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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Besteuerung des Uriegsgewinns --eine Steuerungerechtigkeit

Die Kriegsgewinnsteuer wird noch von einer anderen Seite her empfohlen,
wobei das moralische Element unberücksichtigt bleibt und lediglich die einfache
Tatsache als entscheidend ins Feld geführt wird, daß inmitten des Rückganges
in den allgemeinen Einkommensverhältnissen eine kleine Gruppe gewandter
Geschäftsleute und begünstigter Industrieller durch Beteiligung an der Herstellung
und Lieferung von Kriegsbedarf jeglicher Art eines ungewöhnlich hohen Geschäfts¬
profits sich zu erfreuen vermag. Die Steuergerechtigkeit wird als Motiv für
die prozentuale Schröpfung dieses Profits angerufen. In Wirklichkeit würde
mit einer solchen Besteuerung eine arge Steuerungerechtigkeit begangen werden.
Vom Beigeordneten Rohde ist in den "Grenzboten" dargelegt worden, wieviel
günstiger die Finanzlage der gewinnenden Minderheit ist im Vergleich zu der
großen Mehrheit, die durch den Krieg einen beträchtlichen Teil ihrer Jahres¬
einnahmen einbüßt. Hieran anknüpfend wird der unseres Erachtens sehr
bedenkliche Grundsatz aufgestellt, daß in Notstandszetten von den Glücksgüter
Erwerbenden ein besonderer Steuertribut erhoben werden dürfe. Von Not¬
ständen in der einen oder anderen Form werden wir häufiger heimgesucht, und
der Gegensatz zwischen wenigen großen Gewinnen und vielen schweren Ver¬
lusten ist eine fast alltägliche Erscheinung. Wollten wir die dadurch verursachten
finanziellen Ungleichheiten durch die Anwendung der Steuerschraube ebnen, so
geraten wir in ein Fahrwasser sozialistischer Ideen. Durch die progressive
Besteuerung findet ein gewisser Ausgleich zwischen großen und kleinen Ein¬
kommen ohnehin statt und werden auch die Kriegsgewinne erfaßt, so daß eine
zeitlich begrenzte neue Steuerauflage auf eine mehr oder weniger willkürlich
konstruierte Gruppe von Steuerpflichtigen den geltenden Grundsätzen unseres
Steuerwesens widersprechen würde. Was zugunsten eines außerordentlichen
Zuschlags zur Einkommensteuer unter Berufung auf den Krieg angeführt wird,
könnte zu erwägen sein, falls aller Kapitalbesitz und alle größeren Einkommen
mit einer Kriegsabgabe belegt werden müßten, schafft aber ein gehässiges Aus¬
nahmerecht, wenn nur bestimmte Geschäftsgewinne beschnitten werden sollen.
Die Gewinnempfänger werden es stets als eine unverdiente Kränkung empfinden,
daß man sie mit einer Extraauflage bedenkt, weil sie während des Krieges
mehr als ihre Nebenmenschen verdient haben. Zwar wird uns vorgehalten,
daß der Steuerpflichtige, der sein Einkommen vermehrt, aus Freude hierüber
gern einen besonderen Zuschlag zahlt. Für diese Ansicht würden sich aber
nicht viele Zeugen beibringen lassen. Zum mindesten wird jedoch der Besteuerte
verlangen, daß bei seiner Steuereinschätzung nicht das einzelne Erntejahr des
Krieges als Einkommensmaßstab zugrunde gelegt wird, sondern seine finanziellen
Verhältnisse aus mehreren Jahren zusammengehalten werden. Denn entspräche
.es etwa der Billigkeit, daß geschäftliche Unternehmungen, die in den Jahren
vor dem Kriege vielleicht mit starker Unterbilanz gearbeitet haben, nun aber
durch günstige Umstände vorübergehend einen günstigen Aufschwung nehmen,
steuerlich so herangenommen werden, als wenn sie in dauernder Üppigkeit sich


Die Besteuerung des Uriegsgewinns —eine Steuerungerechtigkeit

Die Kriegsgewinnsteuer wird noch von einer anderen Seite her empfohlen,
wobei das moralische Element unberücksichtigt bleibt und lediglich die einfache
Tatsache als entscheidend ins Feld geführt wird, daß inmitten des Rückganges
in den allgemeinen Einkommensverhältnissen eine kleine Gruppe gewandter
Geschäftsleute und begünstigter Industrieller durch Beteiligung an der Herstellung
und Lieferung von Kriegsbedarf jeglicher Art eines ungewöhnlich hohen Geschäfts¬
profits sich zu erfreuen vermag. Die Steuergerechtigkeit wird als Motiv für
die prozentuale Schröpfung dieses Profits angerufen. In Wirklichkeit würde
mit einer solchen Besteuerung eine arge Steuerungerechtigkeit begangen werden.
