Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.Lin "Europäischer Staatenbund"? Das Komitee "Der Europäische Staatenbund" ist überzeugt, daß die Dr. Frederik van Eeden Prof. Dr. G. Heymans Dr. Aletta H. Jacobs Ihr. Mr. B. de Jorg van Beek en Dort Ihr. Dr. Ntco van Suchtelen Sehr geehrter Herr Professor, verbindlichsten Dank für die Zusendung Ihrer Schrift "An die Bürger der In dem ersten Satze des Ausrufs wird gefordert, daß dieselben Gesetze Lin „Europäischer Staatenbund"? Das Komitee „Der Europäische Staatenbund" ist überzeugt, daß die Dr. Frederik van Eeden Prof. Dr. G. Heymans Dr. Aletta H. Jacobs Ihr. Mr. B. de Jorg van Beek en Dort Ihr. Dr. Ntco van Suchtelen Sehr geehrter Herr Professor, verbindlichsten Dank für die Zusendung Ihrer Schrift „An die Bürger der In dem ersten Satze des Ausrufs wird gefordert, daß dieselben Gesetze <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323375"/> <fw type="header" place="top"> Lin „Europäischer Staatenbund"?</fw><lb/> <p xml:id="ID_889"> Das Komitee „Der Europäische Staatenbund" ist überzeugt, daß die<lb/> Verhältnisse der gebildeten Staaten untereinander durch dieselben Gesetze<lb/> von Sitte und Recht beherrscht werden müssen wie das gesellschaftliche Leben<lb/> der einzelnen Nationen; daß besonders für Europa die Vereinigung zu<lb/> einem Staatenbund oder Bundesstaat auf Grundlage der Gleichberechtigung<lb/> und inneren Selbständigkeit aller Teilstaaten wünschenswert ist; und bittet<lb/> mit Nachdruck alle Personen und Organisationen, die diese Überzeugung<lb/> teilen, nach besten Kräften mitzuarbeiten, die öffentliche Meinung in diesem<lb/> Geiste bilden zu helfen.</p><lb/> <note type="bibl"> Dr. Frederik van Eeden</note><lb/> <note type="bibl"> Prof. Dr. G. Heymans</note><lb/> <note type="bibl"> Dr. Aletta H. Jacobs</note><lb/> <note type="bibl"> Ihr. Mr. B. de Jorg van Beek en Dort</note><lb/> <note type="bibl"> Ihr. Dr. Ntco van Suchtelen</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="salute"> Sehr geehrter Herr Professor,</note><lb/> <p xml:id="ID_890"> verbindlichsten Dank für die Zusendung Ihrer Schrift „An die Bürger der<lb/> kriegführenden Staaten", die ich mit größtem Interesse gelesen habe. Gestatten<lb/> Sie mir, zu einigen Punkten darin, die besonders in dem „Aufruf" betont<lb/> werden, Stellung zu nehmen, da ich glaube, daß hier Voraussetzungen gemacht<lb/> werden, die entweder irrig sind oder doch mindestens einer ausführlichen Be¬<lb/> gründung bedürften. Ich bemerke gleich von vornherein, daß ich nicht als<lb/> „Patriot" spreche; ich nehme an, daß sich ein patriotischer Erdeulen-Bürger<lb/> genau die gleichen Ansichten wie ich bilden könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_891" next="#ID_892"> In dem ersten Satze des Ausrufs wird gefordert, daß dieselben Gesetze<lb/> von Sitte und Recht für das gesellschaftliche Leben der einzelnen Nationen<lb/> wie für die Staaten untereinander gelten sollten. Ich halte diese Identifizierung<lb/> von Privatmoral und Staatsmoral für unmöglich, oder richtiger: ich halte eine<lb/> Staatsmoral für unmöglich, da für einen Staat niemals die gleichen Moral¬<lb/> bedingungen — physische wie psychische — bestehen können wie für einen<lb/> Privatmenschen. Eine solche Ansicht wird man vielleicht verwerfen müssen,<lb/> wenn man an eine absolute Geltung der sittlichen Vorschriften glaubt, wenn<lb/> man sie als apriorische Wahrheiten ansteht und demgemäß etwa die Ethik in<lb/> strenge Parallele zur Logik setzt. Ich für meinen Teil halte die Ethik nicht<lb/> für eine sogenannte Normwissenschafl. Ich glaube, daß sich die Moral ebenso<lb/> psychologisch erklären und ableiten läßt wie etwa die Religion, die Sprache usw..<lb/> daß das Gewissen, das Pflichtgefühl, das sittliche Handeln und Urteilen ebenso<lb/> gesetzmäßige Resultate von psychischen Entwicklungsreihen sind wie der Gottes-<lb/> und Wunderglaube, wie die Idee eines Jenseits und wie das Erlösungs-<lb/> bedürfnts, oder wie das Bilden von konkreten und abstrakten Begriffen, das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
Lin „Europäischer Staatenbund"?
