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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Besteuerung des Ariegsgeroinns -- eine Steuerungerechtigkeit

vertreten, nachdem er vorgängig die gewichtigen Bedenken gegen diese Steuer
selbst hervorgehoben hat. Die praktischen Einwände zerfließen ihm aber gegen¬
über dem psychologischen Moment, daß ein weit verbreiteter Unwillen besteht
über die Art, wie der furchtbare Krieg ähnlich einer beliebig anderen geschäft¬
lichen Konjunktur zur materiellen Bereicherung einer kleinen Minderheit aus¬
genutzt wird. Dieses Gefühl, meint Justizrat Bamberger, soll man sich nicht
verwirren lassen. Und er weist auf die Quelle des Mißmuth hin, wenn er
schreibt: "Das allein ist nicht entscheidend, daß der Nutzen in einem Mißver¬
hältnis zu der aufgewendeten Arbeit steht, auch nicht, daß innerhalb der kurzen
Zeit von wenigen Monaten Vermögen erworben werden, die sonst kaum die
Frucht der Tätigkeit von vielen Jahren bilden, sondern entscheidend ist die
Tatsache, daß der Krieg es ist, der eine so außerordentliche Bereicherung her¬
vorruft." Es sei nicht mehr als recht und billig, daß die Begünstigten einen
kleinen Teil des erlangten Nutzens in Form einer Steuer der Gesamtheit
überlassen.

Nach der hier verlautbarten Auffassung soll also nicht so sehr die Tatsache
des Gewinns an sich, auch nicht die ungewöhnliche Höhe der Gewinne für die
Besteuerung maßgebend sein, sondern vor allem wird die finanzielle Nutzbar¬
machung der Kriegszeit für privatwirtschaftliche Erwerbszwecke als anstößig
erachtet. Dem Kriegsgewinn wird damit der Stempel unmoralischen Verdienstes
ausgeprägt. Andernfalls wäre die Entrüstung nicht recht zu verstehen, die über
diese Gewinnmöglichkeiten besteht und auch vom Justizrat Bamberger als voll¬
auf begreiflich anerkannt wird, ohne Rücksicht darauf, ob die wucherische
Ausbeutung von kriegswirtschaftlichen Ausnahmeverhältnissen wirklich nachweisbar
ist oder nicht. Nun aber sollte gerade in der Steuerpolitik das moralische
Moment niemals sich von selbst verstehen. Seine Einschaltung in die Grund¬
sätze der Steuergerechtigkeit müßte den Steuerpraktiker auf gefährliche Irrwege
führen, indem schließlich die moralische Gesinnung der Steuerpflichtigen bei der
Steuerumlegung in Betracht zu ziehen wäre. Wenigstens fehlt ohne die
moralische Bewertung die Begründung, warum an Kriegslieferungen nicht ver¬
dient werden darf und warum diese Gewinne nicht entsprechend höher sich stellen
dürfen als zu normalen Zeiten. Daß diese höheren Gewinne in die Kriegszeit
fallen oder gar durch die Bedürfnisse der Kriegführung überhaupt erst erzielt
worden sind, darf unseres Erachtens als unschicklich nur dann gelten, wenn
Kriegsgewinne unter allen Umständen mit Bedenklichkeiten behaftet sind. Das
wird aber schwerlich behauptet werden, denn sonst würde das auch für die
Heeresleitung ungemein wichtige Geschäftsinteresse erlahmen. Kriegsgewinne
sind also grundsätzlich nicht verwerflich, können aber zu Quellen des Unmuts
werden, wenn sie durch ihre Höhe den Eindruck einer wucherischer Machenschaft
hervorrufen. Man sollte sich hüten, geschäftliche Einkünfte beträchtlichen
Umfangs, denen häßliche spekulative Umtriebe nicht zugrunde liegen, deshalb
zu verurteilen, weil sie aus der Kriegsbasis emporgestiegen sind. Wenn das-


