Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Begründung des Königreichs Belgien

Für Deutschland ergab sich jedenfalls daraus die wenig erfreuliche Tatsache,
daß es jetzt nach der belgischen Seite, abgesehen von der Bundesfestnng
Luxemburg, gegen Frankreich vollständig ungedeckt war.

Das führte auf die letzte Auseinandersetzung, welche die Begründung des
neuen Staates notwendig machte: die mit Luxemburg und dem deutschen
Bunde.

Luxemburg war den Oraniern zwar als Bundesland und als Ersatz für
ihre deutschen Erdtaube überlassen, aber von ihnen einfach als niederländische
Provinz behandelt worden. Das rächte sich jetzt. Denn dadurch wurde
Luxemburg gleich den übrigen südlichen Provinzen in die belgische Revolution
mit hineingezogen und ein Teil des neuen belgischen Staatswesens. Nur in
der Provinzialhauptstadt und Bundesfestung hielt die preußische Besatzung die
Staatsgewalt des Königs der Niederlande aufrecht, der eine eigene Regierungs¬
kommission zur Verwaltung dieses seines Großherzogtums einsetzte. Nach den
24 Artikeln vom 14. Oktober 1831 sollte das Großherzogtum in seinen heutigen
Grenzen dem Könige der Niederlande verbleiben, dafür aber Niederländisch-
Limburg ohne Maestricht und Venlo an Stelle des an Belgien überlassenen
Teiles von Luxemburg deutsches Bundesland werden. Da jedoch der König
der Niederlande die 24 Artikel nicht anerkannte, blieb tatsächlich ganz Luxemburg
mit Ausnahme der Hauptstadt mit Belgien vereinigt. Die preußische Besatzung
der Bundesfestung befand sich ungefähr wie in einer belagerten Festung. Das
dauerte nun neun Jahre lang, die Belgier hofften, es würde immer so bleiben.
König Leopold war sogar bereit, in den deutschen Bund einzutreten. Aber
nimmermehr hätten die legitimen deutschen Fürsten den revolutionären Empor¬
kömmling unter sich geduldet. Endlich erkannte 1839 der König der Nieder¬
lande die Trennung an. Luxemburg in den Grenzen des heutigen Gro߬
herzogtums mußte von Belgien aufgegeben werden.

Der deutsche Bund hatte sich bei der ganzen Angelegenheit, in der es sich
doch um den Schutz des Bundesgebietes handelte, erbärmlich benommen. Auf
die im Oktober 1830 von den Niederlanden erbetene Bundeshilfe hatte der
Bundestag Bundesexekution gegen die Aufrührer beschlossen. Aber wie sie
durchführen? Erst im nächsten Frühjahre setzten sich Lipper, Schaumburg-
Lipper und Waldecker in Bewegung in einem solchen militärischen Zustande, daß sie
der preußische Gouverneur der Bundesfestung nicht brauchen konnte. Hannover,
damals noch mit England in Personalunion, verweigerte die Teilnahme unter
dem Vorwande, daß es erst Deckung für die Unkosten haben müsse. Holstein-
Lauenburg und andere folgten diesem Beispiele. Also geschah nichts. So kam
es denn schließlich zur Teilung des Luxemburger Landes, und der deutsche
Bund mußte froh sein, für die an Belgien abgetretene, vorwiegend wallonische
Hälfte in Holländisch - Limburg ohne Maestricht und Venlo wenigstens
dem Namen nach Ersatz zu erhalten. Der deutsche Bund ließ einfach die
belgische Revolution und die Beschlüsse der Großmächte über sich ergehen, er


Die Begründung des Königreichs Belgien

Für Deutschland ergab sich jedenfalls daraus die wenig erfreuliche Tatsache,
daß es jetzt nach der belgischen Seite, abgesehen von der Bundesfestnng
Luxemburg, gegen Frankreich vollständig ungedeckt war.

Das führte auf die letzte Auseinandersetzung, welche die Begründung des
neuen Staates notwendig machte: die mit Luxemburg und dem deutschen
Bunde.

Luxemburg war den Oraniern zwar als Bundesland und als Ersatz für
ihre deutschen Erdtaube überlassen, aber von ihnen einfach als niederländische
Provinz behandelt worden. Das rächte sich jetzt. Denn dadurch wurde
Luxemburg gleich den übrigen südlichen Provinzen in die belgische Revolution
mit hineingezogen und ein Teil des neuen belgischen Staatswesens. Nur in
der Provinzialhauptstadt und Bundesfestung hielt die preußische Besatzung die
Staatsgewalt des Königs der Niederlande aufrecht, der eine eigene Regierungs¬
kommission zur Verwaltung dieses seines Großherzogtums einsetzte. Nach den
24 Artikeln vom 14. Oktober 1831 sollte das Großherzogtum in seinen heutigen
Grenzen dem Könige der Niederlande verbleiben, dafür aber Niederländisch-
Limburg ohne Maestricht und Venlo an Stelle des an Belgien überlassenen
Teiles von Luxemburg deutsches Bundesland werden. Da jedoch der König
der Niederlande die 24 Artikel nicht anerkannte, blieb tatsächlich ganz Luxemburg
mit Ausnahme der Hauptstadt mit Belgien vereinigt. Die preußische Besatzung
der Bundesfestung befand sich ungefähr wie in einer belagerten Festung. Das
dauerte nun neun Jahre lang, die Belgier hofften, es würde immer so bleiben.
König Leopold war sogar bereit, in den deutschen Bund einzutreten. Aber
nimmermehr hätten die legitimen deutschen Fürsten den revolutionären Empor¬
kömmling unter sich geduldet. Endlich erkannte 1839 der König der Nieder¬
lande die Trennung an. Luxemburg in den Grenzen des heutigen Gro߬
herzogtums mußte von Belgien aufgegeben werden.

