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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Holland, der Trabant

Chauvinisten zu überzeugen, dah es für uns zu keiner Stunde Satellitendienste
getan hat. Diese, wie jedermann bei uns weiß, auf reiner Wahrheit beruhenden
Versicherungen, werden merkwürdigerweise in Frankreich von Stunde zu Stunde
weniger geglaubt, und so nächst in Holland die Sorge, das von ihm so be¬
wunderte Frankreich könnte von der Übelnehmerei zu einer offenen Feindschaft
übergehen. Die holländische Presse allerdings ist nicht mehr so eifrig wie früher
bestrebt, Frankreich als den besten Freund ihres Landes hinzustellen, vielleicht
irgend einem Winke von oben gehorchend. Man merkt jedoch noch immer die
Verstimmung und das Bemühen, es unter keinen Umständen mit Frankreich zu
verderben. Die Gefahr erkennende, dienstfertige Leute haben nun zu einem
neuen, zunächst privaten Mittel gegriffen, um vor allem hüben und drüben
bessere Stimmungen zu erzeugen. Mau begründete in Paris das "Komitee
der Französisch-Holländischen Freundschaften". Seine Statuten sind im "Journal
Offieiel", dem französischen Reichsanzeiger erschienen, es ist also nicht daran zu
zweifeln, daß diese neue Verbrüderungsgesellschaft ein ernst zu nehmender Faktor
in den Beziehungen beider Länder zueinander ist. Diesen Statuten zufolge
soll das neugebackene Komitee die Aufgabe haben, eine Verstärkung der französisch¬
holländischen Beziehungen herbeizuführen. Zu diesem Zwecke soll durch die
Presse und durch Vorträge das Verständnis für die Kunst, Literatur und all¬
gemeine Kultur der beiden Länder gefördert werden. Es sollen die interessierten
Länder, zunächst nur theoretisch, über die beiderseitige wirtschaftliche und in¬
dustrielle Lage belehrt und auf dem Laufenden erhalten werden, damit sich
später auch praktische Folgen ergeben können. Es sollen serner Organe ge¬
schaffen werden, deren Aufgabe es wäre, Frauzosen und Holländer darüber
aufzuklären, in welcher Weise sie sich gegenseitig, namentlich zu Kriegszeiten,
beistehen und den gegenseitigen Sympathien Ausdruck und Nachdruck geben
könnten. Verboten wären dagegen alle Erörterungen politischer, diplomatischer
und religiöser Natur. Das sieht alles sehr unschuldig aus, doch beleuchtet
dieses Programm bereits des Pudels Kern: man will für später vorsargen und
beraten, wie man sich in Konflikten zu verhalten habe und auf diese Weise
schließlich zu eiuer politischen Verbrüderung gelangen könnte. Der Beweis hier¬
für liegt bereits vor. Da nämlich das "Konntee der Französisch-Holländischen
Freundschaften" jede politische und diplomatische Betrachtung aus dem Bereiche
seiner Diskussionen und Bestrebungen pomphaft verbannt hat. begann es seine
propagandistische Arbeit damit, daß es von einem ehemaligen holländischen
Diplomaten eine Flugschrift folgenden Inhalts verfassen und in Frankreich ver¬
teilen ließ: es wurde, wie es ja auch ganz angebracht war. zunächst der Nach¬
weis zu fuhren versucht, daß Holland nicht unser Trabant sei und uns weder
militärische noch wirtschaftliche Vorteile verschafft habe. Dann aber wurde be¬
schrieben, mit welcher Entrüstung man in Holland die "Schändung der belgischen
Neutralität" durch die Deutschen aufgenommen, und daß diese gegen jedes
Völkerrecht verstoßende Handlungsweise die holländischen Sympathien für die


