Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Napoleons Plan einer Invasion Englands ^goz--^göö

Ebbezeit konnte diese sogar im Wattenmeere operieren und gewährte im Verein
mit zahlreichen Strandbatterien den französischen Schiffen genügenden Schutz.

Vor allen Dingen bedürfte der Erste Konsul zu einer Invasion Britanniens
natürlich aber eines Heeres, das an Zahl und Organisation nichts zu wünschen
übrig ließ, und so wurde die "Armee von England", wie er sie nannte,
versammelt; bei Boulogne lagen bald 100000 Mann zur Einschiffung bereit,
kleinere Abteilungen in der Nachbarschaft. Die Soldaten kampierten in Baracken,
die aus den Resten niedergelegter Wälder hergestellt waren, und die Pferde
brachte man in Bretterställen unter. Das ganze Lager, von langen Straßen
durchzogen und in Quartiere eingeteilt, glich einer Kriegerstadt. Seit dem
Herbste 1803 übte man die Leute im Besteigen und Verlassen der Schiffe, das
auf Signale erfolgte; die Pferde aber, die ein die untere Leibpartie umfassendes
Geschirr trugen, brachte man mit Hilfe von Segelstangen, welche als Krame
verwendet wurden, in die Boote. Seit Oktober segelte das ganze Geschwader,
wie Thiers es in seiner dei8toirs 6u Le>ri8u1at se 6e 1'IZmpii-s anschaulich
schildert, fleißig zu jeder Tageszeit aus dem Hafen hinaus und übte am nahen
Meeresgestade das Ausschiffen. Soldaten wie Matrosen, die im besten
Einvernehmen lebten, machten diese Übungen ganz gern, und um sie bei dem
beschwerlichen Dienste in guter Laune zu erhalten, wurde ihnen höherer Lohn
als gewöhnlich gezahlt.

Als Zeitpunkt der überfährt faßte Napoleon zunächst das Ende des
Herbstes 1803 ins Auge, dann den Anfang und später die Mitte des folgenden
Winters; aber immer neue Vorkehrungen schienen erforderlich und nötigten den
Termin hinauszuschieben. Dazu begann der Konsul nach den bisher gemachten
Erfahrungen doch allmählich zu zweifeln, ob er in seinen flachen, ganz auf sich
selbst gestellten Booten das richtige Beförderungsmittel für eine Jnvastonsarmee
geschaffen habe. Es fehlte ihnen, wie sich mehr und mehr herausstellte, das
Allerwesentlichste: Beweglichkeit und Kampffähigkeit. Infolge davon wurde der
bisherige Plan, der dem Haupte der französischen Republik den nicht sonderlich
schmeichelhaften Beinamen eines "Don (Zuixots as la ^anLNs" eingetragen
hatte, endgültig aufgegeben und ein anderer an seine Stelle gesetzt. Napoleons
fachmännische Berater verlangten nunmehr die Unterstützung der Flachboote
durch eine starke, aus Kriegsschiffen bestehende Begleitflotte. Bei der Verteilung
der französischen Marine über alle Meere und ihrer dadurch erschwerten
Konzentration mußte dann aber die Ausführung des Projektes noch weiter
hinausgeschoben werden; dazu kam die Inanspruchnahme Bonapartes durch die
Änderung der Verfassung, die aus dem Konsul einen Kaiser machte. Alles das
drängte die Unternehmung gegen England längere Zeit in den Hintergrund.
Kaum aber hatte Napoleon die Hände frei, als er sie mit dem alten Eifer und
frischer Begeisterung wieder in Angriff nahm. In dieser Zeit soll der Amerikaner
Fulton ihm sein neu erfundenes Dampfboot zum Transporte der französischen
Soldaten angeboten haben, aber abgewiesen worden sein, da die auf der Seine


Napoleons Plan einer Invasion Englands ^goz—^göö

Ebbezeit konnte diese sogar im Wattenmeere operieren und gewährte im Verein
mit zahlreichen Strandbatterien den französischen Schiffen genügenden Schutz.