Vom Beigeordneten Rohde ist in den „Grenzboten" dargelegt worden, wieviel
günstiger die Finanzlage der gewinnenden Minderheit ist im Vergleich zu der
großen Mehrheit, die durch den Krieg einen beträchtlichen Teil ihrer Jahres¬
einnahmen einbüßt. Hieran anknüpfend wird der unseres Erachtens sehr
bedenkliche Grundsatz aufgestellt, daß in Notstandszetten von den Glücksgüter
Erwerbenden ein besonderer Steuertribut erhoben werden dürfe. Von Not¬
ständen in der einen oder anderen Form werden wir häufiger heimgesucht, und
der Gegensatz zwischen wenigen großen Gewinnen und vielen schweren Ver¬
lusten ist eine fast alltägliche Erscheinung. Wollten wir die dadurch verursachten
finanziellen Ungleichheiten durch die Anwendung der Steuerschraube ebnen, so
geraten wir in ein Fahrwasser sozialistischer Ideen. Durch die progressive
Besteuerung findet ein gewisser Ausgleich zwischen großen und kleinen Ein¬
kommen ohnehin statt und werden auch die Kriegsgewinne erfaßt, so daß eine
zeitlich begrenzte neue Steuerauflage auf eine mehr oder weniger willkürlich
konstruierte Gruppe von Steuerpflichtigen den geltenden Grundsätzen unseres
Steuerwesens widersprechen würde. Was zugunsten eines außerordentlichen
Zuschlags zur Einkommensteuer unter Berufung auf den Krieg angeführt wird,
könnte zu erwägen sein, falls aller Kapitalbesitz und alle größeren Einkommen
mit einer Kriegsabgabe belegt werden müßten, schafft aber ein gehässiges Aus¬
nahmerecht, wenn nur bestimmte Geschäftsgewinne beschnitten werden sollen.
