkung seiner Stellung den
ihn im Osten und Westen bedrohenden Gebietsnachbarn gegenüber erblicken
müßte" (U. G. S. Ur. 7). Die deutsche Brigade hatte "die nördliche Küste der
Landenge aufzunehmen und die Tiefen des Mittelländischen Meeres bei Times
zu Sortieren, um den passendsten Punkt für die Ausmündung des Kanals zu
ermitteln und den Plan zu einem die Ein- und Ausfahrt des Kanals zu jeder Zeit
sichernden Hafen zu entwerfen" (U. G. S. Ur. 16). Der Leiter diefer Arbeiten, In¬
genieur Jaßnueger, schildert in sehr interessanten, anschaulichen Berichten an Negrelli
seine Tätigkeit (U. G. S. Ur. 29 bis 33). Dieser konnte aber aus den Fest¬
stellungen seiner Brigade und den durch Stephenson aus den Archiven der
englischen Admiralität beschafften Karten die Gleichheit des Wasserstandes in
beiden Meeren berechnen und erwarb sich so das Verdienst, jenen uralten Wahn
der Niveaudifferenz, an die er vorher noch selber geglaubt hatte, endgültig zer¬
stört zu haben; von da an vertrat er als erster den Gedanken, man müsse
den Kanal ohne Schleusen und mit der kürzesten Linienführung bauen.

Worin bestanden nun die Aufgaben der beiden anderen Gruppen ? Die englische
sollte unter Stephensons Leitung "dieselben Arbeiten im Roten Meere bewirken,
welche Negrelli im Mittelländischen ausführen ließ," die französische unter
Talabot "die früher während der französischen Besetzung auf Befehl des Generals
Bonaparte hergestellten und später durch ägyptische Ingenieure ergänzten
Nivellements von Suez am Roten bis Times am Mittelländischen Meere prüfen
und nach Befinden vervollständigen, sowie die zu Herstellung gründlicher Anschläge


Deutschlands Anteil am Suezkanal
1. Österreichischer Lloyd in Trieft
2. Handelskammer in Trieft
3. Stadtrat in Trieft
4. Österreichischer Gewerbe-Verein in Wien
5. Handelskammer in Venedig
6. Reg. Rat Thiriot in Dresden
7. R. Georgi in Mylau
3. Gustav Harkort in Leipzig
9. L. Sellier in Leipzig
10. A. Dufour-Feronce in Leipzig —

war am tätigsten, wobei ihren Mitgliedern die Fähigkeit zu Hilfe kam, sich „mit
vollkommener Entäußerung einer nationalen Parteifärbung aus den Standpunkt
des Kosmopolitismus zu erheben" (U. G. S. Ur. 49); sie entsandte bereits im
März 1847 eine Jngenieurbrigade für die technischen Vorarbeiten nach Ägypten
und leistete die notwendigen Zahlungen pünktlich.

In Ägypten galt es zunächst das Mißtrauen des Vizekönigs zu überwinden,
der denKanal selber bauen wollte, schließlich aber doch die Genehmigung für die Vor¬
studien erteilte. Diese Erlaubnis erreichten die deutschen Ingenieure um so eher, als
dem Vizelönig bekannt sein mußte, „daß außereuropäische Gebietserweiterungen nie
in den Absichten deutscher Staaten lagen, und je mehr der Pascha in einer Annäherung
an die deutschen Großmächte eine moralische Verstärkung seiner Stellung den
ihn im Osten und Westen bedrohenden Gebietsnachbarn gegenüber erblicken
müßte" (U. G. S. Ur. 7). Die deutsche Brigade hatte „die nördliche Küste der
Landenge aufzunehmen und die Tiefen des Mittelländischen Meeres bei Times
zu Sortieren, um den passendsten Punkt für die Ausmündung des Kanals zu
ermitteln und den Plan zu einem die Ein- und Ausfahrt des Kanals zu jeder Zeit
sichernden Hafen zu entwerfen" (U. G. S. Ur. 16). Der Leiter diefer Arbeiten, In¬
genieur Jaßnueger, schildert in sehr interessanten, anschaulichen Berichten an Negrelli
seine Tätigkeit (U. G. S. Ur. 29 bis 33). Dieser konnte aber aus den Fest¬
stellungen seiner Brigade und den durch Stephenson aus den Archiven der
englischen Admiralität beschafften Karten die Gleichheit des Wasserstandes in
beiden Meeren berechnen und erwarb sich so das Verdienst, jenen uralten Wahn
der Niveaudifferenz, an die er vorher noch selber geglaubt hatte, endgültig zer¬
stört zu haben; von da an vertrat er als erster den Gedanken, man müsse
den Kanal ohne Schleusen und mit der kürzesten Linienführung bauen.

