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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Rechts frieden

zu bürokratisch gesinnten Beamten werden würden, ist keineswegs zu befürchten,
denn Rechtsanwälte mit allzu großem Erwerbssinn, deren Diensteifer sich nach
dem Grade ihrer Entlohnung regelt, werden sich zu den fraglichen Stellungen
nicht melden, auch bei einer sorgfältigen Auswahl nicht für solche Stellungen
ernannt werden. Die Zahl der Rechtsanwälte, die eines solchen allzu großen
Erwerbssinnes ermangeln, ist aber größer, als der Fernstehende annehmen mag.
Im übrigen würden da, wo es wirklich an wahrer Dienst- und Berufsfreudigkeit
fehlen sollte, fest vorzuschreibende ausgiebige Dienststunden ein gewisses Schutz¬
mittel bilden können, ganz abgesehen davon, daß nach meinem Vorschlage ja
nur ältere Rechtsanwälte, die mindestens zehn Jahre in ihrem freien Berufe
tätig gewesen und mindestens vierzig Jahre alt geworden sind, in die fraglichen
Stellungen ernannt werden sollten, also Männer, bei denen insbesondere die
Gefahr einer bürokratischen Gesinnung sicher nicht sehr hoch zu veranschlagen
ist. Die Gefahr eines gewissen Strebertums aber, das dazu führen könnte,
die streitenden Parteien ungestüm und unziemlich zum Abschluß eines Vergleiches
zu drängen, ist bei älteren und bewährten Rechtsanwälten sicherlich praktisch
ebenfalls nicht sehr groß, läßt sich aber durch meinen Vorschlag, daß den Justiz¬
notaren weder in noch außer dem Amte eine Rang- oder Titelverleihung zuteil
werden dürfte, gänzlich beseitigen.

Da naiurgemäß ein völlig auskömmliches Gehalt und Pensionsberechtigung
gewährt werden müssen, so kommt allerdings auch in Frage, ob beziehungsweise
welche Zuschüsse der Staat für die Erhaltung solcher Friedensämter beizusteuern
habe. Denn daß bei einer allgemeinen Einführung der Einigungsämter nur der
Staat und nicht etwa die Kommunalverwaltung für die finanzielle Sicherung
aufkommen muß, erscheint mir schon um deswillen selbstverständlich, weil die
neuen Ämter und ihre Beamten im ganzen Staate gleich gut eingerichtet werden
müssen, in armen Gegenden nicht schlechter als in wohlhabenden und reichen.
Sollen die neuen Ämter bei der Bevölkerung rasch beliebt werden, so dürfen
naturgemäß für die Tätigkeit der Friedensbeamten keine hohen Gebühren
berechnet werden, eine mäßige Gebühr für das Zustandekommen einer wirklichen
Schlichtung aber wird gern und willig an den Staat gezahlt werden. Dagegen
sollten allgemein diejenigen Güteverhandlungen, die nicht zu einer Schlichtung
des Streites führen. -- daß diese Schlichtung auch in einer vollen Anerkenntnis
der einen der beiden Parteien bestehen kann und vielleicht recht vielfach bestehen
wird, geht schon aus den oben angeführten Ergebnissen der Tätigkeit des
Frankfurter Einigungsamtes hervor -- zwecks Förderung einer größeren
Inanspruchnahme der Friedensämter deren Anrufung meines Erachtens nicht
zwangsweise vorgeschrieben werden sollte, entweder völlig unentgeltlich sein,
oder eine nur ganz geringe Gebühr erfordern. Daß bei einer derartigen Gebühren¬
berechnung auch bei einer zahlreichen Anrufung der Friedensämter die zur Unter¬
haltung derselben erforderlichen Kosten aus den Gebühren nicht aufgebracht werden
können, liegt auf der Hand; ich glaube daher, daß mein Vorschlag, dieses Friedens-


Grenzboten I 191V 22
Rechts frieden

zu bürokratisch gesinnten Beamten werden würden, ist keineswegs zu befürchten,
denn Rechtsanwälte mit allzu großem Erwerbssinn, deren Diensteifer sich nach
dem Grade ihrer Entlohnung regelt, werden sich zu den fraglichen Stellungen
nicht melden, auch bei einer sorgfältigen Auswahl nicht für solche Stellungen
ernannt werden. Die Zahl der Rechtsanwälte, die eines solchen allzu großen
Erwerbssinnes ermangeln, ist aber größer, als der Fernstehende annehmen mag.
Im übrigen würden da, wo es wirklich an wahrer Dienst- und Berufsfreudigkeit
fehlen sollte, fest vorzuschreibende ausgiebige Dienststunden ein gewisses Schutz¬
mittel bilden können, ganz abgesehen davon, daß nach meinem Vorschlage ja
nur ältere Rechtsanwälte, die mindestens zehn Jahre in ihrem freien Berufe
tätig gewesen und mindestens vierzig Jahre alt geworden sind, in die fraglichen
Stellungen ernannt werden sollten, also Männer, bei denen insbesondere die
Gefahr einer bürokratischen Gesinnung sicher nicht sehr hoch zu veranschlagen
ist. Die Gefahr eines gewissen Strebertums aber, das dazu führen könnte,
die streitenden Parteien ungestüm und unziemlich zum Abschluß eines Vergleiches
zu drängen, ist bei älteren und bewährten Rechtsanwälten sicherlich praktisch
ebenfalls nicht sehr groß, läßt sich aber durch meinen Vorschlag, daß den Justiz¬
notaren weder in noch außer dem Amte eine Rang- oder Titelverleihung zuteil
werden dürfte, gänzlich beseitigen.