Die Besteuerung des Ariegsgeroinns — eine Steuerungerechtigkeit

vertreten, nachdem er vorgängig die gewichtigen Bedenken gegen diese Steuer
selbst hervorgehoben hat. Die praktischen Einwände zerfließen ihm aber gegen¬
über dem psychologischen Moment, daß ein weit verbreiteter Unwillen besteht
über die Art, wie der furchtbare Krieg ähnlich einer beliebig anderen geschäft¬
lichen Konjunktur zur materiellen Bereicherung einer kleinen Minderheit aus¬
genutzt wird. Dieses Gefühl, meint Justizrat Bamberger, soll man sich nicht
verwirren lassen. Und er weist auf die Quelle des Mißmuth hin, wenn er
schreibt: „Das allein ist nicht entscheidend, daß der Nutzen in einem Mißver¬
hältnis zu der aufgewendeten Arbeit steht, auch nicht, daß innerhalb der kurzen
Zeit von wenigen Monaten Vermögen erworben werden, die sonst kaum die
Frucht der Tätigkeit von vielen Jahren bilden, sondern entscheidend ist die
Tatsache, daß der Krieg es ist, der eine so außerordentliche Bereicherung her¬
vorruft." Es sei nicht mehr als recht und billig, daß die Begünstigten einen
kleinen Teil des erlangten Nutzens in Form einer Steuer der Gesamtheit
überlassen.

Nach der hier verlautbarten Auffassung soll also nicht so sehr die Tatsache
des Gewinns an sich, auch nicht die ungewöhnliche Höhe der Gewinne für die
Besteuerung maßgebend sein, sondern vor allem wird die finanzielle Nutzbar¬
machung der Kriegszeit für privatwirtschaftliche Erwerbszwecke als anstößig
erachtet. Dem Kriegsgewinn wird damit der Stempel unmoralischen Verdienstes
ausgeprägt. Andernfalls wäre die Entrüstung nicht recht zu verstehen, die über
diese Gewinnmöglichkeiten besteht und auch vom Justizrat Bamberger als voll¬
auf begreiflich anerkannt wird, ohne Rücksicht darauf, ob die wucherische
Ausbeutung von kriegswirtschaftlichen Ausnahmeverhältnissen wirklich nachweisbar
ist oder nicht. Nun aber sollte gerade in der Steuerpolitik das moralische
Moment niemals sich von selbst verstehen. Seine Einschaltung in die Grund¬
sätze der Steuergerechtigkeit müßte den Steuerpraktiker auf gefährliche Irrwege
führen, indem schließlich die moralische Gesinnung der Steuerpflichtigen bei der
Steuerumlegung in Betracht zu ziehen wäre. Wenigstens fehlt ohne die
moralische Bewertung die Begründung, warum an Kriegslieferungen nicht ver¬
dient werden darf und warum diese Gewinne nicht entsprechend höher sich stellen
dürfen als zu normalen Zeiten. Daß diese höheren Gewinne in die Kriegszeit
fallen oder gar durch die Bedürfnisse der Kriegführung überhaupt erst erzielt
worden sind, darf unseres Erachtens als unschicklich nur dann gelten, wenn
Kriegsgewinne unter allen Umständen mit Bedenklichkeiten behaftet sind. Das
wird aber schwerlich behauptet werden, denn sonst würde das auch für die
Heeresleitung ungemein wichtige Geschäftsinteresse erlahmen. Kriegsgewinne
sind also grundsätzlich nicht verwerflich, können aber zu Quellen des Unmuts
werden, wenn sie durch ihre Höhe den Eindruck einer wucherischer Machenschaft
hervorrufen. Man sollte sich hüten, geschäftliche Einkünfte beträchtlichen
Umfangs, denen häßliche spekulative Umtriebe nicht zugrunde liegen, deshalb
zu verurteilen, weil sie aus der Kriegsbasis emporgestiegen sind. Wenn das-