Worin bestanden nun die Aufgaben der beiden anderen Gruppen ? Die englische
sollte unter Stephensons Leitung „dieselben Arbeiten im Roten Meere bewirken,
welche Negrelli im Mittelländischen ausführen ließ," die französische unter
Talabot „die früher während der französischen Besetzung auf Befehl des Generals
Bonaparte hergestellten und später durch ägyptische Ingenieure ergänzten
Nivellements von Suez am Roten bis Times am Mittelländischen Meere prüfen
und nach Befinden vervollständigen, sowie die zu Herstellung gründlicher Anschläge


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323782"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutschlands Anteil am Suezkanal</fw><lb/>
          <list>
            <item> 1. Österreichischer Lloyd in Trieft</item>
            <item> 2. Handelskammer in Trieft</item>
            <item> 3. Stadtrat in Trieft</item>
            <item> 4. Österreichischer Gewerbe-Verein in Wien</item>
            <item> 5. Handelskammer in Venedig</item>
            <item> 6. Reg. Rat Thiriot in Dresden</item>
            <item> 7. R. Georgi in Mylau</item>
            <item> 3. Gustav Harkort in Leipzig</item>
            <item> 9. L. Sellier in Leipzig</item>
            <item> 10. A. Dufour-Feronce in Leipzig &#x2014;</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_761" prev="#ID_760"> war am tätigsten, wobei ihren Mitgliedern die Fähigkeit zu Hilfe kam, sich &#x201E;mit<lb/>
vollkommener Entäußerung einer nationalen Parteifärbung aus den Standpunkt<lb/>
des Kosmopolitismus zu erheben" (U. G. S. Ur. 49); sie entsandte bereits im<lb/>
März 1847 eine Jngenieurbrigade für die technischen Vorarbeiten nach Ägypten<lb/>
und leistete die notwendigen Zahlungen pünktlich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_762"> In Ägypten galt es zunächst das Mißtrauen des Vizekönigs zu überwinden,<lb/>
der denKanal selber bauen wollte, schließlich aber doch die Genehmigung für die Vor¬<lb/>
studien erteilte. Diese Erlaubnis erreichten die deutschen Ingenieure um so eher, als<lb/>
dem Vizelönig bekannt sein mußte, &#x201E;daß außereuropäische Gebietserweiterungen nie<lb/>
in den Absichten deutscher Staaten lagen, und je mehr der Pascha in einer Annäherung<lb/>
an die deutschen Großmächte eine moralische Verstärkung seiner Stellung den<lb/>
ihn im Osten und Westen bedrohenden Gebietsnachbarn gegenüber erblicken<lb/>
müßte" (U. G. S. Ur. 7). Die deutsche Brigade hatte &#x201E;die nördliche Küste der<lb/>
Landenge aufzunehmen und die Tiefen des Mittelländischen Meeres bei Times<lb/>
zu Sortieren, um den passendsten Punkt für die Ausmündung des Kanals zu<lb/>
ermitteln und den Plan zu einem die Ein- und Ausfahrt des Kanals zu jeder Zeit<lb/>
sichernden Hafen zu entwerfen" (U. G. S. Ur. 16). Der Leiter diefer Arbeiten, In¬<lb/>
genieur Jaßnueger, schildert in sehr interessanten, anschaulichen Berichten an Negrelli<lb/>
seine Tätigkeit (U. G. S. Ur. 29 bis 33). Dieser konnte aber aus den Fest¬<lb/>
stellungen seiner Brigade und den durch Stephenson aus den Archiven der<lb/>
englischen Admiralität beschafften Karten die Gleichheit des Wasserstandes in<lb/>
beiden Meeren berechnen und erwarb sich so das Verdienst, jenen uralten Wahn<lb/>
der Niveaudifferenz, an die er vorher noch selber geglaubt hatte, endgültig zer¬<lb/>
stört zu haben; von da an vertrat er als erster den Gedanken, man müsse<lb/>
den Kanal ohne Schleusen und mit der kürzesten Linienführung bauen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_763" next="#ID_764"> Worin bestanden nun die Aufgaben der beiden anderen Gruppen ? Die englische<lb/>