Vor allen Dingen bedürfte der Erste Konsul zu einer Invasion Britanniens
natürlich aber eines Heeres, das an Zahl und Organisation nichts zu wünschen
übrig ließ, und so wurde die „Armee von England", wie er sie nannte,
versammelt; bei Boulogne lagen bald 100000 Mann zur Einschiffung bereit,
kleinere Abteilungen in der Nachbarschaft. Die Soldaten kampierten in Baracken,
die aus den Resten niedergelegter Wälder hergestellt waren, und die Pferde
brachte man in Bretterställen unter. Das ganze Lager, von langen Straßen
durchzogen und in Quartiere eingeteilt, glich einer Kriegerstadt. Seit dem
Herbste 1803 übte man die Leute im Besteigen und Verlassen der Schiffe, das
auf Signale erfolgte; die Pferde aber, die ein die untere Leibpartie umfassendes
Geschirr trugen, brachte man mit Hilfe von Segelstangen, welche als Krame
verwendet wurden, in die Boote. Seit Oktober segelte das ganze Geschwader,
wie Thiers es in seiner dei8toirs 6u Le>ri8u1at se 6e 1'IZmpii-s anschaulich
schildert, fleißig zu jeder Tageszeit aus dem Hafen hinaus und übte am nahen
Meeresgestade das Ausschiffen. Soldaten wie Matrosen, die im besten
Einvernehmen lebten, machten diese Übungen ganz gern, und um sie bei dem
beschwerlichen Dienste in guter Laune zu erhalten, wurde ihnen höherer Lohn
als gewöhnlich gezahlt.