Die Gewinnempfänger werden es stets als eine unverdiente Kränkung empfinden,
daß man sie mit einer Extraauflage bedenkt, weil sie während des Krieges
mehr als ihre Nebenmenschen verdient haben. Zwar wird uns vorgehalten,
daß der Steuerpflichtige, der sein Einkommen vermehrt, aus Freude hierüber
gern einen besonderen Zuschlag zahlt. Für diese Ansicht würden sich aber
nicht viele Zeugen beibringen lassen. Zum mindesten wird jedoch der Besteuerte
verlangen, daß bei seiner Steuereinschätzung nicht das einzelne Erntejahr des
Krieges als Einkommensmaßstab zugrunde gelegt wird, sondern seine finanziellen
Verhältnisse aus mehreren Jahren zusammengehalten werden. Denn entspräche
.es etwa der Billigkeit, daß geschäftliche Unternehmungen, die in den Jahren
vor dem Kriege vielleicht mit starker Unterbilanz gearbeitet haben, nun aber
durch günstige Umstände vorübergehend einen günstigen Aufschwung nehmen,
steuerlich so herangenommen werden, als wenn sie in dauernder Üppigkeit sich


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[0123] Die Besteuerung des Uriegsgewinns —eine Steuerungerechtigkeit Die Kriegsgewinnsteuer wird noch von einer anderen Seite her empfohlen, wobei das moralische Element unberücksichtigt bleibt und lediglich die einfache Tatsache als entscheidend ins Feld geführt wird, daß inmitten des Rückganges in den allgemeinen Einkommensverhältnissen eine kleine Gruppe gewandter Geschäftsleute und begünstigter Industrieller durch Beteiligung an der Herstellung und Lieferung von Kriegsbedarf jeglicher Art eines ungewöhnlich hohen Geschäfts¬ profits sich zu erfreuen vermag. Die Steuergerechtigkeit wird als Motiv für die prozentuale Schröpfung dieses Profits angerufen. In Wirklichkeit würde mit einer solchen Besteuerung eine arge Steuerungerechtigkeit begangen werden. Vom Beigeordneten Rohde ist in den „Grenzboten" dargelegt worden, wieviel günstiger die Finanzlage der gewinnenden Minderheit ist im Vergleich zu der großen Mehrheit, die durch den Krieg einen beträchtlichen Teil ihrer Jahres¬ einnahmen einbüßt. Hieran anknüpfend wird der unseres Erachtens sehr bedenkliche Grundsatz aufgestellt, daß in Notstandszetten von den Glücksgüter Erwerbenden ein besonderer Steuertribut erhoben werden dürfe. Von Not¬ ständen in der einen oder anderen Form werden wir häufiger heimgesucht, und der Gegensatz zwischen wenigen großen Gewinnen und vielen schweren Ver¬ lusten ist eine fast alltägliche Erscheinung. Wollten wir die dadurch verursachten finanziellen Ungleichheiten durch die Anwendung der Steuerschraube ebnen, so geraten wir in ein Fahrwasser sozialistischer Ideen. Durch die progressive Besteuerung findet ein gewisser Ausgleich zwischen großen und kleinen Ein¬ kommen ohnehin statt und werden auch die Kriegsgewinne erfaßt, so daß eine zeitlich begrenzte neue Steuerauflage auf eine mehr oder weniger willkürlich konstruierte Gruppe von Steuerpflichtigen den geltenden Grundsätzen unseres Steuerwesens widersprechen würde. Was zugunsten eines außerordentlichen Zuschlags zur Einkommensteuer unter Berufung auf den Krieg angeführt wird, könnte zu erwägen sein, falls aller Kapitalbesitz und alle größeren Einkommen mit einer Kriegsabgabe belegt werden müßten, schafft aber ein gehässiges Aus¬ nahmerecht, wenn nur bestimmte Geschäftsgewinne beschnitten werden sollen. Die Gewinnempfänger werden es stets als eine unverdiente Kränkung empfinden, daß man sie mit einer Extraauflage bedenkt, weil sie während des Krieges mehr als ihre Nebenmenschen verdient haben. Zwar wird uns vorgehalten, daß der Steuerpflichtige, der sein Einkommen vermehrt, aus Freude hierüber gern einen besonderen Zuschlag zahlt. Für diese Ansicht würden sich aber nicht viele Zeugen beibringen lassen. Zum mindesten wird jedoch der Besteuerte verlangen, daß bei seiner Steuereinschätzung nicht das einzelne Erntejahr des Krieges als Einkommensmaßstab zugrunde gelegt wird, sondern seine finanziellen Verhältnisse aus mehreren Jahren zusammengehalten werden. Denn entspräche .es etwa der Billigkeit, daß geschäftliche Unternehmungen, die in den Jahren vor dem Kriege vielleicht mit starker Unterbilanz gearbeitet haben, nun aber durch günstige Umstände vorübergehend einen günstigen Aufschwung nehmen, steuerlich so herangenommen werden, als wenn sie in dauernder Üppigkeit sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/123>, abgerufen am 22.07.2024.