Der deutsche Bund hatte sich bei der ganzen Angelegenheit, in der es sich
doch um den Schutz des Bundesgebietes handelte, erbärmlich benommen. Auf
die im Oktober 1830 von den Niederlanden erbetene Bundeshilfe hatte der
Bundestag Bundesexekution gegen die Aufrührer beschlossen. Aber wie sie
durchführen? Erst im nächsten Frühjahre setzten sich Lipper, Schaumburg-
Lipper und Waldecker in Bewegung in einem solchen militärischen Zustande, daß sie
der preußische Gouverneur der Bundesfestung nicht brauchen konnte. Hannover,
damals noch mit England in Personalunion, verweigerte die Teilnahme unter
dem Vorwande, daß es erst Deckung für die Unkosten haben müsse. Holstein-
Lauenburg und andere folgten diesem Beispiele. Also geschah nichts. So kam
es denn schließlich zur Teilung des Luxemburger Landes, und der deutsche
Bund mußte froh sein, für die an Belgien abgetretene, vorwiegend wallonische
Hälfte in Holländisch - Limburg ohne Maestricht und Venlo wenigstens
dem Namen nach Ersatz zu erhalten. Der deutsche Bund ließ einfach die
belgische Revolution und die Beschlüsse der Großmächte über sich ergehen, er