Als Zeitpunkt der überfährt faßte Napoleon zunächst das Ende des
Herbstes 1803 ins Auge, dann den Anfang und später die Mitte des folgenden
Winters; aber immer neue Vorkehrungen schienen erforderlich und nötigten den
Termin hinauszuschieben. Dazu begann der Konsul nach den bisher gemachten
Erfahrungen doch allmählich zu zweifeln, ob er in seinen flachen, ganz auf sich
selbst gestellten Booten das richtige Beförderungsmittel für eine Jnvastonsarmee
geschaffen habe. Es fehlte ihnen, wie sich mehr und mehr herausstellte, das
Allerwesentlichste: Beweglichkeit und Kampffähigkeit. Infolge davon wurde der
bisherige Plan, der dem Haupte der französischen Republik den nicht sonderlich
schmeichelhaften Beinamen eines „Don (Zuixots as la ^anLNs" eingetragen
hatte, endgültig aufgegeben und ein anderer an seine Stelle gesetzt. Napoleons
fachmännische Berater verlangten nunmehr die Unterstützung der Flachboote
durch eine starke, aus Kriegsschiffen bestehende Begleitflotte. Bei der Verteilung
der französischen Marine über alle Meere und ihrer dadurch erschwerten
Konzentration mußte dann aber die Ausführung des Projektes noch weiter
hinausgeschoben werden; dazu kam die Inanspruchnahme Bonapartes durch die
Änderung der Verfassung, die aus dem Konsul einen Kaiser machte. Alles das
drängte die Unternehmung gegen England längere Zeit in den Hintergrund.
Kaum aber hatte Napoleon die Hände frei, als er sie mit dem alten Eifer und
frischer Begeisterung wieder in Angriff nahm. In dieser Zeit soll der Amerikaner
Fulton ihm sein neu erfundenes Dampfboot zum Transporte der französischen
Soldaten angeboten haben, aber abgewiesen worden sein, da die auf der Seine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323693"/>
          <fw type="header" place="top"> Napoleons Plan einer Invasion Englands ^goz&#x2014;^göö</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_502" prev="#ID_501"> Ebbezeit konnte diese sogar im Wattenmeere operieren und gewährte im Verein<lb/>
mit zahlreichen Strandbatterien den französischen Schiffen genügenden Schutz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_503"> Vor allen Dingen bedürfte der Erste Konsul zu einer Invasion Britanniens<lb/>
natürlich aber eines Heeres, das an Zahl und Organisation nichts zu wünschen<lb/>
übrig ließ, und so wurde die &#x201E;Armee von England", wie er sie nannte,<lb/>
versammelt; bei Boulogne lagen bald 100000 Mann zur Einschiffung bereit,<lb/>
kleinere Abteilungen in der Nachbarschaft. Die Soldaten kampierten in Baracken,<lb/>
die aus den Resten niedergelegter Wälder hergestellt waren, und die Pferde<lb/>
brachte man in Bretterställen unter. Das ganze Lager, von langen Straßen<lb/>
durchzogen und in Quartiere eingeteilt, glich einer Kriegerstadt. Seit dem<lb/>
Herbste 1803 übte man die Leute im Besteigen und Verlassen der Schiffe, das<lb/>
auf Signale erfolgte; die Pferde aber, die ein die untere Leibpartie umfassendes<lb/>
Geschirr trugen, brachte man mit Hilfe von Segelstangen, welche als Krame<lb/>
verwendet wurden, in die Boote. Seit Oktober segelte das ganze Geschwader,<lb/>
wie Thiers es in seiner dei8toirs 6u Le&gt;ri8u1at se 6e 1'IZmpii-s anschaulich<lb/>
schildert, fleißig zu jeder Tageszeit aus dem Hafen hinaus und übte am nahen<lb/>
Meeresgestade das Ausschiffen. Soldaten wie Matrosen, die im besten<lb/>
Einvernehmen lebten, machten diese Übungen ganz gern, und um sie bei dem<lb/>
beschwerlichen Dienste in guter Laune zu erhalten, wurde ihnen höherer Lohn<lb/>
als gewöhnlich gezahlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_504" next="#ID_505"> Als Zeitpunkt der überfährt faßte Napoleon zunächst das Ende des<lb/>
Herbstes 1803 ins Auge, dann den Anfang und später die Mitte des folgenden<lb/>
Winters; aber immer neue Vorkehrungen schienen erforderlich und nötigten den<lb/>
Termin hinauszuschieben. Dazu begann der Konsul nach den bisher gemachten<lb/>
Erfahrungen doch allmählich zu zweifeln, ob er in seinen flachen, ganz auf sich<lb/>
selbst gestellten Booten das richtige Beförderungsmittel für eine Jnvastonsarmee<lb/>
geschaffen habe. Es fehlte ihnen, wie sich mehr und mehr herausstellte, das<lb/>
Allerwesentlichste: Beweglichkeit und Kampffähigkeit. Infolge davon wurde der<lb/>
bisherige Plan, der dem Haupte der französischen Republik den nicht sonderlich<lb/>