Holland, der Trabant

Chauvinisten zu überzeugen, dah es für uns zu keiner Stunde Satellitendienste
getan hat. Diese, wie jedermann bei uns weiß, auf reiner Wahrheit beruhenden
Versicherungen, werden merkwürdigerweise in Frankreich von Stunde zu Stunde
weniger geglaubt, und so nächst in Holland die Sorge, das von ihm so be¬
wunderte Frankreich könnte von der Übelnehmerei zu einer offenen Feindschaft
übergehen. Die holländische Presse allerdings ist nicht mehr so eifrig wie früher
bestrebt, Frankreich als den besten Freund ihres Landes hinzustellen, vielleicht
irgend einem Winke von oben gehorchend. Man merkt jedoch noch immer die
Verstimmung und das Bemühen, es unter keinen Umständen mit Frankreich zu
verderben. Die Gefahr erkennende, dienstfertige Leute haben nun zu einem
neuen, zunächst privaten Mittel gegriffen, um vor allem hüben und drüben
bessere Stimmungen zu erzeugen. Mau begründete in Paris das „Komitee
der Französisch-Holländischen Freundschaften". Seine Statuten sind im „Journal
Offieiel", dem französischen Reichsanzeiger erschienen, es ist also nicht daran zu
zweifeln, daß diese neue Verbrüderungsgesellschaft ein ernst zu nehmender Faktor
in den Beziehungen beider Länder zueinander ist. Diesen Statuten zufolge
soll das neugebackene Komitee die Aufgabe haben, eine Verstärkung der französisch¬
holländischen Beziehungen herbeizuführen. Zu diesem Zwecke soll durch die
Presse und durch Vorträge das Verständnis für die Kunst, Literatur und all¬
gemeine Kultur der beiden Länder gefördert werden. Es sollen die interessierten
Länder, zunächst nur theoretisch, über die beiderseitige wirtschaftliche und in¬
dustrielle Lage belehrt und auf dem Laufenden erhalten werden, damit sich
später auch praktische Folgen ergeben können. Es sollen serner Organe ge¬
schaffen werden, deren Aufgabe es wäre, Frauzosen und Holländer darüber
aufzuklären, in welcher Weise sie sich gegenseitig, namentlich zu Kriegszeiten,
beistehen und den gegenseitigen Sympathien Ausdruck und Nachdruck geben
könnten. Verboten wären dagegen alle Erörterungen politischer, diplomatischer
und religiöser Natur. Das sieht alles sehr unschuldig aus, doch beleuchtet
dieses Programm bereits des Pudels Kern: man will für später vorsargen und
beraten, wie man sich in Konflikten zu verhalten habe und auf diese Weise
schließlich zu eiuer politischen Verbrüderung gelangen könnte. Der Beweis hier¬
für liegt bereits vor. Da nämlich das „Konntee der Französisch-Holländischen
Freundschaften" jede politische und diplomatische Betrachtung aus dem Bereiche
seiner Diskussionen und Bestrebungen pomphaft verbannt hat. begann es seine
propagandistische Arbeit damit, daß es von einem ehemaligen holländischen
Diplomaten eine Flugschrift folgenden Inhalts verfassen und in Frankreich ver¬
teilen ließ: es wurde, wie es ja auch ganz angebracht war. zunächst der Nach¬
weis zu fuhren versucht, daß Holland nicht unser Trabant sei und uns weder
militärische noch wirtschaftliche Vorteile verschafft habe. Dann aber wurde be¬
schrieben, mit welcher Entrüstung man in Holland die „Schändung der belgischen
Neutralität" durch die Deutschen aufgenommen, und daß diese gegen jedes
Völkerrecht verstoßende Handlungsweise die holländischen Sympathien für die


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[0227] Holland, der Trabant Chauvinisten zu überzeugen, dah es für uns zu keiner Stunde Satellitendienste getan hat. Diese, wie jedermann bei uns weiß, auf reiner Wahrheit beruhenden Versicherungen, werden merkwürdigerweise in Frankreich von Stunde zu Stunde weniger geglaubt, und so nächst in Holland die Sorge, das von ihm so be¬ wunderte Frankreich könnte von der Übelnehmerei zu einer offenen Feindschaft übergehen. Die holländische Presse allerdings ist nicht mehr so eifrig wie früher bestrebt, Frankreich als den besten Freund ihres Landes hinzustellen, vielleicht irgend einem Winke von oben gehorchend. Man merkt jedoch noch immer die Verstimmung und das Bemühen, es unter keinen Umständen mit Frankreich zu verderben. Die Gefahr erkennende, dienstfertige Leute haben nun zu einem neuen, zunächst privaten Mittel gegriffen, um vor allem hüben und drüben bessere Stimmungen zu erzeugen. Mau begründete in Paris das „Komitee der Französisch-Holländischen Freundschaften". Seine Statuten sind im „Journal Offieiel", dem französischen Reichsanzeiger erschienen, es ist also nicht daran zu zweifeln, daß diese neue Verbrüderungsgesellschaft ein ernst zu nehmender Faktor in den Beziehungen beider Länder zueinander ist. Diesen Statuten zufolge soll das neugebackene Komitee die Aufgabe haben, eine Verstärkung der französisch¬ holländischen Beziehungen herbeizuführen. Zu diesem Zwecke soll durch die Presse und durch Vorträge das Verständnis für die Kunst, Literatur und all¬ gemeine Kultur der beiden Länder gefördert werden. Es sollen die interessierten Länder, zunächst nur theoretisch, über die beiderseitige wirtschaftliche und in¬ dustrielle Lage belehrt und auf dem Laufenden erhalten werden, damit sich später auch praktische Folgen ergeben können. Es sollen serner Organe ge¬ schaffen werden, deren Aufgabe es wäre, Frauzosen und Holländer darüber aufzuklären, in welcher Weise sie sich gegenseitig, namentlich zu Kriegszeiten, beistehen und den gegenseitigen Sympathien Ausdruck und Nachdruck geben könnten. Verboten wären dagegen alle Erörterungen politischer, diplomatischer und religiöser Natur. Das sieht alles sehr unschuldig aus, doch beleuchtet dieses Programm bereits des Pudels Kern: man will für später vorsargen und beraten, wie man sich in Konflikten zu verhalten habe und auf diese Weise schließlich zu eiuer politischen Verbrüderung gelangen könnte. Der Beweis hier¬ für liegt bereits vor. Da nämlich das „Konntee der Französisch-Holländischen Freundschaften" jede politische und diplomatische Betrachtung aus dem Bereiche seiner Diskussionen und Bestrebungen pomphaft verbannt hat. begann es seine propagandistische Arbeit damit, daß es von einem ehemaligen holländischen Diplomaten eine Flugschrift folgenden Inhalts verfassen und in Frankreich ver¬ teilen ließ: es wurde, wie es ja auch ganz angebracht war. zunächst der Nach¬ weis zu fuhren versucht, daß Holland nicht unser Trabant sei und uns weder militärische noch wirtschaftliche Vorteile verschafft habe. Dann aber wurde be¬ schrieben, mit welcher Entrüstung man in Holland die „Schändung der belgischen Neutralität" durch die Deutschen aufgenommen, und daß diese gegen jedes Völkerrecht verstoßende Handlungsweise die holländischen Sympathien für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/227>, abgerufen am 27.09.2024.