Das Komitee „Der Europäische Staatenbund" ist überzeugt, daß die
Verhältnisse der gebildeten Staaten untereinander durch dieselben Gesetze
von Sitte und Recht beherrscht werden müssen wie das gesellschaftliche Leben
der einzelnen Nationen; daß besonders für Europa die Vereinigung zu
einem Staatenbund oder Bundesstaat auf Grundlage der Gleichberechtigung
und inneren Selbständigkeit aller Teilstaaten wünschenswert ist; und bittet
mit Nachdruck alle Personen und Organisationen, die diese Überzeugung
teilen, nach besten Kräften mitzuarbeiten, die öffentliche Meinung in diesem
Geiste bilden zu helfen.
Dr. Frederik van Eeden
Prof. Dr. G. Heymans
Dr. Aletta H. Jacobs
Ihr. Mr. B. de Jorg van Beek en Dort
Ihr. Dr. Ntco van Suchtelen
Sehr geehrter Herr Professor,
verbindlichsten Dank für die Zusendung Ihrer Schrift „An die Bürger der
kriegführenden Staaten", die ich mit größtem Interesse gelesen habe. Gestatten
Sie mir, zu einigen Punkten darin, die besonders in dem „Aufruf" betont
werden, Stellung zu nehmen, da ich glaube, daß hier Voraussetzungen gemacht
werden, die entweder irrig sind oder doch mindestens einer ausführlichen Be¬
gründung bedürften. Ich bemerke gleich von vornherein, daß ich nicht als
„Patriot" spreche; ich nehme an, daß sich ein patriotischer Erdeulen-Bürger
genau die gleichen Ansichten wie ich bilden könnte.
In dem ersten Satze des Ausrufs wird gefordert, daß dieselben Gesetze
von Sitte und Recht für das gesellschaftliche Leben der einzelnen Nationen
wie für die Staaten untereinander gelten sollten. Ich halte diese Identifizierung
von Privatmoral und Staatsmoral für unmöglich, oder richtiger: ich halte eine
Staatsmoral für unmöglich, da für einen Staat niemals die gleichen Moral¬
bedingungen — physische wie psychische — bestehen können wie für einen
Privatmenschen. Eine solche Ansicht wird man vielleicht verwerfen müssen,
wenn man an eine absolute Geltung der sittlichen Vorschriften glaubt, wenn
man sie als apriorische Wahrheiten ansteht und demgemäß etwa die Ethik in
strenge Parallele zur Logik setzt. Ich für meinen Teil halte die Ethik nicht
für eine sogenannte Normwissenschafl. Ich glaube, daß sich die Moral ebenso
psychologisch erklären und ableiten läßt wie etwa die Religion, die Sprache usw..
daß das Gewissen, das Pflichtgefühl, das sittliche Handeln und Urteilen ebenso
gesetzmäßige Resultate von psychischen Entwicklungsreihen sind wie der Gottes-
und Wunderglaube, wie die Idee eines Jenseits und wie das Erlösungs-
bedürfnts, oder wie das Bilden von konkreten und abstrakten Begriffen, das
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