schmeichelhaften Beinamen eines &#x201E;Don (Zuixots as la ^anLNs" eingetragen<lb/>
hatte, endgültig aufgegeben und ein anderer an seine Stelle gesetzt. Napoleons<lb/>
fachmännische Berater verlangten nunmehr die Unterstützung der Flachboote<lb/>
durch eine starke, aus Kriegsschiffen bestehende Begleitflotte. Bei der Verteilung<lb/>
der französischen Marine über alle Meere und ihrer dadurch erschwerten<lb/>
Konzentration mußte dann aber die Ausführung des Projektes noch weiter<lb/>
hinausgeschoben werden; dazu kam die Inanspruchnahme Bonapartes durch die<lb/>
Änderung der Verfassung, die aus dem Konsul einen Kaiser machte. Alles das<lb/>
drängte die Unternehmung gegen England längere Zeit in den Hintergrund.<lb/>
Kaum aber hatte Napoleon die Hände frei, als er sie mit dem alten Eifer und<lb/>
frischer Begeisterung wieder in Angriff nahm. In dieser Zeit soll der Amerikaner<lb/>
Fulton ihm sein neu erfundenes Dampfboot zum Transporte der französischen<lb/>
Soldaten angeboten haben, aber abgewiesen worden sein, da die auf der Seine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] Napoleons Plan einer Invasion Englands ^goz—^göö Ebbezeit konnte diese sogar im Wattenmeere operieren und gewährte im Verein mit zahlreichen Strandbatterien den französischen Schiffen genügenden Schutz. Vor allen Dingen bedürfte der Erste Konsul zu einer Invasion Britanniens natürlich aber eines Heeres, das an Zahl und Organisation nichts zu wünschen übrig ließ, und so wurde die „Armee von England", wie er sie nannte, versammelt; bei Boulogne lagen bald 100000 Mann zur Einschiffung bereit, kleinere Abteilungen in der Nachbarschaft. Die Soldaten kampierten in Baracken, die aus den Resten niedergelegter Wälder hergestellt waren, und die Pferde brachte man in Bretterställen unter. Das ganze Lager, von langen Straßen durchzogen und in Quartiere eingeteilt, glich einer Kriegerstadt. Seit dem Herbste 1803 übte man die Leute im Besteigen und Verlassen der Schiffe, das auf Signale erfolgte; die Pferde aber, die ein die untere Leibpartie umfassendes Geschirr trugen, brachte man mit Hilfe von Segelstangen, welche als Krame verwendet wurden, in die Boote. Seit Oktober segelte das ganze Geschwader, wie Thiers es in seiner dei8toirs 6u Le>ri8u1at se 6e 1'IZmpii-s anschaulich schildert, fleißig zu jeder Tageszeit aus dem Hafen hinaus und übte am nahen Meeresgestade das Ausschiffen. Soldaten wie Matrosen, die im besten Einvernehmen lebten, machten diese Übungen ganz gern, und um sie bei dem beschwerlichen Dienste in guter Laune zu erhalten, wurde ihnen höherer Lohn als gewöhnlich gezahlt. Als Zeitpunkt der überfährt faßte Napoleon zunächst das Ende des Herbstes 1803 ins Auge, dann den Anfang und später die Mitte des folgenden Winters; aber immer neue Vorkehrungen schienen erforderlich und nötigten den Termin hinauszuschieben. Dazu begann der Konsul nach den bisher gemachten Erfahrungen doch allmählich zu zweifeln, ob er in seinen flachen, ganz auf sich selbst gestellten Booten das richtige Beförderungsmittel für eine Jnvastonsarmee geschaffen habe. Es fehlte ihnen, wie sich mehr und mehr herausstellte, das Allerwesentlichste: Beweglichkeit und Kampffähigkeit. Infolge davon wurde der bisherige Plan, der dem Haupte der französischen Republik den nicht sonderlich schmeichelhaften Beinamen eines „Don (Zuixots as la ^anLNs" eingetragen hatte, endgültig aufgegeben und ein anderer an seine Stelle gesetzt. Napoleons fachmännische Berater verlangten nunmehr die Unterstützung der Flachboote durch eine starke, aus Kriegsschiffen bestehende Begleitflotte. Bei der Verteilung der französischen Marine über alle Meere und ihrer dadurch erschwerten Konzentration mußte dann aber die Ausführung des Projektes noch weiter hinausgeschoben werden; dazu kam die Inanspruchnahme Bonapartes durch die Änderung der Verfassung, die aus dem Konsul einen Kaiser machte. Alles das drängte die Unternehmung gegen England längere Zeit in den Hintergrund. Kaum aber hatte Napoleon die Hände frei, als er sie mit dem alten Eifer und frischer Begeisterung wieder in Angriff nahm. In dieser Zeit soll der Amerikaner Fulton ihm sein neu erfundenes Dampfboot zum Transporte der französischen Soldaten angeboten haben, aber abgewiesen worden sein, da die auf der Seine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/154>, abgerufen am 24.08.2024.