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[0121] Die Besteuerung des Ariegsgeroinns — eine Steuerungerechtigkeit vertreten, nachdem er vorgängig die gewichtigen Bedenken gegen diese Steuer selbst hervorgehoben hat. Die praktischen Einwände zerfließen ihm aber gegen¬ über dem psychologischen Moment, daß ein weit verbreiteter Unwillen besteht über die Art, wie der furchtbare Krieg ähnlich einer beliebig anderen geschäft¬ lichen Konjunktur zur materiellen Bereicherung einer kleinen Minderheit aus¬ genutzt wird. Dieses Gefühl, meint Justizrat Bamberger, soll man sich nicht verwirren lassen. Und er weist auf die Quelle des Mißmuth hin, wenn er schreibt: „Das allein ist nicht entscheidend, daß der Nutzen in einem Mißver¬ hältnis zu der aufgewendeten Arbeit steht, auch nicht, daß innerhalb der kurzen Zeit von wenigen Monaten Vermögen erworben werden, die sonst kaum die Frucht der Tätigkeit von vielen Jahren bilden, sondern entscheidend ist die Tatsache, daß der Krieg es ist, der eine so außerordentliche Bereicherung her¬ vorruft." Es sei nicht mehr als recht und billig, daß die Begünstigten einen kleinen Teil des erlangten Nutzens in Form einer Steuer der Gesamtheit überlassen. Nach der hier verlautbarten Auffassung soll also nicht so sehr die Tatsache des Gewinns an sich, auch nicht die ungewöhnliche Höhe der Gewinne für die Besteuerung maßgebend sein, sondern vor allem wird die finanzielle Nutzbar¬ machung der Kriegszeit für privatwirtschaftliche Erwerbszwecke als anstößig erachtet. Dem Kriegsgewinn wird damit der Stempel unmoralischen Verdienstes ausgeprägt. Andernfalls wäre die Entrüstung nicht recht zu verstehen, die über diese Gewinnmöglichkeiten besteht und auch vom Justizrat Bamberger als voll¬ auf begreiflich anerkannt wird, ohne Rücksicht darauf, ob die wucherische Ausbeutung von kriegswirtschaftlichen Ausnahmeverhältnissen wirklich nachweisbar ist oder nicht. Nun aber sollte gerade in der Steuerpolitik das moralische Moment niemals sich von selbst verstehen. Seine Einschaltung in die Grund¬ sätze der Steuergerechtigkeit müßte den Steuerpraktiker auf gefährliche Irrwege führen, indem schließlich die moralische Gesinnung der Steuerpflichtigen bei der Steuerumlegung in Betracht zu ziehen wäre. Wenigstens fehlt ohne die moralische Bewertung die Begründung, warum an Kriegslieferungen nicht ver¬ dient werden darf und warum diese Gewinne nicht entsprechend höher sich stellen dürfen als zu normalen Zeiten. Daß diese höheren Gewinne in die Kriegszeit fallen oder gar durch die Bedürfnisse der Kriegführung überhaupt erst erzielt worden sind, darf unseres Erachtens als unschicklich nur dann gelten, wenn Kriegsgewinne unter allen Umständen mit Bedenklichkeiten behaftet sind. Das wird aber schwerlich behauptet werden, denn sonst würde das auch für die Heeresleitung ungemein wichtige Geschäftsinteresse erlahmen. Kriegsgewinne sind also grundsätzlich nicht verwerflich, können aber zu Quellen des Unmuts werden, wenn sie durch ihre Höhe den Eindruck einer wucherischer Machenschaft hervorrufen. Man sollte sich hüten, geschäftliche Einkünfte beträchtlichen Umfangs, denen häßliche spekulative Umtriebe nicht zugrunde liegen, deshalb zu verurteilen, weil sie aus der Kriegsbasis emporgestiegen sind. Wenn das-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/121>, abgerufen am 22.07.2024.