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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Aufgabe an der Fortentwicklung des Seekriegsrechts

eintreten. Ziel dieser Kreise war bis zum Kriege, die Aktionsfähigkeit der
englischen Seemacht durch keine völkerrechtlichen Verträge binden zu lassen.
Nachdem sich aber herausgestellt hat, daß die englische Flotte kaum imstande
ist. England und seinen ausgedehnten Überseeverkehr zu schützen, wird auch in
England die Richtung die Oberhand gewinnen, die für den englischen Handel
Schutz unter völkerrechtlichen Verträgen sucht. Unterseebote, Minen und Torpedos
haben den Seekrieg vollkommen umgestaltet und das bisherige Machtverhältnis
verschoben. Das Landkriegsrecht hat nach den Erfahrungen der letzten Kriege
umgestaltet werden können, die Erfahrungen eines Seekrieges konnte uns erst
der gegenwärtige Krieg bringen. Die Theorie des Völkerrechts lehrt, daß in
Verträgen über die Kriegführung, die den Krieg überdauern sollen, das Macht¬
verhältnis der vertragschließenden Staaten zum Ausdruck kommen muß. Bisher
kam in den völkerrechtlichen Verträgen deutlich die Vormachtstellung Englands
auf Kosten der kontinentalen Staaten zum Ausdruck und stets stellte sich England
einer Fortentwicklung des Seekriegsrechtes zu gunsten der kontinentalen Staaten
hemmend in den Weg. Nach dem Kriege wird England ein Mitglied einer
Rechtsgemeinschaft werden, deren Mitglieder auf gleicher Basis stehend Verträge
abschließen. Wenn es, um zu diesem Ziele zu kommen, erst eines Seekrieges
bedürfte, so ist dies gewiß zu beklagen, die Schuld jedoch lediglich England
zuzuschreiben. England war in der Verfolgung seiner selbstsüchtigen Pläne so
sehr befangen, daß es alle Überlegung beiseite ließ und vertrauend auf die
Stärke seiner Flotte den Krieg heraufbeschwor. Nicht zuletzt wird England
selbst, das am stärksten in der Weltwirtschaft steht, Vorteile aus einem neuen
Seekriegsrecht ziehen und sich deshalb nach den Erfahrungen dieses Krieges
einer Reform des Seekriegsrechtes auch geneigt zeigen. Dabei ist zu beachten,
daß England aus sich selbst heraus nicht zu einem Fortschritt kommen konnte.
Es bedürfte eines Anlasses von außen, um der englischen Regierung den Irrtum
ihrer früheren Politik und den Wert völkerrechtlicher Verträge auf gleicher
Basis erkennen zu lassen.

Schien es im Verlaufe des Krieges häufig, als habe der Weltkrieg das
Völkerrecht zertrümmert, so wird sich die Schaffenskraft des Krieges für das
Völkerrecht mit dem Friedensschluß um so nachdrücklicher erweisen. Die Geschichte
lehrt, daß gerade nach den größten Kriegen, die die Welt bisher erlebt hat.
das Völkerrecht ausgebaut wurde.

Für den zukünftigen Frieden drängt sich als eine der wichtigsten Fragen
die Lösung des Seekriegsrechtproblems auf. Die Verhältnisse des Krieges
haben sich durch das Verhalten Englands namentlich vom Gesichtspunkte der
Neutralen aus derartig zugespitzt, daß der gegenwärtige Rechtszustand unhaltbar
geworden ist. Die Grundlagen für die Lösung dieses Problems, an dem eine
Staatenorganisation arbeiten wird, die die ganze Welt umfaßt, sind durch die
Erfordernisse des Weltverkehrs gegeben. Dabei hängt es von dem Sieg der
deutschen Waffen ab. ob ein Wer! geschaffen wird, das den Westfälischen


Die deutsche Aufgabe an der Fortentwicklung des Seekriegsrechts

eintreten. Ziel dieser Kreise war bis zum Kriege, die Aktionsfähigkeit der
englischen Seemacht durch keine völkerrechtlichen Verträge binden zu lassen.
Nachdem sich aber herausgestellt hat, daß die englische Flotte kaum imstande
ist. England und seinen ausgedehnten Überseeverkehr zu schützen, wird auch in
England die Richtung die Oberhand gewinnen, die für den englischen Handel
Schutz unter völkerrechtlichen Verträgen sucht. Unterseebote, Minen und Torpedos
haben den Seekrieg vollkommen umgestaltet und das bisherige Machtverhältnis
verschoben. Das Landkriegsrecht hat nach den Erfahrungen der letzten Kriege
umgestaltet werden können, die Erfahrungen eines Seekrieges konnte uns erst
der gegenwärtige Krieg bringen. Die Theorie des Völkerrechts lehrt, daß in
Verträgen über die Kriegführung, die den Krieg überdauern sollen, das Macht¬
verhältnis der vertragschließenden Staaten zum Ausdruck kommen muß. Bisher
kam in den völkerrechtlichen Verträgen deutlich die Vormachtstellung Englands
auf Kosten der kontinentalen Staaten zum Ausdruck und stets stellte sich England
einer Fortentwicklung des Seekriegsrechtes zu gunsten der kontinentalen Staaten
hemmend in den Weg. Nach dem Kriege wird England ein Mitglied einer
Rechtsgemeinschaft werden, deren Mitglieder auf gleicher Basis stehend Verträge
abschließen. Wenn es, um zu diesem Ziele zu kommen, erst eines Seekrieges
bedürfte, so ist dies gewiß zu beklagen, die Schuld jedoch lediglich England
zuzuschreiben. England war in der Verfolgung seiner selbstsüchtigen Pläne so
sehr befangen, daß es alle Überlegung beiseite ließ und vertrauend auf die
Stärke seiner Flotte den Krieg heraufbeschwor. Nicht zuletzt wird England
selbst, das am stärksten in der Weltwirtschaft steht, Vorteile aus einem neuen
Seekriegsrecht ziehen und sich deshalb nach den Erfahrungen dieses Krieges
einer Reform des Seekriegsrechtes auch geneigt zeigen. Dabei ist zu beachten,
daß England aus sich selbst heraus nicht zu einem Fortschritt kommen konnte.
Es bedürfte eines Anlasses von außen, um der englischen Regierung den Irrtum
ihrer früheren Politik und den Wert völkerrechtlicher Verträge auf gleicher
Basis erkennen zu lassen.

