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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Industrie im Rriege

vorhandenen Arbeitskräfte zweckmäßig zu verteilen; es mußte die Herbei¬
schaffung der Rohmaterialien sicher gestellt werden, und schließlich mußte die
Existenz der Familienangehörigen der eingezogenen Jndustrieangestellten ge¬
sichert werden.

Gleich zu Beginn des Krieges wurde die "Reichszentrale der Arbeitsnach¬
weise" ins Leben gerufen. Sie umfaßte alle bereits bestehenden Arbeitsnach¬
weise, die der Arbeitgeber sowie die der Arbeitnehmer und arbeitet unter Bei¬
hilfe beider Gruppen auf paritätischer Grundlage. Es zeigte sich, daß dieses
so heiß begehrte und so stark angefochtene System für die vorliegenden Ver¬
hältnisse das einzig zweckentsprechende ist. und die Hoffnung ist nicht unbegründet,
daß die in diesen harten Zeiten gesammelten Erfahrungen auch hinauswirken,
in kommende Friedenszeiten. Durch das Zusammenarbeiten der Arbeitgeber¬
und Arbeitnehmerorganisationen aber hat sich zu unserer aller Überraschung
gezeigt, daß die Gründung und Festigung dieser beiden Organisationsgruppen,
die sich in der Zeit des Friedens auf das heftigste bekämpften, tatsächlich die
einzige, zwar unbewußt geschaffene aber um so großzügiger durchgeführte
Kriegsvorsorge der deutschen Industrie darstellte. Fast alle beteiligten Personen,
Verbände und Gruppen waren in diesen beiden Organisationen zusammen¬
geschlossen, und es war nur noch nötig die durchgeführte Arbeitsgemeinschaft
herbeizuführen, die es der deutschen Industrie ermöglichte, sich so schnell den
durchaus veränderten Verhältnissen anzupassen. Im Rahmen der einzelnen
Industrien vereinigten sich beide Verbände, um gemeinsam für Beschaffung von
Arbeitsgelegenheit und deren Verteilung zu sorgen, denn die Aufträge, die
durch den Krieg der Industrie zuflössen, genügten nicht, das Heer der deutschen
Arbeiter zu beschäftigen. Hier mußten Staat, Gemeinden und gemeinnützige
Verbände als Auftraggeber hinzugezogen werden. Der Staat ließ Kranken¬
häuser, wissenschaftliche Institute, Wasserkraft- und Bahnanlagen bauen, die
Gemeinden sorgten durch Straßen-, Brücken- und Kanalisationsanlagen für
Arbeit, und öffentliche Institute schlössen sich diesen Bestrebungen an. So stellte
zum Beispiel das Deutsche Museum in München mehrere Millionen zur Ver¬
fügung, um durch den weiteren Ausbau seines Heimes Bauunternehmer,
Fabriken und Gewerbetreibende mit Aufträgen versehen zu können. Diesen
Bestrebungen ist es denn auch zu danken, daß der Beschäftigungsgrad in der
deutschen Industrie zurzeit ein erfreuliches Bild zeigt, und an Stelle der be¬
fürchteten Arbeitslosigkeit stellenweise eine höchste Anspannung der Industrie herrscht.

Vor allem aber war nötig, die Beschaffung der Rohmaterialien sicher
zu stellen. Dadurch, daß der Einfall der Feinde in die Industriegebiete des
Rheinlandes und Schlesiens verhindert wurde, konnte die inländische Roheisen-
und Kohlenoersorgung ohne erhebliche Unterbrechung aufrecht erhalten werden.
Um aber auch den Ankauf und die Verteilung der nicht in Deutschland
gewonnenen Rohstoffe zu organisieren, haben sich Materialversorgungsgesellschaften
gebildet, bei denen Erwerbszwecke satzungsgemäß ausgeschlossen sind. Die Wichtigkeit


Die deutsche Industrie im Rriege

vorhandenen Arbeitskräfte zweckmäßig zu verteilen; es mußte die Herbei¬
schaffung der Rohmaterialien sicher gestellt werden, und schließlich mußte die
Existenz der Familienangehörigen der eingezogenen Jndustrieangestellten ge¬
sichert werden.