sollte unter Stephensons Leitung &#x201E;dieselben Arbeiten im Roten Meere bewirken,<lb/>
welche Negrelli im Mittelländischen ausführen ließ," die französische unter<lb/>
Talabot &#x201E;die früher während der französischen Besetzung auf Befehl des Generals<lb/>
Bonaparte hergestellten und später durch ägyptische Ingenieure ergänzten<lb/>
Nivellements von Suez am Roten bis Times am Mittelländischen Meere prüfen<lb/>
und nach Befinden vervollständigen, sowie die zu Herstellung gründlicher Anschläge</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0243] Deutschlands Anteil am Suezkanal 1. Österreichischer Lloyd in Trieft 2. Handelskammer in Trieft 3. Stadtrat in Trieft 4. Österreichischer Gewerbe-Verein in Wien 5. Handelskammer in Venedig 6. Reg. Rat Thiriot in Dresden 7. R. Georgi in Mylau 3. Gustav Harkort in Leipzig 9. L. Sellier in Leipzig 10. A. Dufour-Feronce in Leipzig — war am tätigsten, wobei ihren Mitgliedern die Fähigkeit zu Hilfe kam, sich „mit vollkommener Entäußerung einer nationalen Parteifärbung aus den Standpunkt des Kosmopolitismus zu erheben" (U. G. S. Ur. 49); sie entsandte bereits im März 1847 eine Jngenieurbrigade für die technischen Vorarbeiten nach Ägypten und leistete die notwendigen Zahlungen pünktlich. In Ägypten galt es zunächst das Mißtrauen des Vizekönigs zu überwinden, der denKanal selber bauen wollte, schließlich aber doch die Genehmigung für die Vor¬ studien erteilte. Diese Erlaubnis erreichten die deutschen Ingenieure um so eher, als dem Vizelönig bekannt sein mußte, „daß außereuropäische Gebietserweiterungen nie in den Absichten deutscher Staaten lagen, und je mehr der Pascha in einer Annäherung an die deutschen Großmächte eine moralische Verstärkung seiner Stellung den ihn im Osten und Westen bedrohenden Gebietsnachbarn gegenüber erblicken müßte" (U. G. S. Ur. 7). Die deutsche Brigade hatte „die nördliche Küste der Landenge aufzunehmen und die Tiefen des Mittelländischen Meeres bei Times zu Sortieren, um den passendsten Punkt für die Ausmündung des Kanals zu ermitteln und den Plan zu einem die Ein- und Ausfahrt des Kanals zu jeder Zeit sichernden Hafen zu entwerfen" (U. G. S. Ur. 16). Der Leiter diefer Arbeiten, In¬ genieur Jaßnueger, schildert in sehr interessanten, anschaulichen Berichten an Negrelli seine Tätigkeit (U. G. S. Ur. 29 bis 33). Dieser konnte aber aus den Fest¬ stellungen seiner Brigade und den durch Stephenson aus den Archiven der englischen Admiralität beschafften Karten die Gleichheit des Wasserstandes in beiden Meeren berechnen und erwarb sich so das Verdienst, jenen uralten Wahn der Niveaudifferenz, an die er vorher noch selber geglaubt hatte, endgültig zer¬ stört zu haben; von da an vertrat er als erster den Gedanken, man müsse den Kanal ohne Schleusen und mit der kürzesten Linienführung bauen. Worin bestanden nun die Aufgaben der beiden anderen Gruppen ? Die englische sollte unter Stephensons Leitung „dieselben Arbeiten im Roten Meere bewirken, welche Negrelli im Mittelländischen ausführen ließ," die französische unter Talabot „die früher während der französischen Besetzung auf Befehl des Generals Bonaparte hergestellten und später durch ägyptische Ingenieure ergänzten Nivellements von Suez am Roten bis Times am Mittelländischen Meere prüfen und nach Befinden vervollständigen, sowie die zu Herstellung gründlicher Anschläge

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/243
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/243>, abgerufen am 22.07.2024.