Schien es im Verlaufe des Krieges häufig, als habe der Weltkrieg das
Völkerrecht zertrümmert, so wird sich die Schaffenskraft des Krieges für das
Völkerrecht mit dem Friedensschluß um so nachdrücklicher erweisen. Die Geschichte
lehrt, daß gerade nach den größten Kriegen, die die Welt bisher erlebt hat.
das Völkerrecht ausgebaut wurde.

Für den zukünftigen Frieden drängt sich als eine der wichtigsten Fragen
die Lösung des Seekriegsrechtproblems auf. Die Verhältnisse des Krieges
haben sich durch das Verhalten Englands namentlich vom Gesichtspunkte der
Neutralen aus derartig zugespitzt, daß der gegenwärtige Rechtszustand unhaltbar
geworden ist. Die Grundlagen für die Lösung dieses Problems, an dem eine
Staatenorganisation arbeiten wird, die die ganze Welt umfaßt, sind durch die
Erfordernisse des Weltverkehrs gegeben. Dabei hängt es von dem Sieg der
deutschen Waffen ab. ob ein Wer! geschaffen wird, das den Westfälischen


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[0305] Die deutsche Aufgabe an der Fortentwicklung des Seekriegsrechts eintreten. Ziel dieser Kreise war bis zum Kriege, die Aktionsfähigkeit der englischen Seemacht durch keine völkerrechtlichen Verträge binden zu lassen. Nachdem sich aber herausgestellt hat, daß die englische Flotte kaum imstande ist. England und seinen ausgedehnten Überseeverkehr zu schützen, wird auch in England die Richtung die Oberhand gewinnen, die für den englischen Handel Schutz unter völkerrechtlichen Verträgen sucht. Unterseebote, Minen und Torpedos haben den Seekrieg vollkommen umgestaltet und das bisherige Machtverhältnis verschoben. Das Landkriegsrecht hat nach den Erfahrungen der letzten Kriege umgestaltet werden können, die Erfahrungen eines Seekrieges konnte uns erst der gegenwärtige Krieg bringen. Die Theorie des Völkerrechts lehrt, daß in Verträgen über die Kriegführung, die den Krieg überdauern sollen, das Macht¬ verhältnis der vertragschließenden Staaten zum Ausdruck kommen muß. Bisher kam in den völkerrechtlichen Verträgen deutlich die Vormachtstellung Englands auf Kosten der kontinentalen Staaten zum Ausdruck und stets stellte sich England einer Fortentwicklung des Seekriegsrechtes zu gunsten der kontinentalen Staaten hemmend in den Weg. Nach dem Kriege wird England ein Mitglied einer Rechtsgemeinschaft werden, deren Mitglieder auf gleicher Basis stehend Verträge abschließen. Wenn es, um zu diesem Ziele zu kommen, erst eines Seekrieges bedürfte, so ist dies gewiß zu beklagen, die Schuld jedoch lediglich England zuzuschreiben. England war in der Verfolgung seiner selbstsüchtigen Pläne so sehr befangen, daß es alle Überlegung beiseite ließ und vertrauend auf die Stärke seiner Flotte den Krieg heraufbeschwor. Nicht zuletzt wird England selbst, das am stärksten in der Weltwirtschaft steht, Vorteile aus einem neuen Seekriegsrecht ziehen und sich deshalb nach den Erfahrungen dieses Krieges einer Reform des Seekriegsrechtes auch geneigt zeigen. Dabei ist zu beachten, daß England aus sich selbst heraus nicht zu einem Fortschritt kommen konnte. Es bedürfte eines Anlasses von außen, um der englischen Regierung den Irrtum ihrer früheren Politik und den Wert völkerrechtlicher Verträge auf gleicher Basis erkennen zu lassen. Schien es im Verlaufe des Krieges häufig, als habe der Weltkrieg das Völkerrecht zertrümmert, so wird sich die Schaffenskraft des Krieges für das Völkerrecht mit dem Friedensschluß um so nachdrücklicher erweisen. Die Geschichte lehrt, daß gerade nach den größten Kriegen, die die Welt bisher erlebt hat. das Völkerrecht ausgebaut wurde. Für den zukünftigen Frieden drängt sich als eine der wichtigsten Fragen die Lösung des Seekriegsrechtproblems auf. Die Verhältnisse des Krieges haben sich durch das Verhalten Englands namentlich vom Gesichtspunkte der Neutralen aus derartig zugespitzt, daß der gegenwärtige Rechtszustand unhaltbar geworden ist. Die Grundlagen für die Lösung dieses Problems, an dem eine Staatenorganisation arbeiten wird, die die ganze Welt umfaßt, sind durch die Erfordernisse des Weltverkehrs gegeben. Dabei hängt es von dem Sieg der deutschen Waffen ab. ob ein Wer! geschaffen wird, das den Westfälischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/305>, abgerufen am 20.10.2024.