Gleich zu Beginn des Krieges wurde die „Reichszentrale der Arbeitsnach¬
weise" ins Leben gerufen. Sie umfaßte alle bereits bestehenden Arbeitsnach¬
weise, die der Arbeitgeber sowie die der Arbeitnehmer und arbeitet unter Bei¬
hilfe beider Gruppen auf paritätischer Grundlage. Es zeigte sich, daß dieses
so heiß begehrte und so stark angefochtene System für die vorliegenden Ver¬
hältnisse das einzig zweckentsprechende ist. und die Hoffnung ist nicht unbegründet,
daß die in diesen harten Zeiten gesammelten Erfahrungen auch hinauswirken,
in kommende Friedenszeiten. Durch das Zusammenarbeiten der Arbeitgeber¬
und Arbeitnehmerorganisationen aber hat sich zu unserer aller Überraschung
gezeigt, daß die Gründung und Festigung dieser beiden Organisationsgruppen,
die sich in der Zeit des Friedens auf das heftigste bekämpften, tatsächlich die
einzige, zwar unbewußt geschaffene aber um so großzügiger durchgeführte
Kriegsvorsorge der deutschen Industrie darstellte. Fast alle beteiligten Personen,
Verbände und Gruppen waren in diesen beiden Organisationen zusammen¬
geschlossen, und es war nur noch nötig die durchgeführte Arbeitsgemeinschaft
herbeizuführen, die es der deutschen Industrie ermöglichte, sich so schnell den
durchaus veränderten Verhältnissen anzupassen. Im Rahmen der einzelnen
Industrien vereinigten sich beide Verbände, um gemeinsam für Beschaffung von
Arbeitsgelegenheit und deren Verteilung zu sorgen, denn die Aufträge, die
durch den Krieg der Industrie zuflössen, genügten nicht, das Heer der deutschen
Arbeiter zu beschäftigen. Hier mußten Staat, Gemeinden und gemeinnützige
Verbände als Auftraggeber hinzugezogen werden. Der Staat ließ Kranken¬
häuser, wissenschaftliche Institute, Wasserkraft- und Bahnanlagen bauen, die
Gemeinden sorgten durch Straßen-, Brücken- und Kanalisationsanlagen für
Arbeit, und öffentliche Institute schlössen sich diesen Bestrebungen an. So stellte
zum Beispiel das Deutsche Museum in München mehrere Millionen zur Ver¬
fügung, um durch den weiteren Ausbau seines Heimes Bauunternehmer,
Fabriken und Gewerbetreibende mit Aufträgen versehen zu können. Diesen
Bestrebungen ist es denn auch zu danken, daß der Beschäftigungsgrad in der
deutschen Industrie zurzeit ein erfreuliches Bild zeigt, und an Stelle der be¬
fürchteten Arbeitslosigkeit stellenweise eine höchste Anspannung der Industrie herrscht.

Vor allem aber war nötig, die Beschaffung der Rohmaterialien sicher
zu stellen. Dadurch, daß der Einfall der Feinde in die Industriegebiete des
Rheinlandes und Schlesiens verhindert wurde, konnte die inländische Roheisen-
und Kohlenoersorgung ohne erhebliche Unterbrechung aufrecht erhalten werden.
Um aber auch den Ankauf und die Verteilung der nicht in Deutschland
gewonnenen Rohstoffe zu organisieren, haben sich Materialversorgungsgesellschaften
gebildet, bei denen Erwerbszwecke satzungsgemäß ausgeschlossen sind. Die Wichtigkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/16>, abgerufen am 22.07.2024.