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323474"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Begründung des Königreichs Belgien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1298" prev="#ID_1297"> Für Deutschland ergab sich jedenfalls daraus die wenig erfreuliche Tatsache,<lb/>
daß es jetzt nach der belgischen Seite, abgesehen von der Bundesfestnng<lb/>
Luxemburg, gegen Frankreich vollständig ungedeckt war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1299"> Das führte auf die letzte Auseinandersetzung, welche die Begründung des<lb/>
neuen Staates notwendig machte: die mit Luxemburg und dem deutschen<lb/>
Bunde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1300"> Luxemburg war den Oraniern zwar als Bundesland und als Ersatz für<lb/>
ihre deutschen Erdtaube überlassen, aber von ihnen einfach als niederländische<lb/>
Provinz behandelt worden. Das rächte sich jetzt. Denn dadurch wurde<lb/>
Luxemburg gleich den übrigen südlichen Provinzen in die belgische Revolution<lb/>
mit hineingezogen und ein Teil des neuen belgischen Staatswesens. Nur in<lb/>
der Provinzialhauptstadt und Bundesfestung hielt die preußische Besatzung die<lb/>
Staatsgewalt des Königs der Niederlande aufrecht, der eine eigene Regierungs¬<lb/>
kommission zur Verwaltung dieses seines Großherzogtums einsetzte. Nach den<lb/>
24 Artikeln vom 14. Oktober 1831 sollte das Großherzogtum in seinen heutigen<lb/>
Grenzen dem Könige der Niederlande verbleiben, dafür aber Niederländisch-<lb/>
Limburg ohne Maestricht und Venlo an Stelle des an Belgien überlassenen<lb/>
Teiles von Luxemburg deutsches Bundesland werden. Da jedoch der König<lb/>
der Niederlande die 24 Artikel nicht anerkannte, blieb tatsächlich ganz Luxemburg<lb/>
mit Ausnahme der Hauptstadt mit Belgien vereinigt. Die preußische Besatzung<lb/>
der Bundesfestung befand sich ungefähr wie in einer belagerten Festung. Das<lb/>
dauerte nun neun Jahre lang, die Belgier hofften, es würde immer so bleiben.<lb/>
König Leopold war sogar bereit, in den deutschen Bund einzutreten. Aber<lb/>
nimmermehr hätten die legitimen deutschen Fürsten den revolutionären Empor¬<lb/>
kömmling unter sich geduldet. Endlich erkannte 1839 der König der Nieder¬<lb/>
lande die Trennung an. Luxemburg in den Grenzen des heutigen Gro߬<lb/>
herzogtums mußte von Belgien aufgegeben werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1301" next="#ID_1302"> Der deutsche Bund hatte sich bei der ganzen Angelegenheit, in der es sich<lb/>
doch um den Schutz des Bundesgebietes handelte, erbärmlich benommen. Auf<lb/>
die im Oktober 1830 von den Niederlanden erbetene Bundeshilfe hatte der<lb/>
Bundestag Bundesexekution gegen die Aufrührer beschlossen. Aber wie sie<lb/>
durchführen? Erst im nächsten Frühjahre setzten sich Lipper, Schaumburg-<lb/>
Lipper und Waldecker in Bewegung in einem solchen militärischen Zustande, daß sie<lb/>
der preußische Gouverneur der Bundesfestung nicht brauchen konnte. Hannover,<lb/>
damals noch mit England in Personalunion, verweigerte die Teilnahme unter<lb/>
dem Vorwande, daß es erst Deckung für die Unkosten haben müsse. Holstein-<lb/>
Lauenburg und andere folgten diesem Beispiele. Also geschah nichts. So kam<lb/>
es denn schließlich zur Teilung des Luxemburger Landes, und der deutsche<lb/>
Bund mußte froh sein, für die an Belgien abgetretene, vorwiegend wallonische<lb/>
Hälfte in Holländisch - Limburg ohne Maestricht und Venlo wenigstens<lb/>
dem Namen nach Ersatz zu erhalten. Der deutsche Bund ließ einfach die<lb/>
belgische Revolution und die Beschlüsse der Großmächte über sich ergehen, er</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] Die Begründung des Königreichs Belgien Für Deutschland ergab sich jedenfalls daraus die wenig erfreuliche Tatsache, daß es jetzt nach der belgischen Seite, abgesehen von der Bundesfestnng Luxemburg, gegen Frankreich vollständig ungedeckt war. Das führte auf die letzte Auseinandersetzung, welche die Begründung des neuen Staates notwendig machte: die mit Luxemburg und dem deutschen Bunde. Luxemburg war den Oraniern zwar als Bundesland und als Ersatz für ihre deutschen Erdtaube überlassen, aber von ihnen einfach als niederländische Provinz behandelt worden. Das rächte sich jetzt. Denn dadurch wurde Luxemburg gleich den übrigen südlichen Provinzen in die belgische Revolution mit hineingezogen und ein Teil des neuen belgischen Staatswesens. Nur in der Provinzialhauptstadt und Bundesfestung hielt die preußische Besatzung die Staatsgewalt des Königs der Niederlande aufrecht, der eine eigene Regierungs¬ kommission zur Verwaltung dieses seines Großherzogtums einsetzte. Nach den 24 Artikeln vom 14. Oktober 1831 sollte das Großherzogtum in seinen heutigen Grenzen dem Könige der Niederlande verbleiben, dafür aber Niederländisch- Limburg ohne Maestricht und Venlo an Stelle des an Belgien überlassenen Teiles von Luxemburg deutsches Bundesland werden. Da jedoch der König der Niederlande die 24 Artikel nicht anerkannte, blieb tatsächlich ganz Luxemburg mit Ausnahme der Hauptstadt mit Belgien vereinigt. Die preußische Besatzung der Bundesfestung befand sich ungefähr wie in einer belagerten Festung. Das dauerte nun neun Jahre lang, die Belgier hofften, es würde immer so bleiben. König Leopold war sogar bereit, in den deutschen Bund einzutreten. Aber nimmermehr hätten die legitimen deutschen Fürsten den revolutionären Empor¬ kömmling unter sich geduldet. Endlich erkannte 1839 der König der Nieder¬ lande die Trennung an. Luxemburg in den Grenzen des heutigen Gro߬ herzogtums mußte von Belgien aufgegeben werden. Der deutsche Bund hatte sich bei der ganzen Angelegenheit, in der es sich doch um den Schutz des Bundesgebietes handelte, erbärmlich benommen. Auf die im Oktober 1830 von den Niederlanden erbetene Bundeshilfe hatte der Bundestag Bundesexekution gegen die Aufrührer beschlossen. Aber wie sie durchführen? Erst im nächsten Frühjahre setzten sich Lipper, Schaumburg- Lipper und Waldecker in Bewegung in einem solchen militärischen Zustande, daß sie der preußische Gouverneur der Bundesfestung nicht brauchen konnte. Hannover, damals noch mit England in Personalunion, verweigerte die Teilnahme unter dem Vorwande, daß es erst Deckung für die Unkosten haben müsse. Holstein- Lauenburg und andere folgten diesem Beispiele. Also geschah nichts. So kam es denn schließlich zur Teilung des Luxemburger Landes, und der deutsche Bund mußte froh sein, für die an Belgien abgetretene, vorwiegend wallonische Hälfte in Holländisch - Limburg ohne Maestricht und Venlo wenigstens dem Namen nach Ersatz zu erhalten. Der deutsche Bund ließ einfach die belgische Revolution und die Beschlüsse der Großmächte über sich ergehen, er

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/377>, abgerufen am 27.09.2024.