Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr. Was hätt' ich selbst erst zu erzählen I Schon Neufchatell bot' reichlich Stoff. Zum Malen könnt' ich's dem Meni empfehlen! Wie süßes Gift von Heuchellippen troff, Wie ein Versprechen unverfroren Am nächsten Tag ward abgeschworen! Genug davon! Was Ihr auch ferner treibt, Man übergeht's -- nur die Verachtung bleibt. -- Der hitzige Störenfried, der Ränkeschmied, Wenn man ihn näher sich besteht, Fühlt er sich glücklich denn am Werke? Schon der geringste Anlaß regt ihn auf Und kehrt in Feigheit die erprahlte Stärke. Das Wort "Exil" -- wie'n Schuß aus Flintenlauf Wirkt schon das Wort auf ihn. Doch kurz darauf, -- Wird er vom Fürsten gnadenvoll empfangen,-- Erglühn ihm wieder die erblaßten Wangen. Da Herrengunst sich niemals fest erweist. So schwebt beständig zwischen Bangen Und Hoffen sein stets unruhvoller Geist. Choiseul, Choiseul! Du magst die Weisen fragen, Sie werden's besser als mein Reimlied sagen: Das Glück ist dir zu folgen müd. Eh' diese Sonne zweimal noch verglüht, Dienst du vielleicht den Würmern schon zur Speise, Denn alles schwindet, stirbt dahin, Fürst, Rat und Bettler gleicherweise. Was hat auf dieser knappen Erdenreise Die stete Ränkesucht für Sinn? Ist glücklich, wer den Weltenbrand entzündet? War's Retz wohl, als die Fronde er gegründet? Ich Halt's mit Zeno und zieh' lieber doch So Mark Aurel wie Sokrates zu Rat'. Als daß ich auf mich nähm' der Schande Joch Wie der verworfne Herostrat. Kam' ich zu Ruhm nur durch gemeine Tat. Verkroch' ich eher mich ins tiefste Loch. Man nutze nur das kurze Leben! Nicht gar so fremd ist uns das Glück. Was hätt' ich selbst erst zu erzählen I Schon Neufchatell bot' reichlich Stoff. Zum Malen könnt' ich's dem Meni empfehlen! Wie süßes Gift von Heuchellippen troff, Wie ein Versprechen unverfroren Am nächsten Tag ward abgeschworen! Genug davon! Was Ihr auch ferner treibt, Man übergeht's — nur die Verachtung bleibt. — Der hitzige Störenfried, der Ränkeschmied, Wenn man ihn näher sich besteht, Fühlt er sich glücklich denn am Werke? Schon der geringste Anlaß regt ihn auf Und kehrt in Feigheit die erprahlte Stärke. Das Wort „Exil" — wie'n Schuß aus Flintenlauf Wirkt schon das Wort auf ihn. Doch kurz darauf, — Wird er vom Fürsten gnadenvoll empfangen,— Erglühn ihm wieder die erblaßten Wangen. Da Herrengunst sich niemals fest erweist. So schwebt beständig zwischen Bangen Und Hoffen sein stets unruhvoller Geist. Choiseul, Choiseul! Du magst die Weisen fragen, Sie werden's besser als mein Reimlied sagen: Das Glück ist dir zu folgen müd. Eh' diese Sonne zweimal noch verglüht, Dienst du vielleicht den Würmern schon zur Speise, Denn alles schwindet, stirbt dahin, Fürst, Rat und Bettler gleicherweise. Was hat auf dieser knappen Erdenreise Die stete Ränkesucht für Sinn? Ist glücklich, wer den Weltenbrand entzündet? War's Retz wohl, als die Fronde er gegründet? Ich Halt's mit Zeno und zieh' lieber doch So Mark Aurel wie Sokrates zu Rat'. Als daß ich auf mich nähm' der Schande Joch Wie der verworfne Herostrat. Kam' ich zu Ruhm nur durch gemeine Tat. Verkroch' ich eher mich ins tiefste Loch. Man nutze nur das kurze Leben! Nicht gar so fremd ist uns das Glück. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323137"/> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Was hätt' ich selbst erst zu erzählen I<lb/> Schon Neufchatell bot' reichlich Stoff.<lb/> Zum Malen könnt' ich's dem Meni empfehlen!<lb/> Wie süßes Gift von Heuchellippen troff,<lb/> Wie ein Versprechen unverfroren<lb/> Am nächsten Tag ward abgeschworen!<lb/> Genug davon! 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Was hätt' ich selbst erst zu erzählen I
Schon Neufchatell bot' reichlich Stoff.
Zum Malen könnt' ich's dem Meni empfehlen!
Wie süßes Gift von Heuchellippen troff,
Wie ein Versprechen unverfroren
Am nächsten Tag ward abgeschworen!
Genug davon! Was Ihr auch ferner treibt,
Man übergeht's — nur die Verachtung bleibt. —
Der hitzige Störenfried, der Ränkeschmied,
Wenn man ihn näher sich besteht,
Fühlt er sich glücklich denn am Werke?
Schon der geringste Anlaß regt ihn auf
Und kehrt in Feigheit die erprahlte Stärke.
Das Wort „Exil" — wie'n Schuß aus Flintenlauf
Wirkt schon das Wort auf ihn. Doch kurz darauf, —
Wird er vom Fürsten gnadenvoll empfangen,—
Erglühn ihm wieder die erblaßten Wangen.
Da Herrengunst sich niemals fest erweist.
So schwebt beständig zwischen Bangen
Und Hoffen sein stets unruhvoller Geist. Choiseul, Choiseul! Du magst die Weisen fragen,
Sie werden's besser als mein Reimlied sagen:
Das Glück ist dir zu folgen müd.
Eh' diese Sonne zweimal noch verglüht,
Dienst du vielleicht den Würmern schon zur Speise,
Denn alles schwindet, stirbt dahin,
Fürst, Rat und Bettler gleicherweise.
Was hat auf dieser knappen Erdenreise
Die stete Ränkesucht für Sinn? Ist glücklich, wer den Weltenbrand entzündet?
War's Retz wohl, als die Fronde er gegründet?
Ich Halt's mit Zeno und zieh' lieber doch
So Mark Aurel wie Sokrates zu Rat'.
Als daß ich auf mich nähm' der Schande Joch
Wie der verworfne Herostrat.
Kam' ich zu Ruhm nur durch gemeine Tat.
Verkroch' ich eher mich ins tiefste Loch. Man nutze nur das kurze Leben!
Nicht gar so fremd ist uns das Glück.
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