Da naiurgemäß ein völlig auskömmliches Gehalt und Pensionsberechtigung
gewährt werden müssen, so kommt allerdings auch in Frage, ob beziehungsweise
welche Zuschüsse der Staat für die Erhaltung solcher Friedensämter beizusteuern
habe. Denn daß bei einer allgemeinen Einführung der Einigungsämter nur der
Staat und nicht etwa die Kommunalverwaltung für die finanzielle Sicherung
aufkommen muß, erscheint mir schon um deswillen selbstverständlich, weil die
neuen Ämter und ihre Beamten im ganzen Staate gleich gut eingerichtet werden
müssen, in armen Gegenden nicht schlechter als in wohlhabenden und reichen.
Sollen die neuen Ämter bei der Bevölkerung rasch beliebt werden, so dürfen
naturgemäß für die Tätigkeit der Friedensbeamten keine hohen Gebühren
berechnet werden, eine mäßige Gebühr für das Zustandekommen einer wirklichen
Schlichtung aber wird gern und willig an den Staat gezahlt werden. Dagegen
sollten allgemein diejenigen Güteverhandlungen, die nicht zu einer Schlichtung
des Streites führen. — daß diese Schlichtung auch in einer vollen Anerkenntnis
der einen der beiden Parteien bestehen kann und vielleicht recht vielfach bestehen
wird, geht schon aus den oben angeführten Ergebnissen der Tätigkeit des
Frankfurter Einigungsamtes hervor — zwecks Förderung einer größeren
Inanspruchnahme der Friedensämter deren Anrufung meines Erachtens nicht
zwangsweise vorgeschrieben werden sollte, entweder völlig unentgeltlich sein,
oder eine nur ganz geringe Gebühr erfordern. Daß bei einer derartigen Gebühren¬
berechnung auch bei einer zahlreichen Anrufung der Friedensämter die zur Unter¬
haltung derselben erforderlichen Kosten aus den Gebühren nicht aufgebracht werden
können, liegt auf der Hand; ich glaube daher, daß mein Vorschlag, dieses Friedens-


Grenzboten I 191V 22
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[0349] Rechts frieden zu bürokratisch gesinnten Beamten werden würden, ist keineswegs zu befürchten, denn Rechtsanwälte mit allzu großem Erwerbssinn, deren Diensteifer sich nach dem Grade ihrer Entlohnung regelt, werden sich zu den fraglichen Stellungen nicht melden, auch bei einer sorgfältigen Auswahl nicht für solche Stellungen ernannt werden. Die Zahl der Rechtsanwälte, die eines solchen allzu großen Erwerbssinnes ermangeln, ist aber größer, als der Fernstehende annehmen mag. Im übrigen würden da, wo es wirklich an wahrer Dienst- und Berufsfreudigkeit fehlen sollte, fest vorzuschreibende ausgiebige Dienststunden ein gewisses Schutz¬ mittel bilden können, ganz abgesehen davon, daß nach meinem Vorschlage ja nur ältere Rechtsanwälte, die mindestens zehn Jahre in ihrem freien Berufe tätig gewesen und mindestens vierzig Jahre alt geworden sind, in die fraglichen Stellungen ernannt werden sollten, also Männer, bei denen insbesondere die Gefahr einer bürokratischen Gesinnung sicher nicht sehr hoch zu veranschlagen ist. Die Gefahr eines gewissen Strebertums aber, das dazu führen könnte, die streitenden Parteien ungestüm und unziemlich zum Abschluß eines Vergleiches zu drängen, ist bei älteren und bewährten Rechtsanwälten sicherlich praktisch ebenfalls nicht sehr groß, läßt sich aber durch meinen Vorschlag, daß den Justiz¬ notaren weder in noch außer dem Amte eine Rang- oder Titelverleihung zuteil werden dürfte, gänzlich beseitigen. Da naiurgemäß ein völlig auskömmliches Gehalt und Pensionsberechtigung gewährt werden müssen, so kommt allerdings auch in Frage, ob beziehungsweise welche Zuschüsse der Staat für die Erhaltung solcher Friedensämter beizusteuern habe. Denn daß bei einer allgemeinen Einführung der Einigungsämter nur der Staat und nicht etwa die Kommunalverwaltung für die finanzielle Sicherung aufkommen muß, erscheint mir schon um deswillen selbstverständlich, weil die neuen Ämter und ihre Beamten im ganzen Staate gleich gut eingerichtet werden müssen, in armen Gegenden nicht schlechter als in wohlhabenden und reichen. Sollen die neuen Ämter bei der Bevölkerung rasch beliebt werden, so dürfen naturgemäß für die Tätigkeit der Friedensbeamten keine hohen Gebühren berechnet werden, eine mäßige Gebühr für das Zustandekommen einer wirklichen Schlichtung aber wird gern und willig an den Staat gezahlt werden. Dagegen sollten allgemein diejenigen Güteverhandlungen, die nicht zu einer Schlichtung des Streites führen. — daß diese Schlichtung auch in einer vollen Anerkenntnis der einen der beiden Parteien bestehen kann und vielleicht recht vielfach bestehen wird, geht schon aus den oben angeführten Ergebnissen der Tätigkeit des Frankfurter Einigungsamtes hervor — zwecks Förderung einer größeren Inanspruchnahme der Friedensämter deren Anrufung meines Erachtens nicht zwangsweise vorgeschrieben werden sollte, entweder völlig unentgeltlich sein, oder eine nur ganz geringe Gebühr erfordern. Daß bei einer derartigen Gebühren¬ berechnung auch bei einer zahlreichen Anrufung der Friedensämter die zur Unter¬ haltung derselben erforderlichen Kosten aus den Gebühren nicht aufgebracht werden können, liegt auf der Hand; ich glaube daher, daß mein Vorschlag, dieses Friedens- Grenzboten I 191V 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/349>, abgerufen am 20.10.2024.